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Der «Grosse Bruder» geht in die Luft

Von blossem Auge nicht sichtbar: Aufklärungs-Drohne auf 1500 Metern Flughöhe. Keystone Archive

Während einer Übung der Armee hat eine Überwachungs-Drohne zufällig zwei Männer beim Kiffen gefilmt. Kurz drauf schritt die Polizei ein.

Dies hat nun auch in der Schweiz die Diskussion um Überwachung und Persönlichkeits-Schutz in Gang gebracht.

Die Nutzung von unbemannten Kleinflugzeugen (Drohnen) als Aufklärer und zur Terror-Bekämpfung hat seit dem 11. September 2001 einen grossen Aufschwung erlebt. Die USA haben die fliegenden Kameras auch schon dazu eingesetzt, unerwünschte Terroristen zu «neutralisieren».

Nun ist die Diskussion auch in der Schweiz entbrannt und hat zu einer Anfrag an die Landesregierung geführt: Stein des Anstosses war ein Vorfall im Januar, der erst Ende Mai bekannt wurde, als die «NZZ am Sonntag» publik machte, dass damals zwei Männer von der Wärmebildkamera einer Drohne beim Kiffen erwischt worden waren.

Datenschutz in Frage gestellt

Ziel der Übung war es gewesen, mit der Wärmekamera zufällig ein Ziel zu finden und dieses zu verfolgen. Dass die beiden Männer etwas Unerlaubtes machten, sei den Soldaten, die am Bildschirm den Drohnen-Flug verfolgten, erst im Verlauf der Verfolgung bewusst geworden. Daraufhin hätten sie die Polizei informiert.

Eine Aktion, die Fragen des Persönlichkeits-Schutzes aufwirft, und die bereits die Datenschützer auf den Plan gerufen hat. Die Luftwaffe reagierte prompt und erklärte, man wisse, dass die gängige Praxis nicht über alle Zweifel erhaben sei.

Die Meldung an die Polizei sei jedoch nur mündlich erfolgt, Daten oder gar Bildmaterial seien nicht weitergegeben worden.

«Dieses Vorkommnis unterscheidet sich insofern nicht von Fällen, in denen eine Privatperson eine als verdächtig beurteilte Beobachtung an die Polizei weiterleitet», betonte Verteidigungsminister Samuel Schmid am Montag in der Fragestunde des Nationalrats.

Experten beunruhigt

Das Thema im Parlament angesprochen hatten die beiden Sozialdemokraten Hans Widmer und Boris Banga. Sicherheitspolitiker Banga ist von der Antwort Schmids nur zum Teil befriedigt: «Ich gehe als Privatperson davon aus, dass ich auf meiner Dachterrasse machen, tun und lassen kann, was ich will.» Bis jetzt habe er sich dort unbeobachtet gefühlt. «Und es geht halt jetzt soweit, dass ich mich auch gegen den Himmel schützen muss.»

Rechtliche Abklärungen im Gange

«Das hier ist ein Zufallsfund», konterte Schmid den Einwand. «Ich glaube, wir würden hier nicht diskutieren, wenn es effektiv um ein Verbrechen gegangen wäre.» Das Bundesamt für Verteidigung, Bevölkerungsschutz und Sport (VBS) sei sich jedoch der Sensibilität des Themas bewusst.

Daher kläre die Luftwaffe nun ab, ob die rechtliche Grundlage genüge, die in Militärgesetz und Militärflugverordnung sowie im Reglement für Drohnenflüge definiert sei. Vor Allem gehe es um Fragen des Urheberrechts sowie Weiterverwendungs- und Aufbewahrungsvorschriften.

«Zur Zeit wird die Möglichkeit geprüft, Bild- und Flugdaten voneinander zu trennen, um das Bildmaterial rascher vernichten zu können», so Schmid. «Ich hoffe, dass das auch so kommt», sagt Banga. Denn für ihn ist klar: «Es wird eine Revision der entsprechenden Erlasse geben.»

Immer mehr Überwachungs-Möglichkeiten

Doch Banga vermutet, dass auch die Schweiz in Zukunft vermehrt Einschnitte bei den Persönlichkeits-Rechten erwarten muss, wie dies in den USA im Kampf gegen den Terror zum Teil bereits geschieht. «Es wurde schon kurz nach dem 11. September angekündigt, dass man zumindest die Voraussetzungen zur Überwachung von Personen überprüfen will.»

Und auch die technologische Entwicklung schreitet weiter voran: Eine israelische Firma ist derzeit daran, Drohnen zu bauen, die in einem Rucksack mitgenommen werden können. Die kleinste ist rund 250 Gramm schwer und hat eine Flügelspannweite von 33 cm. An einer Anti-Terror-Konferenz war das Interesse an den Mini-Fliegern gross.

«Im Moment genügen mir schon die Probleme, die wir mit unseren Drohnen haben», kommentiert Banga die Miniaturisierung. «Aber die Möglichkeiten zur Überwachung und zur Aushorchung des Bürgers, der Bürgerin, werden immer grösser. Und da muss man sehr vorsichtig sein.»

swissinfo, Christian Raaflaub

Die Armee besitzt 27 Drohnen des Typs ADS 95 Ranger.
Eine Drohne kostet 2,5 Mio. Fr.
Die Kleinflugzeuge können bis auf eine Höhe von 4500 Metern fliegen.
Pro Tag werden 4 bis 6 Übungsflüge absolviert.
Aufnahmen werden bis zu 6 Monate aufbewahrt.

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