Bürgerliche und Wirtschaft gegen Alpenschutz
Vor einem Jahr haben die Verkehrsminister der Alpenländer das letzte Protokoll der Alpenkonvention unterzeichnet. Gegen die Ratifizierung regt sich nun Widerstand.
Die Rahmenkonvention ist seit 1999 in Kraft. Ohne die Zusatzprotokolle ist sie jedoch wertlos. In der Schweiz sollen diese nächstes Jahr vors Parlament kommen. Es besteht Gefahr, dass sie parteipolitischer Taktik zum Opfer fallen.
An vorderster Front kämpfen die FDP und die Wirtschaftsverbände gegen das Vertragswerk. Unterstützt werden sie von der SVP. Für eine Ratifizierung haben sich SP und Grüne ausgesprochen. Eine Schlüsselrolle dürfte damit der CVP zukommen.
Diese will sich nach Angaben von Parteisprecherin Beatrice Wertli «nicht gegen die Protokolle stellen». Das Engagement der Partei für die Bergkantone sei gross.
Keine neuen Rechtsräume
Die FDP kritisiert sowohl Form als auch Inhalt der Protokolle. Die Partei könne das Vertragswerk so nicht akzeptieren, sagt Generalsekretär Guido Schommer. In erster Linie befürchtet die FDP die Gefährdung des Subsidiaritätsprinzips und der Kantonskompetenzen. Die Schaffung eines eigenen Rechtsraumes für die Alpenregion sei «höchst problematisch».
Ökologie vor Wirtschaft
Inhaltlich ist den Freisinnigen insbesondere das Verkehrs- und das Energieprotokoll ein Dorn im Auge. Es gehe nicht, dass den ökologischen Interessen systematisch Vorrang eingeräumt würden. Mit economiesuisse und dem Schweizerischen Gewerbeverband (SGV) beklagt die FDP eine mangelnde Berücksichtigung wirtschaftlicher Interessen.
Die Wirtschaftsverbände teilten nun mit, dass sie die Protokolle «definitiv» ablehnen. Auf dem Spiel stehe die wirtschaftliche Entwicklung von mehr als 60 Prozent des schweizerischen Staatsgebietes.
Haltlose Kritik
Der Bund weist alle Kritikpunkte zurück. Der für das Dossier zuständige Chef der Sektion «Nachhaltige Entwicklung» beim Bundesamt für Raumentwicklung, Daniel Wachter, bezeichnet die Argumente von economiesuisse und FDP als «veraltet».
In ihrer heutigen Form tangierten die Zusatzprotokolle die innerstaatliche Rechtsordnung in keiner Weise, erklärte er. Die Kompetenzen der Kantone würden nicht eingeschränkt. Auch der Vorwurf der einseitigen Berücksichtigung ökologischer Interessen sei haltlos.
Die wirtschaftspolitischen Forderungen seien im Protokoll «Raumplanung und nachhaltige Entwicklung» aufgenommen worden, sagt Wachter und weist darauf hin, dass sich auch die Gebirgskantone für eine Ratifizierung ausgesprochen haben.
Schweiz in Vorreiterrolle
Laut Wachter erfüllt die Schweiz die Anforderungen der Protokolle ohnehin bereits heute. Aus Sicht des Bundes geht es bei der Alpenkonvention für die Schweiz vor allem darum, ihre Politik international abzustützen.
Wachter kann sich den Widerstand in der Schweiz nicht erklären. Da seien wohl «parteipolitische Überlegungen» im Spiel. Er hofft aber nach wie vor, dass die Ratifizierung zustande komme. Wenn der zentrale Alpenstaat die Protokolle ablehnen würde, wäre dies ein problematisches Signal.
Die Schweizer Sektion des Dachverbandes der Umwelt- und Alpenverbände Cipra, der das Vertragswerk mitinitiiert hat, schreibt ihrerseits in einer Stellungnahme zum Schachzug der FDP: «Die Alpenkonvention ist und bleibt ein Markstein für eine nachhaltige Entwicklung des Alpenraumes.»
swissinfo und Agenturen
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