Der Niedergang des Fussball-Klubs Servette
Der sich abzeichnende Konkurs des Genfer Vereins Servette wirft ein Schlaglicht auf den Niedergang des Fussballs in der Westschweiz.
Nach dem Verschwinden von Sion und Lausanne werden die Kicker von Neuenburg Xamax in der Super League zu den letzten Überlebenden aus der Romandie.
Nach 115 Jahren in der Nationalliga A – heute Super League genannt – verschwindet der Servette FC am 21. Januar von der obersten Schweizer Fussball-Bühne. Nur ein Wunder, sprich ein Mäzen mit mindestens 10 Mio. Franken, kann das Schicksal des Genfer Traditionsvereins noch wenden.
Bis zu diesem Datum haben die Klubverantwortlichen um den französischen Geschäftsmann Marc Roger Zeit, das Millionen-Loch in der Servette-Kasse zu stopfen. Sonst ist es vorbei.
Ausweglos
Patrick Chenaux, der Präsidenten des erstinstanzlichen Genfer Handels-Gerichts, wird dann den Konkurs verhängen. Eine Sanierung in Form einer Nachlassstundung ist kaum realistisch, da die Verschuldung weitgehend gegenüber Erstklass-Gläubigern besteht.
Roger, der am letzten Dienstag die Bilanz des Vereins deponierte, fehlen offiziell sieben Millionen Franken: 5,5 Mio. gehen dabei auf die Kappe des Klubs, 1,5 Mio. fehlen bei der Betriebsgesellschaft für das Stade de Genève, das 30’000 Plätze umfasst.
«Mindestens zehn Millionen»
Gemäss Servettes Anwalt Dominique Warluzel sind aber «mindestens zehn Millionen» nötig, um den Spielbetrieb bis zum Ende der laufenden Saison weiterzuführen.
Die Spieler haben seit September keinen Lohn mehr erhalten, auch wurden ihnen keine AHV-Beiträge mehr einbezahlt. Andere Gläubiger warten noch länger auf ihr Geld.
Verhängnisvolle Einkaufstour
Im Sommer hatte Roger, der streitbare Präsident, der seit Februar 2004 im Amt ist, noch mit der grossen Kelle angerichtet und im Hinblick auf die neue Saison nicht weniger als 21 neue Spieler verpflichtet.
Die Klub-Verantwortlichen haben allerdings die Hoffnung immer noch nicht aufgegeben, eine Lösung für die enormen Liquiditätsprobleme zu finden. Warluzel berichtete von «fortgeschrittenen Verhandlungen mit Dritten», die investieren oder den Club übernehmen wollten.
So tauchte der Name von Lorenzo Sanz, des ehemaligen Präsidenten des spanischen Renommier-Klubs Real Madrid, als Retter in allerletzter Not auf. Doch auch hier blieb letztendlich offenbar der Wunsch Vater des Gerüchts.
Die Genfer Kantonsbehörden ihrerseits sehen keinen Spielraum, etwas zur Rettung der privaten Aktiengesellschaft zu tun.
17-facher Meister
Unbesehen seines Palmares – 17 Meistertitel, 7 Cupsiege, 27 Teilnahmen an europöäischen Klubwettbewerben – würde der Konkurs für Servette den Lift hinunter in die Amateurliga bedeuten.
Die Meisterschaft, die am 20. Februar weitergeht, würde dann mit nur noch neun Teams umfassen. Im Sommer tritt also nur ein Absteiger den Weg in die Challenge League, die ehemalige Nationalliga B, an.
Verlagerung
Aufgrund von Pleiten hat sich das Gesicht der obersten Schweizer Spielklasse in den letzten paar Jahren grundlegend geändert. Mit Lugano verschwand der letzte Verein aus dem Tessin, und nach dem Rückzug von Sion und Lausanne, dem Abstieg von Yverdon und dem drohenden Aus von Servette bleibt Neuenburg Xamax einziges Westschweizer Team in einer Meisterschaft von Deutschschweizer Mannschaften.
«Diese Entwicklung ist höchst bedauerlich», sagt Edmond Isoz, Direktor der Swiss Football League, «denn der Verlierer heisst Schweizer Fussball.» Nicht mal bei der Konkurrenz aus der Deutschschweiz herrscht Freude darüber: Keiner der grossen Klubs aus diesem Landesteil freut sich über die äusserst einseitige Regionalisierung.
Gefahr in Deutschschweiz erkannt
Der Trend kommt jedoch nicht von ungefähr, und ist schon gar keine Produkt des Zufalls. «In der deutschsprachigen Schweiz sträubt man sich dagegen, die Macht in den Klubs ausländischen Investoren zu überlassen», so Isoz.
Ausnahme von der Regel ist der sankt gallische Verein FC Wil: Dort hatten in den letzten beiden Jahren vorübergehend Geschäftsleute aus der Ukraine das Sagen. Mit beinahe fatalen Folgen. In einem Kraftakt vermochten einheimische Funktionäre die Verantwortung wieder an sich zu reissen.
Tummelfeld für Wichtigtuer
Das ist in der Romandie nicht gelungen: Bei Lausanne war es der Franko-Pole Waldemar Kita, der den Verein zu Grunde richtete. In Sion führte dieses Amt der Kamerunische Bierbrauer Gilbert Kadji aus.
Bei Servette hatte Marc Roger bereits einen entsprechenden Vorgänger: Michel Coencas war als Präsident genauso so unsichtbar wie zwielichtig.
Xamax befand sich vor drei Jahren ebenfalls auf dem besten Weg in den Ruin, konnte sich aber in letzter Sekunde aus den Klauen eines zweifelhaften Italieners namens Gian-Paolo Bonora befreien.
swissinfo, Jonathan Hirsch
(Übertragung aus dem Französischen: Renat Künzi)
Wird der Konkurs verhängt, ist davon nur die Aktiengesellschaft des Servette FC betroffen, d.h. die erste Mannschaft.
Die anderen Mannschaften (U21, Junioren) bestehen weiter.
Servette könnte die laufende Meisterschaft also mit seiner U21-Nachwuchsmannschaft beenden.
Die erste Mannschaft wird in die 1. Liga zwangsrelegiert.
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