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Coronavirus: «So erlebe ich mein Bern in dieser Zeit»

Anstehen mit Abstand vor einem Take-Away in der Berner Marktgasse. Keystone / Marcel Bieri

"Dieses Virus lässt niemanden kalt", sagt Gaby Ochsenbein. Die frühpensionierte ehemalige Redaktorin von swissinfo.ch schreibt in dieser beispiellosen Zeit über ihre Beobachtungen und Fragen – aus persönlicher Sicht.

Was für ein prächtiger Frühlingstag, allerdings in einer bleiernen Zeit: Das Corona-Virus ist omnipräsent, nicht sichtbar zwar, aber spürbar. Der Alltag verändert sich, verlangsamt sich, wird ausgedünnt. Und auch in den Köpfen der Menschen tut sich einiges.

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Geweckt werde ich von fröhlichem Vogelgezwitscher. Aber etwas fehlt am ersten Tag des nationalen Lockdown: das quirlige Lachen und Plappern der Kinder, die jeweils um acht Uhr in der Früh am Haus vorbeirennen, um rechtzeitig in der Schule zu sein.

Jetzt müssen sie zu Hause bleiben und mithelfen, die Ausbreitung der Pandemie zu bremsen. Auch in der Kinderkrippe unten an der Strasse ist es ruhiger als üblich. Viele Eltern behalten ihre Kinder wohl zu Hause, aus Solidarität und Verantwortungsbewusstseins.

Auf dem Weg an der Aare füttert der alte Mann aus dem Altersheim nebenan wie immer um diese Zeit die Saatkrähen mit Brotkrümeln. Er grüsst freundlich – wie immer. Weiter unten am Fluss sind zwei 10-jährige Buben beim Fischen. Sie scheinen nicht unglücklich darüber zu sein, dass kein Schulunterricht stattfindet.

Gespenstische Ruhe

Gähnende Leere auf dem Bundesplatz, wo normalerweise an diesem Tag der Gemüsemarkt stattfindet. Auch der ist zum Schutz der Bevölkerung geschlossen. So wie alle Restaurants, Cafés und Kinos. Wie lange wird es wohl dauern, bis ich wieder in meinem Lieblingslokal Kaffee trinken und Zeitung lesen kann?

Ein fast menschenleerer Bärenplatz in Bern. Keystone / Marcel Bieri

An den meisten Läden, die keine Güter des täglichen  Grundbedarfs verkaufen, sind Affichen angebracht. So auch bei diversen Buchhandlungen. „Coronazeit ist Lesezeit“, steht da sinngemäss geschrieben. Bücher wie auch viele andere Artikel kann man online bestellen.

Die Stadt ist sehr viel ruhiger als üblich, fast gespenstisch die Stimmung. Und die Leute nehmen sich bewusster wahr, manche Blicke sind misstrauisch, gar ängstlich, man schaut, wen man kreuzt, nimmt Abstand.

Ellbogen-Einsatz

Wer die Türöffnung bei Tram oder Bus betätigt, nimmt nicht mehr den Finger, sondern den Ellbogen. Und der Ellbogen wird auch zur Begrüssung im Freundeskreis ausgefahren. Fertig mit Umarmungen und Küsschen. Komisch zwar, macht aber Sinn, sagt man. Die Lage ist ernst.

Meinem kurdisch-iranischen Deutschschüler habe ich bis vor kurzem noch die Hand gereicht. Damit ist jetzt Schluss. Er erzählt mir, wie sie auch im Asylzentrum angewiesen werden, die Hände regelmässig zu waschen und untereinander Distanz zu halten. Das ist wohl nicht immer einfach, da sich sechs bis acht Leute ein Zimmer teilen.

Und was, wenn bald auch in der Schweiz eine weitgehende Ausgangssperre kommt wie in Italien? Man die Wohnung nur noch verlassen darf, um zur Arbeit oder zum Einkaufen zu gehen? Nach draussen darf in Italien auch, wer mit dem Hund Gassi gehen muss, habe ich gelesen. Aber ich habe keinen Hund. Ich kann mir auch keinen zulegen, die Zoohandlungen sind geschlossen. Und einen Hund online kaufen, das geht gar nicht. Bücher schon. Coronazeit ist Lesezeit!

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