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Der Sieg beginnt im Kopf

Das GC-Internat: Eine grosse Familie unter einem Dach. GCZ

Der Grasshopper-Club Zürich hat den Schweizermeistertitel im Fussball mit einer jungen Mannschaft erobert. Mit seinem Internat für junge Fussballer setzt GC auf Nachwuchsförderung.

Fussball, Ausbildung und Integration sollen unter einen Hut gebracht werden.

«Investition in den Nachwuchs, um möglichst viele eigene Jugendspieler in die erste Mannschaft zu integrieren.» Das ist eines der Hauptziele der Fussball-Ausbildung des Grasshopper-Clubs (GC).

Wichtiges Mittel dazu: das Internat für junge Fussballer in Fahrweid bei Dietikon im Kanton Zürich. Zukünftige Spitzensportler sollen die Möglichkeit haben, Training, Schulbildung und soziale Integration unter einen Hut zu bringen.

Schön, aber anstrengend

Das GC-Internat Fahrweid gibt es seit dem 2. September 2001 – ein Novum in der Schweiz, sieht man von einem ersten Versuch des mittlerweile in die 1. Liga relegierten FC Sion ab. Platz im GC-Internat hat es für 12 Jungfussballer im Alter zwischen 12 und 16 Jahren, zur Zeit wohnen acht dort.

Das Leben im Internat sei schön, doch manchmal ein wenig anstrengend, sagt ein junger Internatsbewohner. Man müsse rücksichtsvoll miteinander umgehen, wenn man so nahe zusammenlebe. Manchmal wäre man doch lieber bei der Familie.

«Zentral-europäische Erziehung»

Rücksicht aufeinander nehmen: Das ist das Credo von Marco Otero, «Headscout», Verantwortlicher für die Fussball-Talentsuche in der Schweiz und Trainer der U-14-Mannschaft von GC.

Seine Frau Rosa ist Leiterin des Internats. «Die Jungen sollen eine zentraleuropäische Erziehung erhalten und in einer Grossfamilie aufwachsen, in der Toleranz und Hilfsbereitschaft zuoberst stehen», sagt er gegenüber swissinfo.

Als Voraussetzung für den Eintritt ins GC-Internat müsse die Motivation, die innere Bereitschaft der Jugendlichen und der Eltern uneingeschränkt vorliegen. «Die Eltern erklären sich somit bereit, einen Teil der Erziehungsarbeit an GC zu delegieren», so Otero.

Begleitetes Wohnen

«Wir bilden die Jungen aus, auch in Bereichen wie Kochen, gesunde Ernährung, Hygiene usw.» Marco Otero betont, dass in der letzten Phase die auswärtigen Spieler in von GC zur Verfügung gestellten Wohnungen leben. «Dort machen sie ihre ersten Schritte im selbstständigen Leben.»

Die Spieler würden auch in dieser Phase betreut, von einem Sozialpädagogen, «der sie in den täglichen Facetten des Lebens unterstützt», so Otero.

Multikulturell

«Wir haben nicht den Tessiner aus Lugano, sondern einen Dominikaner aus Lugano, wir haben einen Mazedonier aus St. Gallen, wir haben einen Chilenen aus Sion, wir haben Schweizer aus Schaffhausen, aus St. Gallen, wir haben Italiener aus der Innerschweiz, wir haben Spanier bei uns aus der Ostschweiz.»

Disziplinarische Probleme im Internatsleben kennt Marco Otero keine: «Es funktioniert eigentlich einwandfrei. Bei uns steht Respekt und Toleranz zuoberst. Die Konflikte im pubertären Alter sind normal. Wir versuchen, die Probleme im Dialog zu klären.»

Die Wohngemeinschaft habe beispielsweise beschlossen, kein Schweinefleisch mehr zu essen, weil einer der Jungen Muslim sei. «Das ist unser Beitrag an seine Religion. Er hat genug Beiträge, die er leisten muss, um sich bei uns zu integrieren.»

Schule und Berufsausbildung

In der Fussballwelt wird heute von den jungen Kickern neben der fussballerischen auch eine schulische und berufliche Ausbildung verlangt. Spieler, die im Fussballgeschäft keinen Erfolg hatten, müssen ins normale Berufsleben eingegliedert werden.

GC hat sich dazu als Partner die 2001 gegründete Privatschule United school of sports ausgesucht. Dort werden die jungen GC-Fussballer ausgebildet. Zur Zeit sind 75 Studierende eingeschrieben.

«Ich habe die Aufnahmeprüfung ins Gymnasium leider nicht bestanden», sagt der 15-jährige Frank Feltscher gegenüber swissinfo, der in der GC-U-15-Mannschaft spielt und in der 2. Sekundarschule ist. «Ich werde es nächstes Jahr wieder versuchen.»

Der Traum vom Fussballprofi

«Ich möchte gerne ein berühmter Fussballprofi werden. Ich will, dass mich jeder kennt», sagt Frank. Sein 16-jähriger Kollege Philip Jäckle bestätigt das: «Das ist das Ziel von jedem, der hier zur Schule geht.»

Dieser Traum vom Fussballprofi sei manchmal wirklich nur ein Traum, sagt Tobias Rohner, Leiter und Teilhaber der United school of sports, gegenüber swissinfo. In der Schweiz sei es extrem hart, dieses Ziel zu erreichen. Trotzdem sei Fussball zur Zeit am meisten an seiner Schule vertreten.

Die vom Staat anerkannte United bietet schulische und berufliche Ausbildung für Sporttalente ab dem 7. Schuljahr, Aus- und Weiterbildung für Sportprofessionals, Weiterbildung für Sportinvolvierte wie Eltern und Trainer sowie Sportausbildung im Bereich Kondition und Koordination.

Abhängigkeit von GC

Die Schulgelder kommen von den Eltern und den Sportvereinen, Verbänden und Sponsoren. «Staatliche Subventionen bekommen wir bisher nicht», bedauert Rohner, «auch wenn alle unsere Ausbildungen zu eidgenössisch anerkannten Abschlüssen führen.»

Die Zusammenarbeit mit GC bestehe darin, dass das Schulprogramm sehr eng mit dem Club koordiniert werde. «Die finanzielle Zusammenarbeit mit GC läuft so, dass der Club die Schüler in Sachen Schulgeld unterstützt», so Rohner.

Das bestätigt Eugen Desiderato, Leiter Public Relations/Information von GC gegenüber swissinfo. «Wir subventionieren die United school of sports in dem Sinn, dass wir unsere jungen Spieler dort hinschicken und die entsprechenden Kosten dafür übernehmen. Und ein Grossteil der Schüler dort sind GC-Spieler.»

Nachwuchs statt teure Transfers

«Wir wenden in der Schweiz am meisten Mittel für den Nachwuchs auf, im letzten Jahr zum Beispiel 4 Mio. Franken.» Aber auch andere Clubs kämen heute zur Überzeugung, dass man längerfristig mit dem eigenen Nachwuchs arbeiten müsse, erklärt Desiderato.

Im Fussball bewege man sich heute wirtschaftlich in einem sehr angespannten Umfeld. «Wir sind zur Überzeugung gekommen, dass diese teuren Spieler-Transfers nicht mehr finanzierbar sind. Deshalb haben wir die Nachwuchsarbeit intensiviert.»

Die Kritik, GC als finanzkräftiger Verein werbe so junge Spieler von finanziell weniger potenten Schweizer Clubs ab, weist Desiderato zurück: «Das kann sein, aber auch die anderen Clubs profitieren schliesslich von unserer Ausbildungsarbeit.

Wenn ein Spieler es nicht schaffe, ins Ausland zu gehen, dann bleibe er auf dem Schweizer Markt. Und dank der guten Ausbildung bei GC könne er auch selbst profitieren.

Und überhaupt, so ist Desiderato überzeugt, habe der Gewinn des Schweizer Fussballmeistertitels sicher etwas mit der Nachwuchsstrategie von GC zu tun.

swissinfo, Jean-Michel Berthoud

GC-Internat:

Seit September 2001, 12 Plätze für Jungfussballer im Alter zwischen 12 und 16 Jahren

United school of sports, Dietikon:

2001 gegründet, zur Zeit sind 75 Studierende eingeschrieben, vor allem Jungfussballer

Das GC-Internat Fahrweid befindet sich in unmittelbarer Nähe der United school of sports in Dietikon (ZH) und wird durch eine Internats-Leitung betreut. Angestrebt wird eine enge Zusammenarbeit zwischen Internatsführung und dem pädagogischen Leiter, der Schule (United school of sports), dem Sport und den Eltern. Entscheidungs-Prozesse über die Zukunft der Jugendlichen sollen auf dieser Zusammenarbeit beruhen.

Der Internatsbetrieb richtet sich nach den Bedürfnissen des Training- und Spielbetriebes von GC und den Rückkehr-Möglichkeiten der Jugendlichen in ihre Familien. Die Jugendlichen werden nicht nur im Fussball und in der Schule gefördert, sondern auch im Internat, d.h. im Alltagsleben. Auch die Planung und Förderung für die Zeit nach der Fussballkarriere ist GC ein Anliegen.

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