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Das Tennis seiner besten Tage

Ein umlagerter Federer im sommerlichen Melbourne. Reuters

Die Schweizer Presse ist begeistert vom Sieg Roger Federes beim Australian Open. Auch als Vater spiele er gut, stellen die einen fast ein bisschen überrascht fest. Die anderen suchen Gründe für seine Motivation und die seiner Fans.

Jedesmal, wenn er in Melbourne gewonnen habe, sei der Rest der Saison super gelaufen. «In allen drei Jahren gewann er danach sowohl in Wimbledon als auch beim US Open», schreibt die Neue Zürcher Zeitung .

Es gebe keinen Grund zu denken, als junger Vater könne er mit seinen Gedanken weniger beim Tennis sein als früher. Warum es nicht möglich sein sollte, das private Glück mit der Lust am Spiel zu kombinieren», fragt die NZZ.

Es sei sehr schwierig, einen Grand Slam zu gewinnen, wenn man Kinder habe, habe André Agassi letzten Sommer nach der Geburt von Federers Zwillingen gesagt, kolportiert 24 heures aus Lausanne. «Doch gestern in Melbourne hat Roger Federer ihn Lügen gestraft», schreibt das Blatt zufrieden.

Federer zeige, das man mit zwei kleinen Töchtern auf der Welt herumreisen könne, den Planeten erfreuen, Rekorde sammeln, ab und zu einige Niederlagen einstecken und Krankheiten oder Stimmungsschwankungen haben könne und trotzdem diejenigen am Hals habe, die auf einen falschen Schritt warteten. Doch sie seien nur neidisch, meint 24 heures und lobt seine Professionalität und Opferbereitschaft.

Diejenigen, die geglaubt hätten, dass Federer mit der Vaterschaft leichter zu schlagen sein werde, haben sich getäuscht, schreibt der Corriere del Ticino, «so wie die, die Rogers Niedergang angekündigten, als Rafael Nadal die Nummer eins der Welt wurde». Er bleibe jedoch «unser» Champion. Er scheine bereit, noch mehr Rekorde zu brechen, kommentiert die Tessiner Tageszeitung.

Über kurze Strecken könne Federer zwar von immer mehr Gegner übersprintet werden, vergleicht der Zürcher Tages Anzeiger den Tennisspieler mit einem Läufer, «auf Langstrecken aber bleibt er der der König, weil er der Talentierteste, Kompletteste und Konstanteste ist und inzwischen auch die grösse Erfahrung mitbringt», schwärmt der Tagi.

Federer sei der Mann der grossen Momente geblieben, der mit der Wichtigkeit des Moments über sich hinauswachsen könne. Seine neue Rolle als zweifacher Familienvater habe daran nichts geändert und sein Hunger nach grossen Titeln sei ununterbrochen gross.

Die Frage nach der Motivation

Der Blick fragt: «Woher nimmt Federer bloss seine Motivation?» Sein jüngster Titel könne gar nicht hoch genug eingeschätzt werden, er habe Pete Sampras-Rekord letztes Jahr übertrumpft, sei Vater geworden und reich genug, sich nicht mehr anstrengen zu müssen.

Dass er trotzdem auch in den Wintermonaten täglich ackere und stundenlang traniere, zeige nur, dass sein Erfolgshunger noch lange nicht gestillt sei.

Federer befinde sich in der wohl spannendsten Phase seiner Karriere, meint das Blatt. Die Gegner seien ihm im nähergerückt als früher, und zwölf Titel im Jahr werde er nicht mehr gewinnen. Doch der Blick ist überzeugt: «Wenns zählt, ist er nach wie vor das Mass aller Dinge.»

Die Neue Luzerner Zeitung (NLZ) analysiert in ihrem Kommentar vor allem das Verhalten des Publikums. Trotz all diesen Erfolgen sei es erstaunlich, dass die Schweizer Tennisfans immer noch mit Roger Federer mitleiden oder mitfiebern.

«Von Langeweile oder Sättigung ist kaum etwas zu spüren», heisst es weiter. Man könne ansprechen, wen man wolle, fast alle gäben zu, während seiner Partien voll dabei zu sein, als wäre es die wichtigste Sache der Welt.

Dies liege daran, meint die NLZ, dass Roger Federer eine aussergewöhnliche Person sei – auf und neben dem Platz. Solche charismatischen Personen sehe man nicht gerne verlieren, «weil man glaubt, dass sie so etwas ganz einfach nicht verdienen». Dies sei ein Phänomen, und zwar eines, das nicht erklärt werden müsse.

Die Tessiner Tageszeitung La Regione zählt alle Gründe auf, weswegen der Tennisstar nicht verlieren könne. «Weil er der einzige ist, der dieses Tennis spielt, das er spielt. Weil er der einzige ist, der die Schwelle zur Legende erreicht hat. Weil seine Siege alle zufriedenstellen, sogar seine erbittertsten Gegner. Weil er ein Tennis spielt, das zweimal so stark ist wie ihres, indem er sich zweimal mehr anstrengt.»

Immer noch der Beste

Für die Basler Zeitung hat Federer während es ganzen Turniers gut gespielt. «Federer spielte mit der Leichtigkeit und Dominanz seiner besten Tage», schreibt der Kommentor und traut ihm zu, auch dieses Jahr 3 Grand-Slam-Titel zu gewinnen, so bis jetzt wie in jedem Jahr, in dem er das Australian Open gewann.

In den letzten zwei Jahren sei Federer zwar erfolgreich gewesen, aber nie mehr so nahe an der Perfektion wie in diesen Tagen in Melbourne. «Das Niveau, das Federer nun zeigte, lässt keine Zweifel offen, wer nach wie vor nicht nur der beste Tenniswettkämpfer, sondern auch der beste Tennisspieler der Welt ist.»

Auch Le Matin, das Westschweizer Boulevardblatt, ist begeister von Roger Federer. Nicht nur, dass ihn das Publikum in Melbourne vergöttere, er sei auch ein liebender Vater, er sei in Interviews witzig und seine Beliebtheit sei sogar noch gestiegen.

Für das Westschweizer Blatt profitiert die Schweiz davon, und man spreche doch nicht von Marketing. Euphorisch schliesst der Kommentator:» Roger Federer ist ein aussergewöhnlicher Champion, ein guter Typ. Er ist die Perfektion der Männlichkeit.»

Eveline Kobler, swissinfo.ch

Mit seinen nunmehr 268 Wochen an der Spitze der
Weltrangliste hat Roger Federer in der ewigen Liste mit dem drittplatzierten Jimmy Connors gleichgezogen. Bereits am 15. Februar wird er Ivan Lendl auf Platz 2 einholen.

Zum Rekord von Pete Sampras (286 Wochen) fehlen dem Schweizer
noch 18 Wochen. Diese Marke wird Federer unmittelbar nach dem
French Open am 7. Juni erreichen, wenn er sich bis dorthin ununterbrochen an der Spitze hält.

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