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Beweis für CIA-Gefängnisse in Europa?

Die Onyx-Satellitenstation Leuk im Wallis, die "Ohren" des Schweizer Geheimdienstes. Keystone

Der Schweizer Geheimdienst hat einen Fax abgefangen, in dem das ägyptische Ausseministerium geheime Gefängnisse der CIA in Europa bestätigt.

Die Sache publik gemacht hat der SonntagsBlick. Die Schweizer Regierung wollte zum Bericht keine Stellung nehmen.

Der Aufklärungsdienst der Schweizer Armee verfügt seit dem 10. November 2005 über einen Beweis für die Existenz von Gefängnissen des US-Geheimdienstes CIA in Europa. Die Zeitung SonntagsBlick hat in ihrer neuesten Ausgabe ein Faksimile eines geheimen Berichts veröffentlicht, in dem das ägyptische Aussenministerium das Vorhandensein von «Verhörzentren» in Rumänien, Bulgarien, Mazedonien, Kosovo und der Ukraine bestätigt.

Der Fax aus Kairo war für die ägyptische Botschaft in London bestimmt. Die Nachricht wurde aber vom Schweizer Geheimdienst abgefangen, aufgrund des Satellitenabhör-Systems Onyx. Die «Schweizer Ohren» von Onyx stehen in Form von fünf grossen Antennen in Leuk im Kanton Wallis. Weitere Standorte sind Zimmerwald und Heimenschwand im Kanton Bern.

Bisher abgestritten

Falls sich die veröffentlichten Informationen als richtig erweisen, wäre der Fax der erste Beweis für die Existenz solcher Geheimgefängnisse in Europa. Die US-Aussenministerin Condoleeza Rice hatte noch vor einem Monat auf ihrer Europa-Reise allenthalben versichert, dass ihr Land keine solchen Gefängnisse betreiben würde.

Und auch die Regierungen der europäischen Länder, in denen geheime CIA-Anstalten vermutet werden, haben solche bisher immer abgestritten.

Details

In der abgefangenen Nachricht spricht das ägyptische Aussenministerium konkret von 23 irakischen und afghanischen Personen, die auf dem Stützpunkt Mihail Kogalniceanu in der Nähe der rumänischen Stadt Constanza an der Schwarzmeerküste verhört würden.

Die Behörde aus dem Nilstaat stützte sich dabei auf Informationen des ägyptischen Geheimdienstes. Dieser wird laut SonntagsBlick von Insidern als äusserst zuverlässig eingestuft.

Das Schweizerische Verteidungungs-Ministerium (VBS) wollte sich nicht zum Sachverhalt äussern. «Das Departement für Verteidigung, Bevölkerungsschutz und Sport (VBS) nimmt zum Zeitungsbericht keine Stellung», sagte VBS-Sprecher Jean-Blaise Defago gegenüber swissinfo.

Verteidigungsminister Samuel Schmid werde aber angesichts des Lecks eine Administrativuntersuchung einleiten und sich weitere rechtliche Schritte vorbehalten, so Defago weiter. Auf der Webseite kündigte das VBS immerhin an, dass im Rahmen der parlamentarischen Kontrolle die Geschäftsprüfungs-Delegation des Schweizer Parlaments ausführlich informiert werde. Dies ist das Aufsichtsorgan über die Schweizerischen Geheimdienste.

Marty vorerst skeptisch

Für den Schweizer Ermittler Dick Marty, der für den Europarat eine Untersuchung über die vermuteten CIA-Geheimgefängnisse leitet, liefert das Dokument noch nicht den schlüssigen Beweis für deren Existenz. «Ich kann nichts über die Echtheit des Dokuments sagen», relativierte der Ermittler gegenüber swissinfo.

Im übrigen enthalte der Fax Informationen, die schon bestehende Indizien bestätigten. «Es scheint mir deshalb nicht angebracht, vom absoluten Beweis zu sprechen.» Dennoch geht er davon aus, dass es sich um ein authentisches Dokument handelt. Sei das Dokument tatsächlich echt, würde er es als weiteres Indiz dafür werten, dass einige Regierungen, auch europäische, nicht die ganze Wahrheit sagten.

«Im Bundeshaus wird es einige Fragen geben», steht für den Tessiner Ständerat fest. Klärung verlangt er vor allem in der Frage, weshalb Schweizer Geheimdienste den Verkehr zwischen Kairo und seiner Botschaft in London ausspionierten? «Oder stammen die Informationen gar von einem anderen Geheimdienst, der sie erst der Schweiz und dann dem SonntagsBlick zur Verfügung gestellt hat?»

UNO-Sonderberichterstatter zuversichtlich

Manfred Nowak, der österreichische UNO-Sonderberichterstatter über die Folter, äusserte sich gegenüber der Zeitung zuversichtlich, dass «all diese Puzzleteile letztlich zu einer lückenlosen Aufklärung» führen würden. Endgültige Beweise für die Existenz der Geheimgefängnisse lägen aber erst dann vor, wenn die Möglichkeit bestehe, an Ort und Stelle Untersuchungen durchzuführen.

swissinfo, Renat Künzi

Die Schweizer Bundesanwaltschaft hat wegen bisher über 70 Überflügen von US-Flugzeugen im Dienste der CIA ein Verfahren eröffnet.

Die Schweizer Regierung hatte bereits am 6. Dezember von Washington Auskunft verlangt über vier Landungen und 30 Überflüge von US-Maschinen.

Am 2. November hatte die «Washington Post» berichtet, dass die USA in Osteuropa Gefangenenlager «im Sowjetstil» aufgebaut hätten, um Terror-Verdächtige zu verhören.

Die Schweiz betreibt die Onyx-Anlagen (Leuk, Zimmerwald, Heimenschwand) seit 2000. Sie ermöglichen die Überwachung des gesamten Kommunikations-Verkehrs, der von Satelliten übertragen wird (Telefongespräche, Fax, Telex, E-Mail und Informatikdaten).
Bis 18 Meter grosse Parabolantennen fangen die Wellenbündel ab, die von den Kommunikations-Satelliten (z.B. Intelsat, Eutelsat) an deren Bodenstationen gesendet werden.
Pro Satellit, der ausspioniert werden soll, braucht es eine Antenne.
Im Innern der Onyx-Stationen befinden sich Rechner mit Programmen, welche die abgefangenen Informationen nach vorgegebenen Kriterien durchsieben und ausfiltern können.

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