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Betrunkene Jugendliche immer öfter im Spital

Bei jungen Männern ist Bier das meistgetrunkene alkoholische Getränk. Keystone

In der Schweiz müssen jeden Tag drei bis vier Jugendliche wegen Alkoholvergiftung oder Alkoholabhängigkeit im Spital behandelt werden.

Dies sagt eine Studie der Schweizerischen Fachstelle für Alkohol- und andere Drogenprobleme (SFA) im Auftrag des Bundesamtes für Gesundheit (BAG).

Im Untersuchungsjahr 2003 wurden gemäss SFA rund 1300 Kinder, Jugendliche und junge Erwachsene im Alter von 10 bis 23 Jahren wegen Alkoholvergiftung oder Alkoholabhängigkeit im Spital behandelt.

Bei 900 von ihnen wurde eine Alkoholvergiftung festgestellt. Rund 400 Jugendliche wurden wegen Alkoholabhängigkeit behandelt. Die SFA geht davon aus, dass es sich bei diesen Zahlen lediglich um die Spitze des Eisbergs handelt.

Jugendliche, die mit einer Alkoholvergiftung in eine ambulante Notfallaufnahme, zum Hausarzt oder zur Polizei gelangten, seien nicht erfasst worden.

Die Zahl der Alkoholvergiftungen steige ab dem Alter von 14 Jahren deutlich an und sei bei den 18- und 19-Jährigen am höchsten.

Bei den 20-Jährigen nehme die Zahl der Alkoholabhängigen zu. Als wichtige Massnahme, um dem Alkoholmissbrauch entgegenzuwirken, plädiert die SFA für die Einschränkung der Erhältlichkeit sowie die stärkere Besteuerung billiger alkoholischer Getränke.

Tendenz eher steigend

Für die Schweiz ist diese Studie, die auf Spitaldaten des Bundesamtes für Statistik basiert, ein Novum: Es liegen damit erstmals Fakten vor, welche die Folgen des Alkoholmissbrauchs bei Jugendlichen und jungen Erwachsenen aufgrund medizinischer Diagnosen beschreiben.

Bislang dokumentierten ähnlich gelagerte Studien lediglich den von Jugendlichen selbst berichteten Alkoholkonsum und seine Folgen.

Obwohl das Forschungsteam die Spitalstatistiken von 1999 bis ins Jahr 2003 analysiert hat, lassen sich nur mit Vorsicht Aussagen über Entwicklungstrends machen, da die Daten vor 2003 lückenhaft sind.

«Die Zahl der Alkoholintoxikationen und der Alkoholabhängigkeiten dürfte im Laufe der letzten Jahre zugenommen haben», schätzt der Autor der Studie, Gerhard Gmel, von der Forschungsabteilung der SFA.

Einen Beleg dafür, dass Rauschtrinken bei den Schweizer Jugendlichen zunehmend ein Problem darstellt, ist die nationale Schülerbefragung der Stiftung SFA.

So hat sich der Anteil der 15- und 16-Jährigen, die in ihrem Leben mehr als einmal betrunken waren, in den letzten 20 Jahren verdoppelt: bei den Jungen von 19 auf 42% und bei den Mädchen von 13 auf 25%.

Bier zu billig

«Der Alkoholkonsum von Kindern und Jugendlichen darf nicht bagatellisiert werden», sagt Michel Graf, Direktor der SFA.

Eine wirksame Prävention muss nach Ansicht des SFA-Direktors einerseits beim Individuum ansetzen und Jugendliche wie Erwachsene über die Gefahren des Rauschtrinkens aufklären.

Andererseits muss sie aber auch die Gesellschaft in die Pflicht nehmen: «Auf struktureller Ebene sind die Einschränkung der Erhältlichkeit und die stärkere Besteuerung billiger alkoholischer Getränke wichtige Massnahmen, um dem Alkoholmissbrauch entgegenzuwirken.»

Das meistkonsumierte Getränk junger Männer ist Bier, das oft billiger zu haben ist als Softdrinks. Hier müssten die Politiker etwas unternehmen.

Eine Untersuchung der holländischen Stiftung für Alkoholprävention (STAP) zeigt übrigens, dass 10- bis 15-jährige sehr stark auf Alkoholwerbung in Fernsehen und Kino reagieren und diese auch ansprechend finden.

Kinder und Jugendliche, die alkoholische Getränke konsumieren, würden die Alkoholwerbung besser kennen als jene, die (noch) keinen Alkohol trinken, sagt STAP.

swissinfo und Agenturen

Der wissenschaftliche Begriff Rauschtrinken steht für übermässigen Alkoholkonsum bei einer Gelegenheit. Rauschtrinken führt zu körperlichen und psychischen Beeinträchtigungen.

Anzeichen sind verminderte Reaktions-, Urteils- und Kontrollfähigkeit sowie Konzentrations- und Koordinations-Schwierigkeiten.

Auch wenn diese Symptome subjektiv vielleicht nicht wahrgenommen werden, liegen nach dem Konsum von vier bis fünf Gläsern Alkohol medizinisch gesehen ein Rausch und eine Intoxikation vor.

In der Schweiz sind rund 300’000 Personen Alkoholiker.
Zwischen 450’000 bis 900’000 Personen müssen mit einem Alkoholabhängigen zusammenleben. Darunter sind 50’000 bis 110’000 Kinder und Jugendliche.

Bei den 15- und 16-Jährigen Jugendlichen nimmt die Zahl der Betrunkenen zu.

Mehr als 40% der Jugendlichen in dieser Altersklasse und rund 25% der Schülerinnen und Schüler geben an, schon mindestens ein Mal betrunken gewesen zu sein.

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