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Bundesrat Blocher lobt neues Asylregime

Bundesrat Christoph Blocher zieht eine positive Bilanz nach einem Jahr des verschärften Asylrechts. Keystone

Für Justizminister Christoph Blocher hat die Verschärfung des Asyl- und Ausländerrechts die Zahl der Asylgesuche verringert.

Die Schweizerische Flüchtlingshilfe zieht dagegen eine negative Bilanz und spricht von einer Einschränkung der Menschenwürde.

Seit dem 1. April 2004 erhalten Asylsuchende, auf deren Gesuch nicht eingetreten wurde, keine Sozialhilfe mehr. Es wird ihnen nur noch die von der Verfassung garantierte minimale Nothilfe gewährt.

Im ersten Jahr waren 4450 Asylsuchende betroffen, von denen 16 Prozent durchschnittlich während 68 Tagen Nothilfe bezogen.

Echte und unechte Flüchtlinge

Bundesrat Blocher und Eduard Gnesa, Direktor des Bundesamts für Migration (BFM), zogen am Dienstag in Bern eine positive Jahresbilanz des Sozialhilfestopps. Die Zahl der offensichtlich unbegründeten Asylgesuche habe sich verringert. Die Schweiz als Zufluchtsort für Flüchtlinge sei dabei nicht beeinträchtigt worden.

Der Sozialhilfestopp und die Beschleunigung der Verfahren haben dazu geführt, dass die Gesuchszahlen im Vergleich zum Vorjahr um 42 Prozent abgenommen hätten, sagte Blocher. Der Rückgang liege weit über dem europäischen Mittel von minus 22 Prozent. Gleichzeitig habe der Anteil der positiven Asylentscheide zugenommen.

Die Anerkennungsquote für «echte» Flüchtlinge liege heute bei 10 Prozent, sagte Blocher. Zusammen mit den vorläufig Aufgenommenen könnten rund 40 Prozent der Asylsuchenden in der Schweiz bleiben. Die Schweiz sei ein humanitäres Land. Jene Ausländer ohne Flüchtlingsstatus und Bleiberecht müssten aber heimreisen.

Kriminalitätsrate gering

Die Einführung des Sozialhilfestopps für Personen mit Nichteintretens-Entscheid hat laut Blocher nicht zu der befürchteten massiven Zunahme der Kriminalität geführt. Der Anteil von Personen mit Nichteintretens-Entscheid, die Drogen- oder Vermögensdelikte begehen, habe sich zwar auf 7,4 Prozent verdoppelt, liege aber weit unter jenem der Asylsuchenden insgesamt.

Seit dem Sozialhilfestopp ist der Bestand von Personen im Asylbereich um mehr als 12’000 Personen zurückgegangen. Die damit verbundenen Sparvorgaben von 15 Millionen Franken wurden weit überschritten. Die an die Kantone ausgerichtete Entschädigung von 600 Franken pro Fall hat die Kosten mehr als gedeckt.

Die Mehrzahl der von einem Nichteintretens-Beschluss betroffenen Personen tritt laut Blocher nach dem Weggang aus den Asylstrukturen des Bundes oder der Kantone nicht mehr in Erscheinung. Die Aufenthaltsdauer dieser Personen sei mit 68 Tagen sechs Mal kürzer als jene von Personen mit negativem Asylentscheid.

Asyl-Attraktion weiter verringern

Die Zahl der offensichtlich unbegründeten Asylgesuche müsse weiter reduziert werden, sagte Blocher. Wie in der Asylgesetz-Revision vorgesehen, sollte der Sozialhilfestopp auf alle Asylsuchenden mit Negativentscheid ausgedehnt werden. Asylsuchen ohne Asylgrund dürfe nicht mehr attraktiv sein.

Wenn die im Parlament hängige Revision einmal verwirklicht sei, rechnet Blocher mit je 200 Millionen Franken Einsparungen für den Bund und die Kantone. Sorgen macht ihm die Lage der anerkannten Flüchtlinge. Mehr als 70 Prozent seien arbeitslos. Ein Integrationsprogramm sei in Arbeit.

Scharfe Kritik

Für die Schweizerische Flüchtlingshilfe (SFH) ist die Bilanz Blochers «einseitig». «Die seit dem 1. April 2004 gültigen Verschärfungen verletzen die Menschenwürde vieler Betroffener und schränken den Rechtsstaat ein», sagt Jürg Schertenleib, Leiter des SFH-Rechtsdienstes, gegenüber swissinfo.

Für Schertenleib bleiben die abgewiesenen Asylsuchenden ein Problem: «Wohin gehen sie? Tauchen sie unter, gehen sie auf die Strasse?»

Der Aussage Blochers, dass die Einführung des Sozialhilfestopps für Personen mit Nichteintretens-Entscheid nicht zu der befürchteten massiven Zunahme der Kriminalität geführt habe, stimmt Schertenleib zwar zu, doch könne man erst in einem Jahr eine endgültige Bilanz darüber machen.

Scharf kritisiert die SFH die von Justizminister Blocher geplante Ausdehnung des Sozialhilfestopps auf alle abgewiesenen Asylsuchenden. Bundesrat Blocher wollte die Verfassung ändern, um die Nothilfe für abgewiesene Asylbewerber weiter streichen zu können. Das Bundesgericht bezeichnete eine solche Massnahme jedoch als verfassungswidrig, und Blocher musste einen Rückzieher machen.

Trotz des Bundesgerichtsentscheids vom letzten März sei der Zugang zur Nothilfe in vielen Kantonen nicht garantiert, sagt die SFH. Dies sei eine Verletzung der Menschenwürde.

swissinfo und Agenturen

2003: 21’037 Asylgesuche in der Schweiz, 1636 angenommen.
2004: 14’248 Asylgesuche, 1555 angenommen.
Seit April erhalten abgewiesene Asylbewerber oder solche, auf deren Gesuch nicht eingetreten wird, keine Sozialhilfe mehr.
Seit Anfang April 2004 bis Ende März 2005 ist die Zahl der Gesuche um 42% gesunken (EU: 22%).
Insgesamt erhielten innert Jahresfrist 4450 Asylsuchende einen Nichteintretensentscheid und wurden damit vom Sozialhilfesystem ausgeschlossen.
Davon bezogen durchschnittlich 16% während rund 68 Tagen Nothilfe.

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