Carla Del Ponte wollte nicht nach Bern zurück
Im letzten Jahr hat die UNO-Chefanklägerin Justizminister Christoph Blochers Vorschlag abgelehnt, als Bundesanwältin wieder nach Bern zu kommen.
Dies hat Carla Del Ponte in einem Interview mit dem SonntagsBlick enthüllt. Über eine eventuelle Karriere als Botschafterin wollte sie sich jedoch nicht äussern.
Die UNO-Chefanklägerin des UNO-Kriegsverbrechertribunals für das ehemalige Jugoslawien, Carla Del Ponte, hat nach dem Tod des ehemaligen Serbischen Präsidenten Slobodan Milosevic im Frühling 2006, von Justizminister Christoph Blocher ein Angebot für ein Comeback als Bundesanwältin in Bern erhalten.
Sie habe das Angebot für den Job als Expertin auf dem Gebiet der organisierten Kriminalität aber abgelehnt, sagte Del Ponte. Ihre Begründung: «Man geht nicht zurück, nur vorwärts.»
Das Eidgenössische Justiz und Polizei Departement (EJPD) wollte am Sonntag nichts zu Del Pontes Äusserungen sagen. «Wir kommentieren das nicht», sagte EJPD-Sprecher Sascha Hardegger.
Brisante Aussage
Del Pontes Aussage ist insofern brisant, als im Frühling 2006 Bundesanwalt Valentin Roschacher noch im Amt war. Roschacher gab erst am 5. Juli 2006 seinen Rücktritt auf Ende 2006 bekannt.
Vorangegangen war eine heftige Kontroverse über die Amtsführung Roschachers sowie eine von Christoph Blocher zusammen mit dem Bundesstrafgericht angeordnete ausserordentliche Überprüfung der Bundesanwaltschaft.
Aufenthaltsorte von Mladic und Karadzic bekannt
Del Ponte ist noch bis Ende Jahr UNO-Chefanklägerin. Sie zeigte sich denn auch zuversichtlich, dass die mutmasslichen Kriegsverbrecher Ratko Mladic und Radovan Karadzic gefasst werden können. «Ich weiss, wo die Männer sind», sagte sie. «Aber die Festnahme hängt von ihren Anhängern und der Mithilfe der NATO ab. Die Männer müssen ausgeliefert werden.»
Am liebsten würde sie die beiden selbst verhaften. Leider sei sie dazu nicht befugt, der UNO Sicherheitsrat hätte ihr das Aufstellen einer eigenen Polizeitruppe nicht erlaubt.
Blocher: zu hohe Kosten für UNO-Mandat
Bekannt ist, dass Bundesrat Christoph Blocher die hohen Sicherheitskosten für das UNO-Mandat Del Pontes ein Dorn im Auge waren. Del Ponte sagte dazu in dem Interview, sie habe Blocher nach dessen Amtsantritt besucht und er habe verstanden, dass ihre Arbeit wichtig sei.
Auf die Indiskretionen angesprochen, wonach der Bundesrat Del Ponte nach Ablauf ihres Mandats in Den Haag zur Schweizer Botschafterin in Argentinien ernennen werde, sagte die 60-jährige Tessinerin, sie könne dazu noch nichts sagen. Sie würde sich aber freuen, wenn der Bund ihr einen Posten als Botschafterin gäbe.
In der Öffentlichkeit ist Carla Del Ponte bisher nicht als besonders diplomatisch agierende Persönlichkeit bekannt. Sie hat ihre Anliegen stets forsch und gradlinig verfolgt, und hat deutliche Worte nicht gescheut. Im Hinblick auf den Posten als Botschafterin meinte sie jedoch: «Ich habe viel gelernt über Diplomatie in den vergangenen Jahren.»
swissinfo und Agenturen
Die 1947 geborene Carla Del Ponte wurde 1981 Tessiner Staatsanwältin.
Bekannt wurde sie mit ihrem Kampf gegen Geldwäscherei, organisierte Kriminalität und Waffenschmuggel.
Del Ponte war von 1994 bis 1999 Bundesanwältin, bevor sie von den Vereinten Nationen als Chefanklägerin des UNO-Kriegsverbrechertribunals für das ehemalige Jugoslawien nach Den Haag berufen wurde.
Im September dieses Jahres wollte sie ursprünglich ihr Mandat niederlegen, wird jedoch voraussichtlich bis Ende dieses Jahres im Amt bleiben.
Carla Del Ponte ist geschieden und hat einen 30-jährigen Sohn.
Das internationale Tribunal für Ex-Jugoslawien (TPIY) wurde gemäss der Resolution 827 des Sicherheitsrates der Vereinten Nationen eingerichtet.
Diese Resolution wurde am 25. Mai 1993 angenommen als Antwort auf die Bedrohung für den Frieden und die internationale Sicherheit durch die schweren Übertretungen des internationalen humanitären Rechts, die seit 1991 auf dem Territorium des ehemaligen Jugoslawiens begangen worden waren.
Der TPIY hat seinen Sitz im niederländischen Den Haag.
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