Besuch stellt Aserbaidschan ins Rampenlicht
Aserbaidschans Präsident Ilham Aliyev stattet der Schweiz bis zum 20. Oktober einen offiziellen Besuch ab. Aserbaidschan ist eines der ältesten erdölfördernden Länder der Welt. Dennoch weiss die Schweizer Bevölkerung nur wenig über diese Nation.
Der Präsident Aserbaidschans, Ilham Aliyev hat in der Schweiz schon an internationalen Meetings teilgenommen. Nun kommt er zum ersten Mal zu einem offiziellen Besuch in die Schweiz, wo er mit Bundespräsident Hans-Rudolf Merz, Aussenministerin Micheline Calmy-Rey und Verkehrsminister Moritz Leuenberger Gespräche führen wird.
Für den aserbaidschanischen Botschafter in der Schweiz, Elchin Amirbayov, ist der Besuch auch eine Gelegenheit, Aserbaidschan im Bewusstsein der Schweizer Bevölkerung besser zu verankern.
swissinfo.ch: Welche Themen sind für die Schweiz und für Ihr Land von besonderem Interesse?
Elchin Amirbayov: Ich denke, Aserbaidschan ist für die Schweiz einer der wichtigsten Partner im Bereich der Zusammenarbeit im Energie-Sektor.
Ein anderer Bereich ist der politische Dialog und die Rolle, die die Schweiz im Südkaukasus spielt, indem sie als Schutzmacht wichtige Funktionen in Georgien wahrnimmt. Zudem hat die aktive Rolle der Schweiz im Konflikt zwischen der Türkei und Armenien die beiden Länder näher gebracht.
Wir haben auch ein Interesse an einer friedlichen Lösung all der ungelösten Konflikte zwischen Armenien und Aserbaidschan.
swissinfo.ch: Sind Sie besorgt über die Annäherung zwischen der Türkei und Armenien?
E.A.: Ich würde nicht sagen, dass wir darüber besorgt sind, denn wir begrüssen jeden Schritt zur Stabilität in der Region.
Von Belang ist für uns, dass bilaterale Beziehungen nicht aus dem Kontext der ganzen Region heraus genommen werden. Eines der grossen Themen, das die Region im Bereich der Sicherheit angehen muss, ist das Problem, dass Armenien rund ein Fünftel des international anerkannten Territoriums von Aserbaidschan besetzt.
swissinfo.ch: Kann Ihr Land im Bereich der guten Regierungsführung von der Schweiz lernen?
E.A.: Die Schweiz hat eine lange demokratische Tradition. Wir haben damit erst 1991, nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion begonnen. Und wenn Sie jetzt noch in Betracht ziehen, dass wir kurz danach mit der Besetzung durch Armenien und dem Nagorno-Karabach-Konflikt konfrontiert wurden, dann ist klar, dass für uns die Sicherheit und existenzielle Fragen erste Priorität hatten.
Seit wir im Jahr 2001 Mitglied des Europarates geworden sind, haben wir grosse Anstrengungen unternommen, um politische Reformen durchzuführen, das Land zu öffnen und die Basis für die Bildung einer Zivilgesellschaft zu legen. Die grosse Erfahrung der Schweiz in diesen Belangen ist für uns selbstverständlich von grossem Nutzen.
Sicherlich wäre es für Schweizer Parlamentarier von Nutzen, wenn sie unser Land mal besuchen würden. Ich denke an die grossen internationalen Herausforderungen wie den Klimawandel, die Energieversorgungs-Sicherheit oder die militärische Sicherheit, die alle für die Sicherheit Europas einen grossen Stellenwert haben.
swissinfo.ch: Gelingt es ihnen, die Schweizer Bevölkerung vermehrt für die Belange Aserbeidschans zu sensibilisieren?
E.A.: Wir sind erst seit 2005 in Bern. Aber wir können feststellen, dass viele Menschen seither wenigstens den Namen korrekt aussprechen können. Und wir haben immer wieder Passanten, die unsere Flagge sehen und uns dann fragen, wo Aserbaidschan liegt.
Wir veranstalten zudem regelmässig kulturelle Aktivitäten. Dank der Eindrücke, welche die Besucher dabei erhalten, können sie sich ein eigenes Bild über unser Land machen.
swissinfo.ch: Ist Präsident Alijew beunruhigt über Vorwürfe, in Aserbeidschan würden Menschenrechte verletzt?
E.A.: Ich sehe keinen Grund, weshalb er dies sein sollte. Er hat schon viel erreicht, als Mitglied der aserbaidschanischen Delegation in der Parlamentsversammlung des Europarates wie als Präsident des Landes. In dieser Funktion ist er daran, Aserbaidschan näher an die Familie der Länder Europas zu bringen.
Demokratische Reformen und Menschenrechte sind uns ein grosses Anliegen, aber wir haben unseren eigenen Fahrplan. Die Fortschritte werden sich beschleunigen, wenn wir die Probleme lösen können, die uns beschäftigen: Es geht dabei um unsere Territorien, die momentan von einem anderen Staat kontrolliert werden.
swissinfo.ch: Was sagen Sie zum Fall der so genannten Esel-Blogger?
E.A.: Solange der öffentliche Prozess, der momentan stattfindet, läuft, kann ich dazu nur schwerlich etwas sagen. Gemäss dem einen Standpunkt haben sie das Gesetz verletzt, gemäss dem anderen nicht. Ich hoffe, dass wir zu einer Lösung kommen und den Fall dann abschliessen können.
In der Agenda der bilateralen Beziehungen, die Sie ansprechen, stehen meiner Meinung nach andere Dinge höher oben, wie Respekt und die Förderung der Menschenrechte. Dies trifft nicht nur auf die bilaterale, sondern auch auf die interne Agenda zu. Präsident Alijew hat sich dazu stark bekannt.
Julia Slater, swissinfo.ch
Die Schweiz anerkannte Aserbaidschan 1991 kurz nach dessen Unabhängigkeit.
2001 eröffnete die Schweiz in Baku ein Kooperationsbüro, 2007 eine Botschaft.
Der aktuelle Botschafter Aserbaidschans ist seit 2004 in der Schweiz, erst in Genf, seit 2005 in Bern.
2008 besuchte der damalige Bundespräsident Pascal Couchepin Aserbaidschan. Jetzt kommt Präsident Ilham Alijew auf Gegensbesuch nach Bern.
Beim Projekt für die Trans-Adriatischen Pipeline hat das Schweizer Unternehmen EGL die Federführung. Die Leitung soll Erdgas vom Kaspischen Meer via Griechenland nach Italien transportieren.
Der Schweizer Zementkonzern Holcim ist mit der Tochter Garadagh Cement seit 1999 in Aserbaidschan aktiv. Angesichts des dortigen Baubooms plant der Konzern weitere Investitionen.
Im Land präsent ist auch der Technologiekonzern ABB.
Emin Milli and Adnan Hajizade, zwei junge Bürgerrechtsaktivisten, sitzen in Aserbaidschan seit Juli 2009 wegen angeblicher Gewalttätigkeit in Haft.
Ihren Übernamen haben sie aufgrund eines satirischen Videos, das sie ins Internet stellten. Es zeigt einen Esel, der eine Medienkonferenz abhält.
Sie gaben bei der Polizei an, in einem Restaurant angegriffen worden zu sein. Statt dem Sachverhalt nachzugehen, hält die Polizei die beiden seither fest.
Der öffentliche Prozess, der im September begann, wurde im Ausland scharf verurteilt.
Die Regierung betont, dass die Anklage in keinem Zusammenhang mit ihrer Kritik an der Regierung Aserbaidschans stehe.
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