Der Basar, ein Labyrinth von Farben und Gerüchen
Weihnachten steht vor der Tür und Sie wissen nicht, was Sie ihrer oder ihrem Liebsten schenken sollen? Vielleicht hilft orientalische Inspiration, erlebt während eines Spaziergangs über den Souk von Damaskus.
Simpel, aber von der gesamten Verwandtschaft bestimmt sehr geschätzt: arabische Süssigkeiten. Zur Zeit sind diese hoch im Trend, so dass man die Halauiät (Süssigkeiten) fast schon vorbestellen muss.
Ende November feiern die Muslime das Ende des Hajj (Pilgerreise nach Mekka), Eid al Adha, und dabei dürfen die klebrigen und im Honig schwimmenden, mit Pistazien gespickten oder nach Rosen duftenden Baklava nicht fehlen. Es gibt sie fast an jeder Ecke, schliesslich will man im Falle spontanen Besuchs – so spontan, dass man damit rechnen kann – nicht mit leeren Händen dastehen.
Süss und scharf
In dementsprechend rauhen Mengen werden die Delikatessen an die Schleckmäuler gebracht. Wenn ich nur drei bis vier Stücke erwerben möchte, werde ich ungläubig angestaunt und kriege sie nicht selten mit einer Mischung aus Gutmütigkeit und Mitleid (wegen meiner aus ihrer Sicht zu schlanken Figur) geschenkt.
Der oder die Beschenkte ist zwar ein Gourmand, aber ob all des Weihnachtsschmauses nicht auf weitere zusätzliche Kilos erpicht, die er dann trotz guter Vorsätze und teurem Fitness-Abonnement nicht wieder los wird? Nichts leichter als das.
Die intensiven Düfte locken eine Feinschmeckernase bereits von weit her zum Souk al Bsurija. Scharfer Paprika, schwarzer Pfeffer, eine gelbe Currymischung, Ingwer, Nelken, Tamarinde und das orientalische Gewürz per se, Kardamon, sind zu farbenfrohen Haufen getürmt. Der Geruch frisch gerösteter Kaffee- und Kakaobohnen sowie diverser getrockneter Blumenblüten liegen in der Luft.
Kunstvolles aus Damaskus
Wer etwas Dauerhafteres schenken will, soll einen Blick in die Schaufenster der Läden an der Geraden Strasse werfen. Kunstvolle, handgesetzte Einlegearbeiten, ein Mosaik aus verschiedenfarbigen Hölzstückchen – heller Ahorn, rote Kirsche, dunkles Wallnussholz – werden dort verkauft.
Teilweise schillern Perlmutt oder Silberfäden aus dem meisterhaften Muster. Es gibt etwas für jedes Budget, von der kleinen Schachtel bis zur massigen Truhe, vom verzierten Spiegel bis zum grossen Wandschrank.
Für die ganz dicken Portemonnaies ist sogar ein Tisch mit integriertem «Tauila» (Backgammon) bzw. Schachbrett und zwei kunstvoll verzierten, dazu passenden Stühlen erhältlich. Welcher Schachspieler möchte seinen Spielpartner nicht mal auf einem Perlmuttbrett Matt stellen?
Sie wünschen zwar etwas Dauerhaftes, aber etwas mit geringerem Risiko, ein Staubfänger zu werden? Die Damaszener sind seit jeher für ihre Seiden-Stoffe bekannt, den Damast. Ein Zauberstoff, dessen glänzende Farben sich je nach Lichteinfall verändern. Heute gibt es anscheinend bloss noch vier Ateliers, welche dieses feine Material herstellen und zu edlen Schals oder Krawatten verarbeiten.
Unerwartete Verkaufslieblinge
Zu exquisit? Sie suchen eher etwas Unauffälliges? Ein weiterer Verkaufsschlager sind offenbar Kopftücher. Und dies obwohl längst nicht alle muslimischen Syrerinnen Kopftuch tragen, und die bedeutende christliche Minderheit sich bekanntermassen nicht verschleiert.
Im grössten Souk Damaskus›, dem Souk al Hamidije, buhlen Kopftuchverkäufer um die Aufmerksamkeit ihrer Kundinnen. Dezente, grelle, uni-farbige, gemusterte und geblumte Tücher sind um den Kopf oder Hals der schicken Modells geschlungen. Noch schicker sehen die gestylten jungen Frauen in engen Jeans und mit hochhackigen Schuhen aus, die den letzten Kopftuchtrend ausprobieren.
Zu meinem Erstaunen finden sich gleich anschliessend Dessous-Boutiquen. Knallrote Slips, gewagte lederne Korsette und verspielte Fantasieunterwäsche prangen provokativ im Schaufenster. Das hipste Stück sei allerdings noch nicht eingetroffen, wie mir lokale Freundinnen kichernd berichten: mit einer Lämpchengirlande versehene Wäsche. Frau als lebender Weihnachtsbaum?
Übrigens diskutiert oft die gleiche Klientel, welche sich vor kurzem das neu erstandene Kopftuch um die Haare drapiert hat, wenig später die neuesten Modelle männlicher Phantasien. Kopftuch (auch kombiniert mit langen schwarzen Mänteln) und Reizwäsche scheinen sich nicht auszuschliessen.
Mein heimlicher Favorit
Nicht zu ausgefallen, aber auch nichts Alltägliches soll es sein? Zwischen den Antiquitäten- und Intarsienläden an der Geraden Strasse verkauft ein kleiner Händler etwas ganz besonderes: einen Wecker in Moscheeform mit blechernem Weckruf.
Bevor die Einfuhr in die Schweiz aufgrund der furchteinflössenden Miniatur-Minarettchen möglicherweise schon bald verboten wird, erstehe ich ein Exemplar. Sein Ruf wird mich zuverlässig an die schöne Zeit hier erinnern.
Franziska Sigrist, Damaskus, swissinfo.ch
Immer häufiger reisen auch junge Leute für längere Zeit ins Ausland, sei das zum Studieren, Forschen oder für ein Stage.
Zu ihnen gehört auch Franziska Sigrist, die von September bis Ende 2009 ein Praktikum an der Schweizer Botschaft in Damaskus macht.
Von dort berichtet sie für swissinfo.ch über ihre Erlebnisse. Sie vertritt in der Postkarte ihre persönlichen Ansichten.
Franziska Sigrist ist 27 Jahre alt. Sie hat an den Universitäten Bern und Bordeaux Politik-Wissenschaften und internationales Recht studiert und im Frühsommer 2008 abgeschlossen.
Anschliessend bereiste sie mit ihrem Freund in einem Camper während einem Jahr den Nahen und Mittleren Osten (Türkei, Syrien, Jordanien, Iran).
Ab September bis Dezember 2009 absolviert sie bei der Schweizer Botschaft in Damaskus ein Praktikum.
Auch in früheren Jahren verbrachte sie längere Zeit im Ausland: 2006 für sechs Monate in Äthiopien, wo sie für ihre Lizentiatsarbeit zum Thema «Nachhaltige Wasserpolitik» forschte und zwei Praktika (Unicef, NGO WaterAid) machte.
2005 war Franziska Sigrist zu einem Menschenrechtseinsatz in Mexiko und 2004 für ein Praktikum im Bereich der Internationalen Entwicklungs-Zusammenarbeit in Bonn.
Nebst ihrer Muttersprache Deutsch spricht Franziska Sigrist Englisch, Französisch, Spanisch, Italienisch und lernt nun Arabisch. Sie fotografiert auch gerne und spielt Klavier.
E-Mail-Adresse: franziska.sigrist@sunrise.ch
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