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Der schwierige Weg zur Stabilität

Der Beginn der Bombardements in Afghanistan durch die USA und Grossbritannien am 7. Oktober vergangenen Jahres markierte auch den Anfang vom Ende des radikal-islamischen Talibanregimes.

Das Machtvakuum blieb aber bis heute bestehen.

Der Sieg kam schnell, der Frieden kommt langsam: So betitelte unlängst eine US-Zeitung ihre Bilanz über die Entwicklung in Afghanistan.

Binnen weniger Monate gelang es, die Taliban von der Macht zu vertreiben und die Operationsbasis der Terror-Organisation El Kaida zumindest zu schwächen.

Das Machtvakuum, das die Taliban hinterliessen, wurde innert weniger Wochen von der internationalen Schutztruppe (ISAF) gefüllt, zumindest in Kabul.

Doch der erhoffte grosse Erfolg blieb aus: Weder der mutmassliche Terroristenchef Osama bin Laden noch Taliban-Führer Mullah Omar gingen den USA ins Netz. Damit wurde ein Hauptziel der gesamten amerikanischen Afghanistan-Operation nicht erreicht.

Wenig Spitzenleute erwischt

Insgesamt ist die Zahl von mutmasslichen El-Kaida-Mitgliedern der höheren Ebene, die gefasst werden konnten, verschwindend gering – und damit auch die Ausbeute an Informationen über das Terrornetz und dessen weitere Pläne.

Tora Bora, wo Hunderte von El-Kaida-Mitgliedern aus Höhlen und Tunneln entkamen, und Kandahar, wo Omar den USA entwischte, wurden zu Symbolen für US-Niederlagen.

Die US-Regierung lässt sich daran nur ungern erinnern. Der Name Osama bin Laden, einst als Oberschurke in jeder Bush-Rede dutzendfach erwähnt, fällt kaum noch. Saddam Hussein hat ihn abgelöst.

Nur teilweise unter Kontrolle

Der ISAF-Einsatz stützt nun die Übergangsregierung unter Hamid Karsai, der im Juni 2002 von der Grossen Ratsversammlung, der Loja Dschirga, zum Präsidenten gewählt wurde.

Das Mandat der ISAF erstreckt sich zurzeit allerdings nur auf Kabul. Viel wäre nach Meinung von Analytikern schon gewonnen, wenn ihr Einflussbereich über Kabul hinaus ausgedehnt würde.

Den Rest des Landes, das mit 650’000 Quadratkilometern fast doppelt so gross wie Deutschland ist und nach Schätzungen mehr als 20 Millionen Einwohner zählt, hat die Regierung Karsais nur teilweise unter Kontrolle.

Vor allem im Osten des Landes bekämpfen sich rivalisierende Paschtunen-Führer. Im Westen kosteten Gefechte zwischen Tadschiken und Paschtunen in den letzten Tagen sechs Menschen das Leben.

Ein Bombenanschlag in Kabul mit 26 Toten und ein vereiteltes Attentat auf Karsai zeigten Anfang September, wie unsicher die Lage in Afghanistan nach wie vor ist.

Tödliche Gefahren bedeuten auch die überall im Land vergrabenen Minen aus über zwei Jahrzehnten Krieg und Bürgerkrieg.

Der Kampf der Zentralregierung gegen Mohnanbau und Opiumhandel hatte bisher nur mässigen Erfolg. Der Wiederaufbau der Infrastruktur stockt, weil die internationale Gemeinschaft zugesagte Gelder nicht zügig überweist.

Keine zweite Chance

Eine zweite Chance sei zweifelhaft, ein Versagen könne sich die Weltgemeinschaft nicht leisten, warnte Ende September US-Aussenminister Colin Powell die Geberländer.

Um Millionen Bedürftigen durch den Winter zu helfen, benötigen die Vereinten Nationen dringend 64 Millionen Dollar.

swissinfo und Agenturen

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