«Chinas Haltung hat sich grundlegend geändert»
Am Wochenende weilte eine chinesische Delegation in der Schweiz, zur 7. Runde im Menschenrechts-Dialog der beiden Länder.
Peter Maurer, Leiter der Schweizer Delegation, spricht gegenüber swissinfo von substanziellen Verbesserungen. Problematisch sei aber nach wie vor die Umsetzung internationaler Normen.
«Wir haben insbesondere über Menschenrechte im Strafrecht und Strafvollzug, aber auch über Minderheiten und religiöse Fragen gesprochen», sagte Peter Maurer zum Inhalt der jüngsten Gespräche. Dabei habe sich gezeigt, dass Expertenkontakte mit China ausserordentlich wichtig seien, um den Prozess der Rechtsstaatlichkeit in China zu unterstützen.
«China kann regelmässig Experten in die Schweiz schicken, um unsere Gesetzeslandschaft und die internationale Umsetzung von Menschenrechtsnormen in der Schweiz zu studieren», stellte er eine entsprechenden Vereinbarung vor.
Anschauung am Rhein
Einen ersten Überblick konnten sich die Gäste aus Fernost bei einem Besuch in Basel verschaffen, wo ihnen Experten «von der Front» das Strafrecht, dessen Anwendung und den Strafvollzug vorstellten.
Umgekehrt will die Schweiz Gefängnisexperten nach China entsenden, um dortige Behörden bezüglich Gefängniswärter-Ausbildung und menschenrechtsrelevante Praktiken in den Gefängnissen zu beraten.
Kein Zwang
Solche Kontakte auf Expertenebene würden dazu beitragen, Reformen in den chinesischen Gefängnissen und im chinesischen Strafrecht zu fördern, erklärte Maurer weiter. «China muss darüber selber entscheiden. Aber wir können einen nützlichen Beitrag leisten, dem Land die internationalen Standards näher zu bringen.»
Heute akzeptiert
Im Menschenrechts-Dialog, den die Schweiz seit 1991 mit China unterhält, macht Maurer «substanzielle Verbesserungen» aus. Denn die chinesische Haltung zur Frage habe sich seither grundlegend geändert.
«Zu Beginn der 90er Jahre waren die Chinesen noch ausserordentlich skeptisch oder unwillens, überhaupt über Menschenrechte zu sprechen», so Maurer. Heute dagegen hätten sie den Grundsatz akzeptiert, dass es internationale Normen gebe und dass man diese national umsetzen müsse.
Kleine Zugeständnisse bei Todesstrafe
Konkret habe die chinesische Delegation Verbesserungen bei der Umsetzung der Folterkonvention und Reformen bezüglich der Todesstrafe zugesichert. Letztere soll bei Minderjährigen oder Geistesschwachen nicht mehr angewandt werden. Eine Abschaffung der Todesstrafe sei aber auf absehbare Zeit kein Thema.
«Wie tief die gesetzlichen Reformen in der Realität tatsächlich greifen, ist schwierig zu beurteilen», sagte Maurer. Es wäre aber überheblich zu behaupten, dass die Schweiz die chinesische Realität verändern könne.
Willkür Tür und Tor geöffnet
Sorgen bereite der Schweiz zudem nach wie vor die Proportionalität der Strafen, sagte Maurer weiter. Es gehe da um die Frage, was als «crime» und was als «minor crime» gelte. Oder anders gefragt: «Was gilt als Strafe, was als Verbrechen?» skizzierte Maurer.
Ausflug in den Kanton Jura
Beim Besuch im Jura, dem jüngsten Kanton der Schweiz, informierten sich die Gäste, wie hierzulande ein Minderheitenproblem angegangen und politisch gelöst wurde. «Irritiert» hätten sich die Chinesen darüber gezeigt, wie klein die schlussendlich erfolgreiche jurassische Minderheit gewesen sei.
Dass es kein Zufall gewesen sei, dass der Kanton Jura auf dem Besuchsprogramm stand, hätten die Chinesen selber gemerkt, als sie Parallelen zu Tibet gezogen hätten, bemerkte Maurer mit einem Lächeln.
Kleines Land – grosses Reich der Mitte
Wie legitimiert denn die «kleine» Schweiz ihren Menschenrechts-Dialog mit dem «grossen» China? In seiner Antwort verweist Maurer auf die Gemeinsamkeiten, dass beides unabhängige Staaten seien, welche gewisse internationale Menschenrechts-Abkommen unterzeichnet hätten. «Die Frage, wie wir diese Abkommen umsetzen, ist die Basislegitimation dieses Dialogs.»
Ausserdem sei China in jeder Beziehung ein ausserordentlich wichtiger Partner der Schweiz, namentlich in wirtschaftlicher und politischer Hinsicht. «Es ist wichtig, dass wir auch Bereiche ansprechen, wo kein Konsens herrscht, um die bilateralen Beziehungen um eine wichtige ‹andere› Komponenten zu ergänzen», so Maurer.
swissinfo, Renat Künzi
Der dreitägige Besuch der chinesischen Delegation in der Schweiz war die 7. Runde des Menschenrechts-Dialogs der beiden Länder seit 1991.
Am ersten Tag diskutierten beide Seiten ausgiebig die Umsetzung internationaler Menschenrechts-Normen.
Am zweiten Tag stand ein Besuch im Kanton Basel auf dem Programm, wo die Gäste einen Einblick in das Strafrecht, dessen Anwendung und den Strafvollzug erhielten.
Bei einem Besuch des Kantons Jura informierten sich die Chinesen schliesslich über den hiesigen Umgang mit einem Minderheiten-Problem und dessen Lösung.
Der Menschenrechts-Dialog wird 2004 weitergeführt, Botschafter Peter Maurer hat eine entsprechende Einladung Chinas angenommen.
Pascal Couchepin, Bundespräsident und Vorsteher des eidgenössischen Departements des Innern, beendet soeben einen fünftägigen Besuch in China.
Mit ihm reiste eine 15-köpfige hochkarätige Delegation der Schweizer Wirtschaft, angeführt von Economiesuisse-Präsident Ueli Forster. Die Schweizer Unternehmer konnten wichtige Erfolge verbuchen.
Die Menschenrechts-Organisationen amnesty international Schweiz (ai) warf Couchepin mangelndes Beharren auf der Einhaltung von Menschenrechten in China vor.
In einem Brief kritisierte ai, dass die Fortschritte bei den Menschenrechten in China «mager» seien.
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