Das Netz von Europol umfasst nun auch die Schweiz
Mit der bevorstehenden Unterzeichnung des Abkommens mit Europol rücken die Schweiz und Europa im Bereich der Verbrechensbekämpfung näher zusammen.
Europol bekämpft das organisierte Verbrechen und den internationalen Terrorismus seit dem 1. Juli 1999.
Der Auftrag, den die EU Europol erteilt hat, besteht in der Prävention von organisiertem Verbrechen und dessen Bekämpfung. Konkret erfüllt Europol die folgenden Hauptaufgaben:
Erleichterter Informationsaustausch zwischen den Ländern, Durchführen von operativen und strategischen Analysen, Bereitstellen von Fachleuten und technischer Unterstützung im Rahmen von Ermittlungen.
Im wesentlichen ist Europol in den fünf Bereichen Menschenhandel, Menschenschmuggel, Drogenschmuggel, Terrorismus und Geldwäscherei aktiv.
Informationsaustausch
Für die Schweiz ist der zentrale Punkt im Hinblick auf eine Zusammenarbeit mit Europol der Informationsaustausch.
Als der Bundesrat im September 2001 die Aufnahme von Verhandlungen beschloss, um die internationale Zusammenarbeit zu verstärken, sprach er von Europol als der «Zentralstelle für polizeiliche Informationen, unter anderem mit der Aufgabe, Informationen und Erkenntnisse von EU-Mitgliedstaaten und Drittstaaten zu sammeln, zusammenzustellen und zu analysieren.»
Wenn die Schweiz über operative, strategische und andere Informationen verfügt, «kann sie die internationale Schwerstkriminalität effizienter bekämpfen».
Datenschutz
Im Europol-Übereinkommen sind unter anderem die Bedingungen für die Bearbeitung von Informationen und das Einsichtsrecht geregelt. «Es sind Kontrollmechanismen vorgesehen», erklärt Jean-Philippe Walter, stellvertretender Eidgenössischer Datenschutzbeauftragter.
«Europol ist in einem Übereinkommen geregelt, das eine ganze Reihe von Bestimmungen zur Wahrung des Datenschutzes enthält. In diesen Bestimmungen», so Walter gegenüber swissinfo, «sind auch die Einzelheiten sehr genau festgelegt. Die gemeinsame Kontrollbehörde ist damit beauftragt, die Einhaltung des Übereinkommens und der innerstaatlichen Gesetze zu überwachen.»
Er habe Gelegenheit gehabt, die Verantwortlichen von Europol zu treffen, so Walter. «Und ich kann Ihnen sagen, dass die Anforderungen an den Datenschutz oft höher sind als im Schweizer Recht.»
Eine multilaterale Stelle
Ist Europol also eine Art europäisches FBI? «Aufgrund meiner Kenntnisse ist es übertrieben, von einem europäischen FBI zu sprechen. Es stimme zwar, dass das Bestreben von Europol in gewissen Bereichen in diese Richtung gehe, doch könnten die Strukturen nicht miteinander verglichen werden, hält Walter gegenüber swissinfo fest.
«Da ist nur schon die Tatsache, dass das FBI eine staatliche Organisation ist. Europol hingegen ist eine multilaterale Stelle, in der jeder Mitgliedstaat seine Kompetenzen sorgfältig hütet. Aus diesem Grund verfügt Europol heute über weniger Kompetenzen als bei seiner Schaffung ursprünglich erwartet wurde.»
Das Computersystem von Europol besteht aus drei Teilen: In einem ersten zentralen Informationssystem werden Daten von bereits verurteilten Personen oder von Personen gespeichert, von denen vermutet wird, dass sie Straftaten begehen könnten.
Ein zweites System dient der Datenverarbeitung, und ein drittes System regelt den Datenaustausch von Europol mit Agenturen in anderen nicht-europäischen Ländern (wie Kanada, die Schweiz oder die Türkei).
Europol ja, Schengen nein
Europol mit seinen spezifischen Merkmalen ist jedoch nicht das einzige europäische Informationssystem. Auch Schengen mit seiner besonderen Rolle ist ein Kontrollinstrument, das für die Schweiz von Interesse ist.
Das bereits unterzeichnete Abkommen muss jedoch noch vom Parlament ratifiziert werden. Und darüber hinaus droht ihm auch noch das Referendum: Ergreifen will es Schweizerische Volkspartei (SVP).
Und Europol? «Die SVP hat überhaupt nichts gegen die Unterzeichnung dieses Abkommens einzuwenden. Es handelt sich dabei um ein Abkommen über die Zusammenarbeit zwischen europäischen Polizeisystemen», erklärt Pressesprecher Roman S. Jäggi gegenüber swissinfo.
«Das Abkommen kann unserer Meinung nach nur zur Festigung der Sicherheit sowohl in unserem Land als auch in Europa beitragen. Schengen hingegen ist eine ganz andere Geschichte.»
Die SVP befürchtet, dass die Schweiz ihre Souveränität verliert. Eine Angst, welche die Regierung ganz entschieden zurückweist.
«Eine ungeheure Menge von Informationen»
Ganz anderer Meinung ist das Archiv Schnüffelstaat Schweiz. «Das Datenerfassungssystem von Europol ist beeindruckend», erklärt Heinrich Busch, Politologe und Spezialist in Polizeifragen, gegenüber swissinfo.
«Doch steht es meiner Ansicht nach in klarem Gegensatz zum Grundrecht des Schutzes von Personendaten. Zudem sind die Bürger und Bürgerinnen dieser Informationsquelle praktisch schutzlos ausgeliefert.»
Auf dem Papier garantiere Europol zwar zum Beispiel das Einsichtsrecht, doch sei dies in Wirklichkeit ein unmögliches Unterfangen.
Ein Hindernislauf
Will eine Person ihre Daten einsehen, muss sie sich zuerst an die Polizei in ihrem Land wenden, die dann ihrerseits die anderen Polizeisysteme von Europol um Zugang zu den Informationen ersucht.
«Mit einem solchen System ist es sozusagen unmöglich, Daten einzusehen», meint Busch. Fragezeichen setzt er zudem auch hinter verschiedene Systeme der Datengewinnung.
«Der Sucher des Informationssystems von Europol erfasst Namen von Personen, Vereinigungen und Organisationen, die Straftaten verübt haben, die verdächtigt werden, Straftaten zu begehen, oder die verdächtigt werden, Straftaten begehen zu können,» fügt der Politologe hinzu.
Eingetragen würden auch Zeugen, Zeuginnen, mögliche Zeugen und Zeuginnen sowie Kontakte. Europol entscheide, ob es von Interesse sei, von einer Person eine Fiche anzulegen oder nicht. Europol verfüge sozusagen über uneingeschränkte Kompetenzen.
«Zudem ist die Zahl der Personen, von denen eine Fiche geführt wird, derart hoch, dass effiziente Ermittlungen wenig wahrscheinlich scheinen. Für mich besteht kein Zweifel: Für den Datenschutz stellt Europol eine Gefahr dar.»
swissinfo, Françoise Gehring
Am kommenden 24. September unterzeichnet die Schweiz ein Abkommen mit Europol.
Die zentrale europäische Polizeieinheit besteht seit dem 1. Juli 1999.
Sie konzentriert sich auf 5 Tätigkeitsbereiche: Menschenhandel, Menschenschmuggel, Drogenschmuggel, Terrorismus und Geldwäscherei.
Alle EU-Staaten gehören ihr an.
Abkommen zur Zusammenarbeit auch mit Drittstaaten, wie Kanada, der Türkei, Marokko, Island, Russland, den USA und der Schweiz.
Nachdem die Minister der Europäischen Union grünes Licht gegeben haben, wird die Schweiz mit dem Beitritt zu Europol wieder ein Stück mehr zum europäischen Sicherheitsraum gehören.
Das Hauptziel des Bundes besteht in einer künftigen besseren Bekämpfung des internationalen organisierten Verbrechens.
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