BSE: Die Bauern gewinnen eine Schlacht
Die Eidgenössische Rekurskommission für die Staatshaftung heisst eine Beschwerde von über 2000 Bauern gut, die vom Bund 300 Mio. Franken Schadenersatz verlangen.
Nach siebenjährigem Kampf haben die Bauern im BSE-Streit eine Schlacht gewonnen – aber noch nicht den Krieg.
Im April 1997 hatten 2206 Westschweizer Bauern gegen den Bund eine Schadenersatzklage über 300 Millionen Franken eingereicht. Sie stützten diese auf Mindereinnahmen, verursacht durch Versäumnisse und Fehler der Bundesbehörden im Kampf gegen die Rinderseuche BSE zwischen April 1996 und Ende 1999.
Das Eidg. Finanzdepartement (EFD) lehnte im Oktober 2002 jegliche Verantwortung des Bundes sowie seiner Behörden und entsprechend eine Schadenersatzpflicht als unbegründet ab.
Schlechte Interessen-Abwägung
Anders sieht dies nun die Eidgenössische Rekurskommission für die Staatshaftung. Sie hat mit dem Urteil von 29. April den Entscheid des EFD annulliert und die Argumentation der Bauernorganisationen Uniterre und Agora mit deutlichen Worten weitgehend gestützt.
Das Fehlen eines Fütterungsverbots für Tiermehl zwischen Juli 1988 und Dezember 1990 sei das «Resultat einer schlechten Interessen-Abwägung, die als unzulässig bezeichnet werden muss». So hätten die Bundesämter die Privatinteressen der Tiermehlproduzenten und -händler vor das öffentliche Interesse gestellt, nämlich den Schweizer Viehbestand vor BSE zu schützen.
Als unzulässig beurteilte die Kommission zudem, dass in den Futtermühlen auch nach 1990 Tiermehl noch verarbeitet wurde. Ein generelles Tiermehlverbot wurde erst 2001 erlassen.
Etappensieg
Laut Uniterre und Agora ist damit die grundsätzliche Verantwortung des Bundes bei der BSE-Seuche festgestellt. Das Dossier gehe nun zurück ans EFD. Dieses werde sich zum kaum bestrittenen Zusammenhang zwischen Rinderwahnsinn, Fleischkonsum-Rückgang und Preiszerfall sowie schliesslich zur Höhe der entstandenen Schäden äussern müssen.
«Das ist ein Etappensieg», sagte Urs Schneider, Sprecher des Schweizerischen Bauernverbandes, gegenüber swissinfo. Für ihn ist der Entscheid der Rekurskommission überraschend, aber erfreulich. «Den Bauern ist tatsächlich ein Schaden erwachsen, deshalb haben sie um Entschädigung gekämpft.»
Die Zahl 300 Mio. Franken komme nicht vom Bauernverband, sie sei von den gegen den Bund klagenden Westschweizer Bauern aufgrund der entstandenen Schäden aufgerechnet worden.
«Weil der Bund notwendige Massnahmen nicht ergriffen hat, wurde weniger Fleisch verkauft, und das wurde hochgerechnet», so Schneider. Für die Schlachtungs-Kosten von Tieren während der BSE-Krise habe der Bund indessen Entschädigungs-Zahlungen geleistet.
EFD will vor Bundesgericht
Das Finanzdepartement wird den Entscheid der Rekurskommission vor Bundesgericht anfechten, wie EFD-Sprecher Dieter Leutwyler auf Anfrage sagte.
Eine inhaltliche Stellungnahme des EFD zum Rekursentscheid war vorerst nicht erhältlich.
swissinfo und Agenturen
Erster BSE-Fall 1986 in Grossbritannien
Erste BSE-Fälle in der Schweiz: 1990
1999 erste behördlich verordnete BSE-Tests in der Schweiz
2001: Generelles Tiermehlverbot in der Schweiz
Der Bund hat bei der BSE-Seuche Fehler gemacht und muss voraussichtlich für Millionenschäden aufkommen.
Die Eidgenössische Rekurskommission für die Staatshaftung hat Bauernorganisationen aus der Westschweiz weitgehend Recht gegeben und einen abschlägigen Entscheid des Finanzdepartements (EFD) annulliert. Das EFD geht nun vor Bundesgericht.
Für den Schweizerischen Bauernverband ist der Entscheid der Rekurskommission überraschend, aber erfreulich. Der Verband spricht von einem «Etappensieg».
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