China-Schweiz: Touristische Einbahnstrasse
Immer mehr Touristen aus China kommen in die Schweiz und sie bleiben auch länger. Im umgekehrten Sinn kann man dies nicht feststellen: der Tourismus aus der Schweiz nach China befindet sich im tiefen Fall und die Aussichten sind schlecht. Schuld daran ist die Krise.
Allgemein leidet auch die Schweiz am Rückgang ausländischer Touristen. Doch es gibt auch eine Ausnahme: die Anzahl der chinesischen Touristen ist im August 2009 um 34% gestiegen. Aus diesem Grund ist Simon Bosshart, Direktor von Schweiz Tourismus in Peking, bei bester Laune.
«2008 muss man vergessen, das war eine schlechtes Jahr. Da war der starke Euro, die Olympischen Spiele und das Erdbeben von Sichuan», erklärt er. «Wir setzten also auf 2009 und können bislang sehr zufrieden sein. Die Krise, die China offenbar überstanden hat, spüren wir nicht. Zurzeit, also zwischen dem 20. September und dem 15. Oktober, machen wir die besten Geschäfte.»
Dem 60. Jahrestag sei Dank
Der 60. Jahrestag der Gründung der Volksrepublik China bescherte den Chinesen lange Ferien, viele konnten es sich leisten, 10 Tage lang zurückzulehnen oder sogar eine Reise ans andere Ende der Welt zu unternehmen.
«Als ich 2006 bei Schweiz Tourismus in Peking angefangen habe, blieben die chinesischen Touristen für eine, vielleicht zwei Nächte in der Schweiz. Heute geht die Tendenz klar in Richtung längerer Aufenthalte», so Bosshart weiter.
«Immer mehr Chinesen wählen die Schweiz als einzige Destination, trotz der Möglichkeit, mehrere Länder des Schengen-Raums besuchen zu können. Diejenigen, die sich letztes Jahr für eine einzige europäische Destination entschieden haben, haben die Schweiz gewählt. Zusammen mit Griechenland belegt unser Land den Spitzenplatz.»
Die Schweizer bleiben fern
Die Chinesen lieben die Schweiz und haben auch die Mittel, eine Reise in die Schweiz zu unternehmen, während die Schweizer dem Reich der Mitte eher fernbleiben. «Wir stellen einen Rückgang der Buchungen von 15% im Vergleich zum Vorjahr fest», erklärt Hong Jiang im Namen des Reiseveranstalters Kuoni in Zürich.
«Leider hat sich der chinesische Markt in den letzten Jahren nicht erholt. Dafür gibt es verschiedene Gründe, doch vor allem sind es die negativen Berichte in den Medien», schätzt Prisca Huguenin-dit-Lenoir vom Reiseveranstalter Wettstein in Glattbrugg.
Die Medien sind schuld
Véronique Ducassy leitet die Agentur Destination Management bei Kuoni in Peking, die auf Reisen nach China spezialisiert ist. Sie betont, dass 2008 bereits ein «sehr schwieriges» Jahr gewesen sei, und 2009 noch schlimmer sei: «Diese Situation ist ganz klar auf die Wirtschaftskrise zurückzuführen und nicht auf die politische Situation. Wir haben im Moment Reisegruppen in Xinjiang und in Tibet, niemand annullierte die Reise auf Grund von politisch bedingten Ereignissen.»
Ob die extremen Sicherheitsmassnahmen, die Peking für die 60-Jahr-Feier angeordnet hat, die Touristen abschreckte, weiss man nicht genau. Niemand will das Gerücht dementieren, wonach die Behörden bei der Vergabe von Visa die Schraube ziemlich angezogen haben.
«Die chinesische Regierung ist weniger restriktiv und pedantisch gegenüber Schweizer Touristen, als die Schweizer Regierung gegenüber chinesischen Touristen», sagt ein Reiseveranstalter.
Und Schengen?
Hervé Findeisen, der Leiter der Visa-Abteilung der Schweizer Botschaft in Peking gibt zu, dass mit dem Beitritt zum Schengen-Raum der Handlungsspielraum etwas enger wurde, auch wenn «jeder chinesische Staatsangehörige das Recht hat, ein Visum zu beantragen und zu erhalten».
«Niemand von unserer Kundschaft hat sich über Schwierigkeiten bei der Visumsbeschaffung beklagt», so Eric Piatti, Geschäftsführer von Swissôtel in Peking. Der Lausanner bleibt zuversichtlich: «Ich stelle seit dem 20. August einen leichten Zuwachs fest. Die Zahl der Übernachtungen ist leicht gestiegen, wir gehen davon aus, dass der Tiefpunkt erreicht und überschritten wurde.»
Dazu muss man sagen, dass Swissôtel während der Feierlichkeiten zum Jahrestag optimal profitieren konnte, weil sich das Hotel ausserhalb des Sicherheitsperimeters befindet. Andere Hotels unter Schweizer Leitung hingegen wurden gezwungen zu schliessen und es war ihnen strengstens verboten, mit den Medien zu sprechen.
Alain Arnaud, Peking, swissinfo.ch
(Übertragung aus dem Französischen : Christine Fuhrer)
Die chinesischen Touristen in der Schweiz machen kaum mehr als 1% der Gesamtzahl an ausländischen Übernachtungen aus.
Das Entwicklungspotenzial wird jedoch als sehr gross erachtet und die Chinesen belegen knapp hinter der Golfstaaten Rang zwei, was die durchschnittlichen Ausgaben pro Tag anbelangt (430 Franken).
Die Schweiz hat 2004 mit China ein Abkommen unterzeichnet, das China den «Approved Destination Status» zuspricht, und die Grenzen für die chinesischen Touristen öffnet.
Der Beitritt der Schweiz zum Schengenraum erleichtert zudem den Besuch des Landes, da die Mehrzahl der chinesischen Touristen nicht nur die Schweiz besucht.
Anerkennung: 2010 werden die diplomatischen Beziehungen zwischen der Schweiz und der Volksrepublik China 60 Jahre alt. Die Schweiz gehörte zusammen mit Grossbritannien und der Sowjetunion zu den ersten Ländern, die China anerkannten.
Besuch: Die Schweiz erwartet nächstes Jahr den Besuch des chinesischen Präsidenten Hu Jintao.
Culturescapes: Das Schweizer Kulturfestival «Culturescapes» wird sich 2010 ausschliesslich China widmen.
Schanghai: Die Schweiz plant mehrere Ausstellungen (Scherenschnitte, Keramik und Einstein) in China. Der Schweizer Pavillon an der Weltausstellung in Schanghai 2010 bildet die Krönung
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