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Bundesrat will Spielraum vor Abstimmungen behalten

Der Bundesrat (hier Samuel Schmid) will weiterhin bei Abstimmungen unabhängig vom Parlament argumentieren dürfen. Keystone

Die Schweizer Regierung will sich vor Abstimmungen keinen Maulkorb umhängen lassen. Sie will auch eine vom Parlamentsbeschluss abweichende Meinung abgeben dürfen.

Zudem hält der Bundesrat gesetzliche Vorschriften zur Informationstätigkeit von Regierung und Verwaltung vor Urnengängen für unnötig.

Vor Volksabstimmungen gibt die Schweizer Regierung, der Bundesrat, in der Regel eine Abstimmungs-Empfehlung ab. Diese kann von der Meinung des Parlamentes abweichen.

Diese Information durch die Regierung wurde von gewissen Kreisen immer wieder kritisiert und als Beeinflussung der Stimmberechtigten bezeichnet. Eine Volksinitiative will der Regierung diese Informationstätigkeit weitgehend untersagen.

Nun hat sich die Regierung zur Initiative geäussert: Sie will vor Abstimmungen weiterhin eine vom Parlamentsbeschluss abweichende Parole abgeben dürfen und sich keinen Maulkorb umhängen lassen.

Deshalb lehnt sie die Initiative «Volkssouveränität statt Behördenpropaganda» wie auch einen indirekten Gegenvorschlag ab.

Dies entspreche der Verantwortung, die sie als eigenständige Gewalt gegenüber dem Souverän habe. Der Bundesrat will allerdings von seinem Recht auf Abweichung im Interesse eines einheitlichen Auftretens von Parlament und Exekutive «gewiss nicht inflationär» Gebrauch machen.

Kommission mit Art Gegenvorschlag

Damit stellt sich der Bundesrat gegen die Staatspolitische Kommission (SPK) der Grossen Kammer, des Nationalrates. Diese hat sich über die Volksinitiative beraten und will den Initianten mit einem Gegenvorschlag auf halbem Weg entgegenkommen. Die restriktive Volksinitiative geht der Kommission aber zu weit.

Sie möchte die schon heute geltenden Grundsätze der Abstimmungs-Informationen, Kontinuität, Transparenz, Sachlichkeit und Verhältnismässigkeit gesetzlich verankern und den Bundesrat verpflichten, strikt die Haltung des Parlaments zu vertreten.

Die SPK sieht in dieser Änderung des Bundesgesetzes über die politischen Rechte einen indirekten Gegenvorschlag zur Volksinitiative «Volkssouveränität statt Behördenpropaganda» des Vereins «Bürger für Bürger». Die so genannte Maulkorb-Initiative will das Engagement von Bundesrat und Verwaltung vor Abstimmungen weitgehend unterbinden.

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Volksinitiative

Dieser Inhalt wurde am veröffentlicht Die Volksinitiative erlaubt den Bürgerinnen und Bürgern, eine Änderung in der Bundesverfassung vorzuschlagen. Damit sie zu Stande kommt, müssen innerhalb von 18 Monaten 100’000 gültige Unterschriften bei der Bundeskanzlei eingereicht werden. Darauf kommt die Vorlage ins Parlament. Dieses kann eine Initiative direkt annehmen, sie ablehnen oder ihr einen Gegenvorschlag entgegenstellen. Zu einer Volksabstimmung kommt es…

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Ausreichend geregelt

Die Regierung hatte von Anfang an die Meinung vertreten, ein Gegenentwurf sei unnötig. Der Ständerat, die Kleine Kammer, ist ihr im Herbst 2005 als erster Rat gefolgt, zeigte sich der Idee eines Gegenvorschlages aber nicht abgeneigt.

Fälle, in der die Regierung eine vom Parlament abweichende Meinung vertritt, sind selten. So zum Beispiel 1979, als sie auf eine Abstimmungsempfehlung zum Stimmrechtsalter 18 verzichtete. Im Jahr 1996 distanzierte sich der Bundesrat von einer Revision des Arbeitsgesetzes, welche die Räte beschlossen hatten.

Die Kommission der Grossen Kammer wird sich am kommenden Donnerstag mit den Einwänden des Bundesrates befassen. Die Vorlage dürfte vom Plenum in der Wintersession behandelt werden.

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Bundesrat

Dieser Inhalt wurde am veröffentlicht Der Bundesrat ist die Schweizer Regierung (Exekutive). Sie besteht aus sieben Mitgliedern, die alle vier Jahre vom Parlament (Vereinigte Bundesversammlung) gewählt oder bestätigt werden. Ein Mitglied der Landesregierung wird «Bundesrat» oder «Bundesrätin» genannt. Jeder Bundesrat, jede Bundesrätin, steht einem Departement als Minister oder Ministerin vor. Aus ihrer Mitte wird jährlich abwechselnd nach Amtsdauer der Bundespräsident…

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Bundesrat soll frei sein

Regierungsparteien, Politologen und Staatsrechtler sind sich weitgehend einig: Der Bundesrat soll Abstimmungsparolen fassen dürfen, die von denjenigen des Parlaments abweichen.

Der Politologe Hans Hirter bezeichnet die Differenzen zwischen Bundesrat und Parlament in der Frage einer gesetzlichen Regelung der Behördeninformation als «Kompetenzgerangel».

swissinfo und Agenturen

Die Staatspolitischen Kommissionen des Nationalrates (SPK-N), der Grossen Parlamentskammer, und des Ständerates (SPK-S), der Kleinen Kammer, haben zwei verschiedene Themenschwerpunkte.

Einerseits befassen sie sich mit dem politischen System der Schweiz und mit der Ausgestaltung ihrer staatlichen Institutionen: Volksrechte, Organisation, Verfahren und Zuständigkeiten der Bundesversammlung, des Bundesrates und der Bundesverwaltung, Bundespersonal, Verhältnis von Bund und Kantonen und von Staat und Kirche.

Andererseits sind die Staatspolitischen Kommissionen zuständig für die rechtlichen Regelungen, welche die Ausländerinnen und Ausländer betreffen, inklusive Bürgerrecht und Asylwesen.

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