Der Schweizer Nicolas Michel verlässt die UNO
Der ranghöchste Schweizer bei den Vereinten Nationen, Untergeneralsekretär Nicolas Michel, hat nach vier Jahren seinen Rücktritt für diesen Sommer angekündigt.
Der Rechtsexperte bedauert gleichzeitig, dass die Schweiz damit keinen Vertreter mehr auf der höchsten Ebene der Vereinten Nationen habe.
«Ich werde meinen Rücktritt aus der UNO sicher bedauern. Trotz einer dauernden Diskrepanz zwischen dem, was man machen sollte, und dem, was wir tatsächlich erreichen, konnte ich doch einen Beitrag zum Ende der Straffreiheit leisten», sagt der Rechtsberater des UNO-Generalsekretärs Ban Ki-moon.
Zum Verhältnis von Versöhnung und Gerechtigkeit bezieht er klar Position. «Es ist falsch, zu sagen, dass die Gerechtigkeit den Frieden verhindert», erklärt der Professor für Internationales Recht und ehemaliger Direktor der Abteilung für Völkerrecht des Departements für auswärtige Angelegenheiten (EDA).
«Die Herausforderung besteht darin, die beiden Elemente in jedem Kontext korrekt herauszustreichen. Aber ich bin überzeugt, dass es keinen dauerhaften Frieden ohne Gerechtigkeit gibt», ergänzt Nicolas Michel. «Das Fehlen von Gerechtigkeit macht sich noch viele Jahre später bemerkbar.»
Libanon-Tribunal
Nicolas Michel war für die UNO verantwortlich für die Einsetzung des Sondertribunals zum Libanon. Dafür wurde ein Abkommen mit den Niederlanden unterzeichnet, Richter und der Protokollführer wurden ernannt.
Auf die mangelnde Kooperationsbereitschaft der libanesischen Regierung angesprochen, sagt Michel: «Man muss den Libanesen begreiflich machen, dass es sich hier um ein unabhängiges Justizorgan handelt und nicht um ein politisches Instrument in den Händen einer Partei.»
Weiter unterstreicht der Jurist, dass das Sondertribunal zum Libanon, das über die Verantwortlichen der Ermordung des früheren Premierministers Hariri richten soll, zum ersten Mal einen Urteilsspruch in Abwesenheit der Angeklagten vorsieht.
Familiäre Gründe
Nicolas Michel sagt, dass er ab Herbst wieder in Genf unterrichten werde. Seinen Abgang von der Funktion, für die er erst im Februar 2007 wiedergewählt wurde, erklärt er mit familiären und administrativen Gründen.
«Der UNO-Generalsekretär meint, dass Funktionen dieser Art nicht länger als fünf Jahre dauern sollten», sagt Michel und weist Gerüchte von sich, die sagen, dass es Unstimmigkeiten zwischen ihm und dem Nachfolger von Kofi Annan gebe.
Gleichzeitig bedauert Nicolas Michel, dass die Schweiz nun nach den Abgängen von Carla Del Ponte und Adolf Ogi im letzten Jahr keinen Vertreter mehr auf der höchsten Ebene der Vereinten Nationen habe.
«Ich bedaure es umso mehr, als die Teilnahme der Schweiz bei der UNO sehr geschätzt wird. Heute ist die multilaterale Diplomatie der ideale Ort, um seine Interessen zu vertreten», sagt der Freiburger Jurist.
swissinfo und Blaise Lempen, ats
1949 wurde Michel in Freiburg geboren; Doktorat in Jurisprudenz.
1979 studierte er Internationale Beziehungen in den USA.
Von 1987 bis 1998 war er Professor für Völker- und Europarecht an der Universität Freiburg.
1998-2003: Chef der Direktion für Völkerrecht im Departement für auswärtige Angelegenheiten (EDA).
Seit 2004 ist er Untergeneralsekretär und Rechtsberater der UNO.
Mit Nicolas Michel verliert die Schweiz einen ihrer letzten Vertreter im Zentrum der UNO. Erst letztes Jahr ist Carla Del Ponte als Chefanklägerin des Strafgerichts für Ex-Jugoslawien zurückgetreten.
Auch der ehemalige Bundesrat Adolf Ogi hat Ende 2007 seine Funktion als Sonderberater des UNO-Generalsekretärs aufgegeben.
Jean Ziegler muss seine auf sechs Jahre beschränkte Aufgabe als UNO-Sonderberichterstatter dieser Tage aufgeben.
Der Berner Jurist Walter Kälin ist einer der wenigen Verbleibenden. Sein Mandat als Vertreter der UNO-Generalsekretärs für vertriebene Personen wurde soeben durch den Menschenrechtsrat erneuert.
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