Briefmarke ertasten
Erstmals gibt die Schweizer Post eine Briefmarke mit Blindenschrift heraus. Sie ehrt damit das 100-jährige Engagement der Sehbehinderten-Organisationen.
Die 70-Rappen-Sondermarke soll Sehende für die Probleme von Sehbehinderten und Blinden sensibilisieren.
Die «tastbare Marke» mit Brailleschrift wird am kommenden 6. März erhältlich sein, wie die Post am Dienstag in Zürich bekannt gab. Sie ehrt mit der Sondermarke das 100-jährige Engagement des Schweizerischen Zentralvereins für das Blindenwesen und der Schweizerischen Bibliothek für Blinde und Sehbehinderte.
Die Unterstützung Blinder durch die Post hat eine lange Tradition. Bereits 1905 regte der Bundesrat an, dass Blinde in der Schweiz ihre Postsendungen portofrei versenden können. Diese Regelung hat sich inzwischen laut Post weltweit durchgesetzt.
Entworfen hat die Marke die Winterthurer Grafikerin Sandra Di Salvo. Auf den ersten Blick erscheint die Marke dem Betrachter als rotes Rechteck. Erst bei genauem Hinschauen kommt die mittels Lackierung angedeute Zahl «70» zum Vorschein. Im Kontrast dazu steht der normal lesbare Schriftzug «Helvetia 70».
Sehbehinderte für einmal im Vorteil
Norbert Schmuck vom Zentralverein freut sich einerseits darüber, dass die Post auf den Vorschlag einer tastbaren Briefmarke eingegangen ist. «Anderseits – und das ist sicher wichtiger – können wir mit einer solchen Marke auf die Bedürfnisse und Probleme von sehbehinderten, blinden und taubblinden Menschen aufmerksam machen.»
Die Kommunikation sei für solche Menschen weiterhin schwieriger und viel aufwendiger als für Sehende, betonte Schmuck gegenüber swissinfo.
«Und mit dieser Marke ist es für einmal umgekehrt, die Behinderten sind im Vorteil: Sehende sehen die Zahl ’70› nicht auf den ersten Blick. Eine sehbehinderte Person muss einmal darüber tasten und weiss rasch, dass es sich um eine 70-Rappen-Marke handelt.»
Integrations-Bemühungen weiterhin wichtig
Sensibilisierung sei weiterhin wichtig und nötig, trotz erfolgreichem Projekt an der Expo.02, erklärt auch René Mathys vom Schweizerischen Blinden- und Sehbehindertenverband.
Am wichtigsten sei ihm die soziale und wirtschaftliche Integration, so Mathys weiter. Doch auch heute noch wüssten viele Arbeitgeber nicht, dass blinde Menschen beispielsweise sehr gut am Computer arbeiten könnten.
«Und wenn ich überlege, welche Telefonate hier eintreffen, merke ich, wie viel noch nötig ist. So wissen viele Automobilisten nicht, dass sie einem Blinden Vortritt gewähren müssen, wenn er über die Strasse will. Auch denkt kaum jemand daran, dass Lifte meist nicht sehbehindertengerecht angeschrieben sind.»
swissinfo und Agenturen
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