Daniel Schlaepfers Weg vom Bio-Rebell zum Top-Winzer
Biologischer Weinbau galt bis vor wenigen Jahren als weltfremd. Dennoch produzieren die beiden Genfer AussteigerJean-Daniel Schlaepfer und François Pillon seit 1983 erfolgreich Bio-Weine.
1999 traten sie die Flucht aus der Schweizer Agrarbürokratie an und kauften ein Weingut in Europa. Seither pendeln sie zwischen den Weinwelten Frankreichs und der Schweiz.
«Super, am Abend arbeite ich noch im Keller in der Provence, am Morgen bin ich ohne Jetlag wieder da», begeistert sich Schlaepfer.
Die Reise dauert lediglich drei TGV-Stunden. «Als Anwalt musste ich ständig zwischen Singapur und Genf pendeln.
Beide hatten einen lukrativen Beruf. Der Spenglermeister Pillon war ein Klient des Anwalts Schlaepfer. 1983 kauften sie das Weingut Domaine de Balisiers im Genfer Hinterland und bauten einen modernen Keller.
Die Aussteiger erregten den Zorn und den Argwohn der Arrivierten. «Immer wieder waren die Pneus unserer Traktoren aufgeschlitzt, die Reben ausgerissen», erinnert sich Schlaepfer.
Heute könne er das verstehen. «Rundherum spritzten sie wie verrückt ihre Rebberge, es gab kein einziges Unkraut. Sie betrachteten uns als Spinner und hatten Angst vor Rebkrankheiten, denn unsere Parzellen waren grün.»
Die Last mit der Agrarbürokratie
Die spätere Expansion nach Frankreich war nicht vorgesehen. Zu Beginn der 1990er-Jahre planten Schlaepfer und sein Geschäftspartner eine Vergrösserung ihres Guts im Genfer Hinterland.
Sie wollten ihren Kindern eine Zukunft im Weinbau ermöglichen. «25 Hektaren, das ist zu wenig für zwei Familien. Darum kauften wir zehn Hektaren dazu.»
Doch sie hatten die Rechnung ohne die Agrarbürokratie gemacht. Das Land war bereits notariell verschrieben, der Handel jedoch war rechtswidrig.
«Hätten wir 1992 den EWR angenommen, wären alle diese blöden, protektionistischen Gesetze gefallen. Doch so war es nicht. Deshalb haben wir uns entschieden, ein zweites Gut in Europa zu kaufen.»
Pendelnde Lehrlinge
1993 kauften sie die ramponierte Domaine de Lauzières in der Provence. Innerhalb weniger Jahre ist daraus ein Vorzeigegut mit hoch gelobten Weinen entstanden. «François sagt immer, am Anfang habe dort kein einziger Schraubenzieher funktioniert. Nun haben wir Alternativenergie-Anlagen und einen See für die Bewässerung der extrem trockenen Böden.»
In Genf dominieren nördliche Traubensorten, in der Provence südliche. «Für unsere Lehrlinge ist das eine einzigartige Chance, sie lernen dort den Umgang mit Grenache, Mourvèdre oder Syrah.»
Synergien entstehen auch bei der Traubenlese, die im Süden eher beginnt und bei der Vermarktung. «Wir haben einfach unseren Agenten in Japan, Deutschland und den USA Muster-Flaschen von Lauzières geschickt. Die Weine verkauften sich von Anfang an automatisch.»
Kein Marketingkonzept
Heute ist Les Lauzières eine Lokomotive für den Genfer Betrieb. «Es ist viel schwieriger, sich in Frankreich durchzusetzen, weil es viel mehr gute Winzer gibt. Aber wenn man Erfolg hat, bringt es mehr als in der Schweiz.»
Ein Marketingkonzept jedoch, das haben die beiden nie gemacht. «Wenn das Produkt in der Flasche nicht viel wert ist, nützen auch Werbung und eine schöne Etikette nichts.»
Frankreich ist ein Weinexportland. Schweizer Weine hingegen sind kein Exportschlager. «In der Regel exportieren die Schweizer ihre schlechten Weine, nämlich die Überschüsse. Diese landen dann in Deutschland beim Grossverteiler.»
Das sei völlig falsch, meint Schlaepfer. «Die Österreicher sind vorbildlich. Sie exportieren Top-Weine.» Auch Schlaepfer und Pillon setzten gleich zu Beginn ihrer Winzer-Karriere auf Export, rigorose Ertragsbeschränkungen und Bio.
Pensionskasse in Sicht
In den 1980er-Jahren wurden Bio-Winzer belächelt. Mittlerweile haben auch Top-Stars ihre Produktion umgestellt. «Wir haben immer an Bio geglaubt. Nachher ist es ein Trend geworden.»
Aufstieg von Balisiers und Fall der Genfer Weinbaugenossenschaft kreuzten sich. 1999 ersteigerten die Eindringlinge Keller und Terrains der Genossenschaft zum «super billigen» Preis von 4,5 Millionen Franken. Sie waren nach dem Konkurs der Genossenschaft die Einzigen an der Steigerung.
Seither sind die Genossenschafter Mieter der Domaine de Balisiers. «Das bringt keine grosse Rendite», so Schlaepfer. «Aber wir haben immer gesagt, dass wir die Leute nicht auf die Strasse stellen.»
Ende 2007 wird die Genossenschaft in einen neuen, kleineren Keller umziehen. «Wir sind keine Promotoren, aber wir haben Ideen für ein Theater, ein Weinmuseum, Lofts und Geschäftsräume. Das wird unsere Pensionskasse sein», freut sich der Alt-68-er.
swissinfo, Andreas Keiser, Satigny
Jean Daniel Schlaepfer und François Pillon hängten 1983 ihren Job (Anwalt, Spengler-Meister) an den Nagel und begannen auf dem Gut Domaine des Balisiers in Satigny bei Genf mit der Produktion von Bio-Weinen.
Schlaepfer ist für die Vinifikation zuständig, Pillon für die Arbeit im Rebberg und die Technik.
Der Exportanteil der Schweizer Weine beträgt 2%. Die Domaine exportiert 25% ins Ausland.
Balisiers produziert auf 15 Hektaren jährlich 150’000 Flaschen.
Damit werden lediglich 45% der in der schweizerischen Ursprungsbezeichnung (AOC) vorgesehenen Menge produziert.
Mit 25 Hektaren ist das Gut flächenmässig der grösste Bio-Wein Produzent der Schweiz und einer der grössten 10 Weinbaubetriebe.
Balisiers produziert 13 verschiedene Weine.
Wurde im 16. Jahrhundert von den damals verfolgten Hugenotten (calvinistische Protestanten) gegründet.
Fläche: 32 Hektaren Reben, 23 Hektaren Oliven.
Jahresproduktion: 100’000 Flaschen.
Lauzières produziert 5 verschiedene Weine.
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