Das Matterhorn nach Afrika bringen
Während über 350 Jahren sind Schweizer nach Südafrika ausgewandert. Zuerst als Söldner, als Angestellte der "Dutch East India Company" oder als Missionare. Heute leben 9000 Auslandschweizer im Land – wenige im Vergleich mit anderen europäischen Ländern.
Die Hochblüte der Schweizer Einwanderung in Südafrika war in den 1970er-Jahren, als allein der Schweizer Country Club in Johannesburg über 900 Mitglieder zählte. Heute sind es noch um die 150 Personen.
Trotzdem existieren im südlichsten Land Afrikas 40 Jahre später neun verschiedene Schweizer Klubs und Vereine.
«Wir kämpfen darum, die Leute in die Klubs zu bringen», sagt Mario Valli, Präsident des Schweizer Klubs Johannesburg.
Die meisten Leute wollten einfach ihr eigenes Leben führen und würden sich anderweitig unterhalten und ablenken, erklärt er gegenüber swissinfo.ch.
Sein Klub ist in der Stadt Midrand beheimatet, auf halbem Weg zwischen Johannesburg, Pretoria und dem O.R. Tambo Flughafen.
Das Klubgebäude mit Restaurant, Bar, Lounges und einem Konferenzraum wurde 1973 gekauft.
Der Klub war bereits in den 1890er-Jahren gegründet worden, als die Industrialisierung in der Provinz Gauteng eine neue Welle von Schweizer Einwanderern ins Land brachte, meist Geschäftsleute, aber auch Wissenschafter, Forscher und Lehrer.
Roger Federer
Valli, der die gegenwärtige Situation pragmatisch betrachtet, hat in den letzten 30 Jahren eine wichtige Rolle in der Organisation der sportlichen Aktivitäten des Klubs gespielt.
In den 1970er-Jahren waren die Tennisplätze sowie das Fussball- und das Handballfeld fast immer besetzt, besonders an Wochenenden, erinnert sich Valli. Unter den Besuchern des Klubs war auch der Vater von Roger Federer, der seinen jungen Sohn mitbrachte, wenn dieser auf Urlaub im Land war.
Valli, ein Immobilienhändler, der 1967 nach Südafrika ausgewandert war, bat die Klubsekretärin, nach schriftlichen Beweisen von Roger Federers Anwesenheit zu suchen; doch sie fand nichts. Die Tennisplätze gibt es nicht mehr, das Land um das Klubhaus herum wurde verkauft und ist heute ein Wohngebiet.
Am Ball bleiben
Andere Aktivitäten im Schweizer Klub waren ein traditionelles Schwinget, Jodeln und ein Schweizer Chor. Noch existierende Zeugen der goldenen Zeiten sind eine Kegelbahn und verschiedenste Pokale.
Trotz der Abnahme der Klubaktivitäten will Valli nicht so schnell aufgeben. Er hofft, neue Mitglieder zu finden; aber auch mehr Kunden für das Restaurant, das europäische Küche serviert und eine Aussicht auf die Kayalami-Rennbahn ausserhalb von Johannesburg bietet.
Auf ähnliche Art und Weise hat Hans-Georg Bosch, Präsident des Schweizer Klubs Pretoria, die Anstrengungen erhöht, um während der letzten zehn Jahre mehr Mitglieder anzuziehen.
Zusammen haben Bosch und Valli für die Fussball-WM grosse TV-Bildschirme installiert, um alle Matches zeigen zu können.
Schweizer Wurzeln
Zwei andere Schweizer Expats in Südafrika haben viel von ihrer Zeit und Energie in die Nachforschung der Geschichte der Schweizer Einwanderung in die Region investiert.
Kurt Scheurer, ein aktiver über 70-Jähriger, begann zusammen mit Felix Ernst damit, Fakten und Zahlen über den Schweizer Klub Johannesburg zu sammeln.
Bald schon dehnten sie das Projekt auf andere Schweizer Vereine aus. «Es war einfach, in die Archive zu kommen, doch die Nachforschungen waren zeitintensiv», erklärt er.
Scheuer hat auch viele Zeitgenossen interviewt, worauf sich schnell herumsprach, dass er sich für Leute mit Schweizer Wurzeln interessiere.
Was die beiden herausgearbeitet haben, publizierten sie in einem Buch von 80 Seiten: «Geschichte der Schweizer in Südafrika von 1652-1977». Seither hat Scheurer diverse Artikel zum Thema und zu spezifischen Aspekten der Einwanderung verfasst.
«Rote Läuse»
Scheurer spielt seine Anstrengungen herunter und verweist auf seinen Landsmann Adolphe Linder, einen pensionierten Vermesser, der auf Scheurers Forschungen aufgebaut hat, um die Geschichte der Einwanderung ins Land am Kap zu untersuchen.
«Es war eine goldene Chance, in ein wertvolles Projekt einzusteigen», erklärt Linder. Seine intensiven Forschungen führten 1997 zum Buch «Die Schweizer am Kap der Guten Hoffnung».
Auch er verfolgt seither die Geschichte der Schweizer in Südafrika weiter. Ein Buch über die Geschichte der Schweizer im Burenkrieg soll später in diesem Jahr herauskommen.
Die engagierten Forscher sind fasziniert von den Anfängen der Einwanderung nach Südafrika und waren beide erstaunt, an unerwarteten Orten Spuren von Schweizer Einwanderern zu finden.
«Werfen Sie einmal einen Blick in das Telefonbuch von Johannesburg: Sie werden staunen, wie viele Leute mit Namen aus der Schweiz darin zu finden sind», sagt Scheurer.
Und Linder erinnert sich an ein Treffen mit zwei Schweizer Nonnen in einem abgelegenen Teil von Namaqualand im Nordwesten Südafrikas: «Als ich ihnen mein Erstaunen ausdrückte, antwortete eine der beiden: ‹D’Schwyzer sind wie rooti Lüüs, me findet si überall.› (Die Schweizer sind wie rote Läuse, man findet sie überall).»
Die Geschichte der Schweizer in Südafrika basiert auf Recherchen von Adolphe Linder, Kurt Scheurer und Felix Ernst.
Sie haben in den letzten 350 Jahren 5 Wellen der Einwanderung festgestellt.
Nach den Söldnern und Angestellten der «Dutch East India Company» kamen die ersten Schweizer Siedler. Später folgten Missionare, Wissenschafter und Handwerker.
Das 20. Jahrhundert brachte Händler, Geschäftsleute und Industrielle nach Südafrika.
Grössere Schweizer Firmen, die in der Schuh- oder Textilbranche, im Ingenieurwesen oder in der Minenindustrie und der Pharma-, Chemie- oder Nahrungsmittelbranche tätig waren, nahmen nach dem Ersten Weltkrieg dort ihre Arbeit auf.
Die ersten Schweizer, die am Kap der Guten Hoffnung eintrafen, standen vor mehr als 350 Jahren als Angestellte oder Söldner im Dienste der «Dutch East India Company» (VOC).
Isaac Manget aus Genf war im Jahr 1658 gemäss öffentlichen Akten der erste Schweizer Siedler am Kap. Später kehrte er in die Schweiz zurück.
Anna Maria Holzhalt war laut amtlichen Urkunden die erste Schweizerin in Südafrika. Sie heiratete 1684 in einer Hugenotten-Kirche Hans Jaco Huben.
Zu den bekanntesten Schweizer Einwanderern in Südafrika zählt wohl Arnold Theiler: Er war Tierarzt und entwickelte einen Impfstoff gegen eine bösartige Viehseuche. In den frühen 1920er-Jahren gründete er das Veterinär-Institut von Onderstepoort bei Pretoria.
Die erste braune Schweizer Kuh wurde 1907 nach Südafrika exportiert.
Bertha Hardegger wurde bekannt als «Mutter der Basotho Nation». Sie arbeitete erfolgreich als Ärztin in Lesotho, erhielt aber keine Erlaubnis in Südafrika zu praktizieren, wo sie seit 1937 lebte.
In Südafrika leben laut Zahlen des EDA von 2009 über 9000 Schweizerinnen und Schweizer.
Die Schweizer Gemeinde in Südafrika ist die grösste auf dem afrikanischen Kontinent, vor Ägypten und Marokko.
Etwa 17% der Schweizerinnen und Schweizer in Südafrika nehmen an Wahlen und Abstimmungen in der Schweiz teil.
(Übertragung aus dem Englischen: Christian Raaflaub)
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