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Bern will mit Australien keine Spezialvisa für junge Leute

Junge Leute aus Australien, die nach Europa reisen, arbeiten oft in Skidestinationen. Dass sie in die Schweiz wechseln könnten - wie hier im Skigebiet Portes du Soleil-, steht nicht zur Diskussion. Keystone Archive

Die jungen Schweizerinnen und Schweizer kommen nicht in den Genuss eines kulturellen Austauschjahres in Australien. Zum Missfallen der Schweizer Botschaft in Canberra hat Bern das Projekt eines Ferien-Arbeitsvisas (WHV) beerdigt. Die Botschaft in Australien kritisiert "den fehlenden politischen Willen".

Ein Jahr lang Australien zu entdecken und die Sprachkompetenz in Englisch zu verbessern, zu studieren und vor allem arbeiten zu dürfen, das sind die Möglichkeiten, die ein Arbeits-Ferien-Visum (Working Holiday Visa WHV) bietet. Im vergangenen Jahr haben mehr als 154’000 junge Menschen aus 25 Ländern davon Gebrauch gemacht.

Die Schweizerinnen und Schweizer jedoch müssen auf diese Möglichkeit noch lange warten. Das Eidgenössiche Justiz-und Polizeidepartement (EJPD) hat mehr als vier Jahre nach Australiens Anfrage entschieden, nicht auf den Inhalt dieses Dossiers einzutreten. Von der anderen Seite der Welt ertönt Kritik. Sie kommt von den Vertretern der Schweizer Behörden in Australien selbst.

Die Entscheidung des EJPD wird mit vier Gründen erklärt. Sie beziehen sich auf den Aufenthalt der jungen Australier in der Schweiz. Das WHV beruht auf Gegenseitigkeit.

Das Gesetz geht vor

Der erste genannte Grund ist das Gesetz. «Die Schweiz kennt dieses Statut des Touristen, der eine Arbeitserlaubnis hat, nicht», erklärt Roland Flükiger Bundesamt für Migration (BFM). «Bis ins Jahr 2008 erlaubte es das Gesetz jedenfalls nicht, eine derartige Arbeitsbewilligung auszustellen. Durch das Inkkrafttreten des neuen Ausländergesetzes haben wir uns wieder damit auseinandergesetzt. Aber die Gesetzesgrundlage genügt immer noch nicht. Über eine allfällige Gesetzesänderung müsste das Parlament abstimmen. Das würde zwei bis drei Jahre dauern.»

Warum sollte das Gesetz nicht geändert werden? «Unserer Meinung nach bringt es nichts, das Gesetz wegen einem einzigen Artikel anzupassen», meint der Vertreter des BFM. Im Klartext: Dieses kulturelle Austauschprogramm ist für die Bürgerinnen und Bürger der Schweiz nicht interessant.

Ein anderer Grund sei, dass die Personenfreizügigkeit mit der Europäischen Union die Schweiz «im Umgang mit Drittländern strenger gemacht» habe. Es werden nur noch Leute mit Spezialqualifikationen zugelassen. Die Schaffung einer neuen Arbeitsbewilligung ritzt an diesem Prinzip.

Die Krise, das Argument gegen alles

Ein dritter Grund fällt gemäss Roland Flükiger schwer ins Gewicht: Die ablehndende Haltung der Kantone. «Wir haben die Kantone letztes Jahr eingeladen, zu dieser Frage Stellung zu beziehen, denn in erster Linie sind die Kantone für die Ausstellung der Arbeitsbewilligungen zuständig», erklärt er. «Zwei Drittel haben sich gegen das neue Statut ausgesprochen. Ein Drittel wollte vorher die Details eines Abkommens kennen.»

Das letzte Argument schliesslich ist die Wirtschaftskrise: «Bei der steigenden Arbeitslosigkeit will man nicht noch eine weitere Gruppe von Arbeitnehmenden auf dem Markt.»

Das WHV sieht allerdings vor, dass nur sechs Monate für den gleichen Arbeitgeber gearbeitet werden darf. So soll verhindert werden, dass qualifiziertes Personal konkurrenziert wird. «Es gibt ausländische Arbeitslose und Asylbewerber, die gerne einen Job hätten. Man befürchtet, dass die Personen mit WHV-Visum im Tourismus arbeiten würden, einem Sektor, wo es bereits lokale Arbeitverhältnisse gibt.» Solange die Krise anhält, wird das Dossier nicht neu beurteilt.

Angst vor australischen Arbeitnehmenden?

Wer dem Abteilungsleiter des BFM zuhört, könnte glauben, dass die Schweiz eine Invasion von Australiern befüchtet: «Davor haben wir keine Angst, aber wenn wir einen neuen Typ von Arbeitsbewilligungen einführen, sind wir sicher, dass andere Länder das gleichen Anliegen haben werden», antwortet er. Andere Länder, die gemäss ihm jedoch nicht die gleiche Anziehungskraft haben. Flükiger nennt keine Namen.

Trotz allen Bedenken: Das Abkommen kann den Bedürfnissen der Partnerländer angepasst werden. Frankreich hat eine Quote von 600 Visas für Australier festgelegt. Diese wird jedoch gemäss unseren Informationen nicht ausgeschöpft. Australien hat keine Quote festgelgt. Es ist auch möglich, eine Selektion der Bewerber durchzuführen.

«Mangel an politischem Willen»

Während die Politiker das Projekt in der Schweiz beerdigten, versuchen die Vertreter der Schweizer Behörden auf der anderen Seite der Welt seit vier Jahren, es zu Stande zu bringen.

Alle Befragten, sowohl im australischen Konsulat als auch auf der Botschaft, befürworten das Programm und bedauern die Ablehung aus Bern, die sich auf Prinzipientreue und Befürchtungen bezieht.

Der stellvertretende Schweizer Botschafter in Canberra, Claude-André Barbey, ist erstaunt über die feindselige Einstellung der Kantone. «Unsere kantonalen Behörden verlassen die Schweiz nicht oft genug. Einige unter ihnen scheinen Angst zu haben, von Australiern überschwemmt zu werden. Sie haben eine ganz falsche Vorstellung der Welt, wenn sie denken, dass man sich an das Schweizer Boot klammern will», bedauert der Diplomat.

Angst vor den Kantonen

Er bemängelt vor allem den «mangelnden politischen Willen» des EJPD, dem federführenden Amt in diesem Dossier. Er findet es zu einfach, die Kantone und nun die Wirtschaftskrise vorzuschieben.

«Seit Jahren drehen wir uns im Kreis, es reicht», beschwert sich Claude-André Barbey. «Man erzielt ein Eigentor, wenn man den jungen Schweizerinnen und Schweizern diese Möglichkeit, die Welt zu entdecken und Englisch zu lernen, vorenthält. Die Regierung könnte beschliessen, diese Visa einzuführen, ohne den Beschluss den parlamentarischen Kammern vorzulegen. Aber dafür bräuchte es den politischen Willen. Und unsere Politiker wollen nicht mit den Kantonen die Klingen kreuzen. Sie sind durch die Spätfolgen der Blocher-Ära blockiert.»

Ob Bundesrätin Eveline Widmer-Schlumpf, Vorteherin des EJPD, die Reaktion der Kantone fürchtet? Ihre Sprecherin, Brigitte Hauser-Süess, weicht der Frage aus und betont:» Wir sehen nicht ein, warum wir das Ausländergesetz, das erst letztes Jahr in Kraft getreten ist, ändern sollen. Das Volk hat entschieden, unsere Politik mit diesem Zugang auf den Arbeitsmarkt zu unterstützen.»

Sophie Roselli, Sydney, swissinfo.ch
(Übertragung aus dem Französischen: Eveline Kobler)

So funktionert es: Das Working Holiday Visa (WHV) wurde von Australien und Grossbritannien vor 34 Jahren eingeführt, um den kulturellen Austausch zu erleichtern. Die Begünstigten können ein Jahr in einem Land leben. Sie können Ferien machen oder haben die Möglichkeit, zu studieren oder zu arbeiten.

Wirtschaftlicher Aspekt: Weil die Inhaber eines WHV nicht länger als sechs Monate für den gleichen Arbeitgeber arbeiten dürfen, nehmen sie oft unqualifizierte Arbeiten in der Landwirtschaft oder im Tourismus an, die sonst schwer zu besetzen sind.

Partnerländer: Bei dem Programm machen 25 Länder mit, darunter Grossbritannien, Frankreich, Deutschland, die USA, Kanada, Japan, Korea, Chile, der Iran, Malaisia und die Türkei. Von dem Programm können auch die Australier Gebrauch machen, da das Abkommen auf beide Seiten gilt.

Wer profitiert davon? Die jungen Leute von 18 bis 30 Jahre.

Erfolg: Zwischen 2007 und 2008 haben mehr als 154000 junge Leute mit diesem Programm Australien entdeckt. Neun Jahre vorher waren es nur 65’000 Personen.

1. Grossbritannien(28’378)
2. Südkorea(25’807)
3. Irland (17’874)
4. Deutschland(13’285)
5. Frankreich (11’132)
6. Japan (6321)

(Die Zahlen fürs Jahr 2009 sind noch nicht defintiv)

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