Chinesische Rettungsleute in Schweizer Ausbildung
In sieben Jahren hat die Schweizerische Humanitäre Hilfe eine Million Franken in die Ausbildung chinesischer Rettungsleute investiert. Dadurch ist China heute zum Land mit weltweit am meisten Such- und Rettungsteams im urbanen Raum geworden.
Desolate Szenen, eingestürzte Gebäude, Berge von Schutt, blockierte Passagen.
Ein starkes Erdbeben hat alles zerstört, ein eisiger Wind fegt von den Hügeln herab, der Boden ist gefroren, Schneerückstände versperren den Durchgang, Dutzende von chinesischen Rettungsleuten in leuchtend-orangen Overalls mit der Aufschrift «China rescue» sind in Aktion. Sie tragen Helme, sind mit dem modernsten Material ausgerüstet und versuchen, unter den Trümmern Leute auszugraben und Leben zu retten.
Sie müssen mehrere Betonschichten durchbrechen, mehrerer Meter Erde ausheben, Rettungshunde erleichtern ihnen die Arbeit, das Rettungsteam arbeitet ununterbrochen während zehn Tagen.
«Nur» eine Übung
Die Szene ist echt, nicht aber das Erdbeben. Es handelt sich um um eine 36 stündige Übung, die auf dem nationalen Ausbildungslager Chinas, 55 Kilometer nordöstlich von Peking, vom Donnerstg, 12. bis Samstag, 14. November stattgefunden hat.
Dabei hat das chinesische Rettungsteam Cisar (China International Search and Rescue Team) das höchste Ziel erreicht: Es erhielt die Klassifikation IEC (Insarag External Classification). Dies erlaubt ihm, künftig auch an internationalen Missionen teilzunehmen.
Die Zertifizierung wird ausgestellt von der Insarag, einem Zusammenschluss von Experten und Katastrophenschutz-Organisationen aus mehr als 80 Ländern unter dem Dach der UNO.
Insarag-Präsident ist der stellvertretende Chef der Direktion für Zusammenarbeit und Entwicklung (Deza) Toni Frisch.
von 0 auf 26 Rettungseinheiten
China ist die meistgefährdetste Erdbebenregion der Welt. Mehr als die Hälfte aller Erdbebenopfer sind Chinesen. Noch vor ein paar Jahren gab es in China noch keine Rettungseinheit. Dass das Land jetzt ein weltweit anerkanntes nationales und 26 regionale Rettungsteams aufweisen kann, verdankt es vor allem der Schweiz.
Vor allem einem Schweizer, Beat Künzi, dessen Engagement seit 2002 mit der höchsten in China an Ausländer für ihre Zusammenarbeit mit China vergebenen Auszeichnungen geehrt wurde, mit dem «Chinesischen Friendship Award».
Ministerpräsident Wan Jiabao hat anlässlich des 60. Jahrestags der Gründung der Volksrepublik diese Auszeichnung an 100 ausländische Experten überreicht. Beat Künzi war darunter der einzige Schweizer.
Schweizerisches Engagement
Künzi,ein langjähriger und nun pensionierter USAR (Urban Search and Rescue)-Experte der Deza, zuständig für Prävention und Vorsorge bei der humanitären Hilfe, hat von Anfang an am Ausbildungsprojekt mitgewirkt.
«Die Chinesen suchten 2001 in Europa ein Land mit dem sie in diesem Bereich zusammenarbeiten konnten. Sie wollten eine Rettungs-Equipe aufbauen und suchten Beratung und Kooperation. Ein Jahr später wurden wir formell um Unterstützung gebeten. Seitdem kamen die Chinesen in die Schweiz, wir gingen ab und zu nach China. 2006 aber fanden wir, dass die Fortschritte sich langsamer als erwartet entwickelten.»
Deshalb begann Beat Künzi seine Mission in China, die anfangs für drei bis sechs Monate geplant war, aus denen aber schliesslich über drei Jahre wurden.
Kulturelle Unterschiede
Das chinesische Rettungsteam hat seine hohe Qualität bereits einmal im Mai 2008 unter Beweis gestellt, nach dem Erdbeben in Sichuan. Der Einsatz hatte 50 Personen das Leben gerettet, eine Bilanz, die Beat Künzi als grossartig bezeichnet.
Die Schweiz hatte damals vergeblich versucht, China die Dienste des Schweizerischen Korps für Humanitäre Hilfe (SKH) vorzuschlagen. Für Toni Frisch, Vizedirektor der Deza und Chef des SKH, war das «nicht nur enttäuschend, sondern bedauernswert».
Aber er könne Peking verstehen. «Wenn die chinesische Behörde dem Schweizer Team grünes Licht gegeben hätte, wäre sie gezwungen gewesen, nahezu alle zu akzeptieren.» Trotzdem, die Tatsache, dass das chinesische Team internationale Anerkennung erlangt habe, dürfte einen Austausch mit China in Zukunft erleichtern.
Huang Jianfa ist der Leiter der Notfallstelle für Erdbeben in der chinesischen Administration und auch Chef des nationalen Ausbildungslagers, das China mit der Unterstützung der Schweiz aufgebaut hat.
«Wir haben sehr profitiert von der Kompetenz von Beat Künzi. Dank seiner Koordinationserfahrung und der grossartigen Unterstützung unserer Schweizer Freunde haben wir unser Ziel erreicht, im gegenseitigen Respekt und losgelöst von kulturellen Unterschieden. Unsere Zusammenarbeit geht Ende Jahr zu Ende, aber wir hoffen, die Kooperation unter anderen Modalität fortzusetzen».
Alain Arnaud, Peking, swissinfo.ch
(Übertragung aus dem Französischen: Etienne Strebel und Jean-Michel Berthoud)
Das Schweizerische Korps für Humanitäre Hilfe SKH und der Schweizerische Verein für Such- und Rettungshunde REDOG leisten seit 1976 Hilfe bei Erbeben.
Seit 1981 ist die Rettungskette auf die Ortung, Rettung und die medizinische Erstversorgung von Verschütteten nach Erdbeben im Ausland spezialisiert.
Sie ist in acht bis zwölf Stunden nach dem Einsatzentscheid abflugbereit und kann bis zu sieben Tage autonom operieren.
Als Instrument der Aussenpolitik bekundet die Rettungskette sofort und effizient ihre Solidarität mit der Bevölkerung in Regionen, die von Naturkatastrophen und insbesondere Erdbeben betroffen sind.
Im chinesischen Rettungsteam kommen Hunde zum Einsatz, deren Führer in der Schweiz ausgebildet wurden.
Edi Bucher, Gründungsmitglied der REDOG, bildet selber Hunde aus. Seit 2003 ist er mehrmals nach China gereist. «Wir haben mit Hunden der chinesischen Armee gearbeitet, die wir sorgfältig ausgesucht haben und deren Qualität bemerkenswert ist.»
Die Schweiz war das erste Land, das Such- und Rettungshunde ausgebildet hatte. Dabei stützte sie sich auf die Erfahrungen mit den Lawinenhunden. Heute ist die Kompetenz der Schweiz in diesem Bereich weltweit bekannt.
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