Cannabis bleibt illegal in der Schweiz
Das Rauchen eines Joint bleibt in der Schweiz weiterhin ein Delikt. Die Regierung konnte das Parlament mit der Revisions-Vorlage nicht überzeugen.
Die Grosse Parlamentskammer lehnte es wie schon im September 2003 ab, auf die Vorlage zur Revision des Betäubungsmittel-Gesetzes einzutreten.
Die Revision des Betäubungsmittel-Gesetzes ist vom Tisch. Der Nationalrat lehnte es am Montag mit 102 gegen 92 Stimmen zum zweiten Mal ab, auf die Vorlage einzutreten.
Gekippt wurde das Gesetz von der Schweizerischen Volkspartei (SVP), der Christlichdemokratischen Volkspartei (CVP) und Teilen der Freisinnig-Demokratischen Partei (FDP). Jetzt muss die Regierung erneut über die Bücher – das Bundesamt für Gesundheit (BAG) hatte die Vorlage ausgearbeitet.
Gesundheitsminister Pascal Couchepin und Sozialdemokraten und Grüne hatten vergeblich für die Entkriminalisierung des Kiffens geworben.
Noch gleichentags kündigten die CVP und die Grünen parlamentarische Initiativen vor.
Das heutige Betäubungsmittel-Gesetz (BetMG) stammt aus dem Jahr 1951. Es wurde 1975 letztmals revidiert. Da sich seither in Sachen Drogenkonsum vieles verändert hatte, schlug der Bundesrat 2001 eine weitere Gesetzesrevision vor.
Grosse Differenzen zwischen Stände- und Nationalrat
Bereits im September 2003 hatte der Nationalrat, die grosse Kammer, den Entwurf der Regierung mit 96 zu 86 Stimmen zurückgewiesen.
Demgegenüber hatte sich die kleine Kammer, der Ständerat, trotz ihrem eher konservativen Ruf bereits zwei Mal für ein Eintreten auf die Revision ausgesprochen.
In der sehr emotional geführten und mit vielen persönlichen Erklärungen gespickten Debatte drehte sich die Diskussion am Montag vor allem um die Entkriminalisierung von Cannabis.
Dabei wurde viel von Vernunft, Signal an die Jugend und Banalisierung eines wichtigen Problems gesprochen. Die Christlichdemokratische Kommissionssprecherin Ruth Humbel Näf, Aargau, bezeichnete die Stossrichtung der Revision als verfehlt.
CVP-Vorschlag: Verbot bei Androhung von Busse
Dem wachsenden Suchtmittelkonsum könne nicht mit der Freigabe von bisher verbotenen Drogen begegnet werden. Die SVP zeigte sich überzeugt davon, dass eine Strafbefreiung des Cannabiskonsums ein falsches Signal aussenden würde.
Der Schritt zu harten Drogen werde immer kleiner und die Schweiz riskiere, zum Drogensupermarkt Europas zu werden. Für eine FDP-Minderheit war die vorgeschlagene Entkriminalisierung ebenfalls nicht akzeptabel.
Auch die CVP wollte nicht auf die Revision eintreten und kündigte stattdessen bereits eine parlamentarische Initiative an. Der Cannabiskonsum soll weiterhin strafbar bleiben, aber nur im Ordnungsbussen-Verfahren geahndet werden.
Dennoch kiffen Hunderttausende
Bundesrat Pascal Couchepin bezeichnete diese Lösung als nicht machbar. Gerade dies banalisiere das Ganze. In der Schweiz gebe es Hunderttausende, die kiffen, die gekifft hätten und kiffen werden.
«Man kann nicht einfach so tun, als gäbe es sie nicht», sagte der Gesundheitsminister. Deshalb sei es wichtig, auf die Revision einzutreten und die Diskussion darüber zu führen.
Unterstützung erhielt Couchepin von einer Mehrheit der FDP, die die Vorlage als logische Folge der Drogenpolitik der letzten Jahre bezeichnete. Es gehe darum, ob ein mündiger Bürger straffrei auf eigenes Risiko Cannabis konsumieren dürfe oder nicht, sagte die Aargauer Freisinnige Christine Egerszegi.
Ihre Parteikollegin Christa Markwalder zeigte sich kämpferisch: «Wenn Sie die Jugend vor negativen Folgen des Drogenkonsums bewahren wollen, dann steigen Sie auf die Vorlage ein», sagte Markwalder, die 1975 – im Jahr der letzten umfassenden Revision des Gesetzes – geboren wurde.
Sozialdemokraten und Grüne geschlossen für Vorlage
Die Sozialdemokratische Partei (SP) sprach sich geschlossen für Eintreten aus. Es gehe nicht um Liberalisierung, sondern um Entkriminalisierung.
«Wenn wir heute Nein sagen, wäre dies der Beginn einer drogenpolitischen Eiszeit», warnte der Thurgauer Sozialdemokrat Jost Gross. Die Grünen forderten, Leitplanken zu setzen und den Konsum von Cannabis in geordnete Bahnen zu lenken.
Über eine halbe Million Menschen in der Schweiz konsumierten jährlich Cannabis und gegen 9’000 Schweizerinnen und Schweizer drehten täglich einen Joint, sagte die Berner Grüne Franziska Teuscher.
Kein Gesetz, kein Richter und keine Polizei können eine Droge verhindern, wenn eine riesengrosse Nachfrage besteht. Auch die Grünen kündigten bereits eine parlamentarische Initiative an. Darin sollen die unumstrittenen Punkte der Revision aufgenommen werden.
Der Nationalrat sprach sich schliesslich mit 102 zu 92 Stimmen für Nichteintreten aus und bestätigte damit seinen Entscheid vom vergangenen September. Obwohl der Ständerat die Revision zwei Mal gutgeheissen hat, ist sie nun vom Tisch.
Furcht vor kantonalen Unterschieden
«Es wurde eine grosse Chance verpasst, Jugendschutz zu betreiben», bedauert der St. Galler Staatsanwalt Thomas Hansjakob, Mitglied der Eidgenössischen Kommission für Drogenfragen, den Nichteintretensentscheid des Nationalrats.
Der Cannabis-Verkauf an Jugendliche könne jetzt nicht gezielt bekämpft werden, bedauerte Hansjakob. Das wäre jedoch bei einem geordneten, sich selbst regulierenden Markt möglich gewesen. Nun sei die Chance verpasst worden.
Auch der Direktor des Bundesamtes für Gesundheit (BAG), Thomas Zeltner, bedauert das Nichteintreten des Nationalrates.
Zeltner, dessen Amt die Gesetzesvorlage ausgearbeitet hat, befürchtet, dass gewisse Kantone nun ihre eigenen Gesetze schaffen werden. Dies würde zu Ungleichheiten im Land führen, sagte er am Montagabend gegenüber Agenturen.
«Wir können mit dem geltenden Gesetz weiterleben», sagte Zeltner. Doch es sei problematisch, insbesondere im Cannabis-Bereich. So seien etwa Anbau und Verkauf von Hanf nach dem geltenden Gesetz nur verboten, wenn sie dem Betäubungsmittelkonsum dienten. Dies zu beweisen sei schwierig.
swissinfo und Agenturen
Das Betäubungsmittelgesetz stammt aus dem Jahr 1951.
Es wurde 1975 revidiert.
Ende der 1990er Jahre lehnte das Stimmvolk zwei Volks-Initiativen ab: «Jugend und Drogen» zielte auf eine repressivere Drogenpolitik ab, «Drolge» auf eine liberalere Politik.
2001 schlug der Bundesrat schliesslich die nun verworfene Revision vor.
September 2003: Nationalrat weist den Gesetzesentwurf mit 96 zu 86 Stimmen zurück.
14. Juni 2004: Nationalrat lehnt den Entwurf erneut ab, mit 102 zu 92 Stimmen.
Der Ständerat hatte sich zwei Mal für Eintreten auf die Vorlage ausgesprochen.
In der Schweiz gibt es mehr als eine halbe Million Cannabis-Konsumenten.
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