Der starke Mann hinter Roger Federer
Er ist der Schleifer, der die Nr. 2 des Welttennis fit macht: Der Schweizer Pierre Paganini. Dem Konditionstrainer verdankt Federer einen Grossteil seines Erfolges. swissinfo sprach mit Paganini, der auch Stanislav Wawrinka unter seinen Fittichen hat.
Am 19. Januar beginnt das erste Grand-Slam-Turnier des Jahres 2009: das Australian Open. Auch wenn Roger Federer nicht mehr die Nr. 1 des Welttennis ist, gehört er zu den Favoriten. Seine Vorbereitung sei ganz anders als vor einem Jahr, sagte Federer vor den Medien. «Ich fühle mich viel besser.»
Ein wichtiger Mann hinter Roger Federer ist der Waadtländer Konditionstrainer Pierre Paganini. Der gelernte Sportlehrer und Leichtathletik-Instruktor widmet sich über 200 Tage im Jahr seinen Schützlingen Federer und Wawrinka.
swissinfo: Was macht ein Konditionstrainer genau?
Pierre Paganini: Er ist verantwortlich für die physische Form eines Spielers. Ausdauer, Kraft, Wendigkeit, all diese Faktoren sind wichtig, sie müssen über das ganze Jahr trainiert werden. Zudem muss von Beginn weg ein Plan erstellt werden, um die langfristige Vorbereitung eines Athleten zu bewältigen.
swissinfo: Sie sind ehemaliger Leichtathlet und Fussballer und waren auch Leichtathletik-Instruktor. Wie sind Sie zum Tennis gekommen?
P.P.: Zuerst wollte ich Fussball-Konditionstrainer werden. Als Student wurde ich zufälligerweise mal angefragt, ob ich Konditionstrainer in einem Junioren-Tennisclub in Ecublens VD werden möchte.
Ich fand diese Sportart sofort faszinierend. Im Tennis kannst du nicht einfach nur brutal stark oder schnell sein, du musst versuchen, diese Kapazitäten dem Tennis unterzuordnen. Man muss kreativ sein auf dem Platz.
swissinfo: Was ist das Geheimrezept für Ihren Erfolg?
P.P.: Das müssen die anderen beantworten (lacht). Ich habe mich schon früh intensiv mit Tennis beschäftigt. Ich habe den Bezug zwischen dieser Sportart und den konditionellen Faktoren gesucht und habe dann über 100 Übungen entworfen mit einem direkten Bezug zwischen gewissen Bewegungsabläufen im Tennis und präzisen konditionellen Faktoren wie Ausdauer, Explosivität, Schnelligkeit.
swissinfo: Tennis ist ein Einzelsport. Sie gehören zum Team Federer – was heisst Teamarbeit für Sie?
P.P.: Ich arbeite mit Federer und Wawrinka. Wir haben ja bewiesen, dass Tennis eben auch Team-Sport sein kann. Das waren ganz grosse Emotionen, als die Beiden an den Olympischen Spielen in Peking die Goldmedaille im Doppel gewannen.
Aber Tennis ist eigentlich eine individuelle Sportart. Deshalb kann man ein Doppel nur dann gewinnen, wenn man sich füreinander einsetzt und nicht nur für sich selber. Auch im Davis-Cup ist Teamgeist sehr gefragt.
swissinfo: Hat sich etwas geändert in ihrer Zusammenarbeit mit Roger Federer, seit er keinen Tennis-Trainer mehr hat?
P.P.: Nein.
swissinfo: Profitieren Spieler und Trainer gegenseitig voneinander?
P.P.: Am Anfang war ich ja fast ein Ausländer im Tennis. Heute bin ich in dieser Tennis-Familie mehr oder weniger integriert, und das ist natürlich super. Dabei haben mir auch die Spieler geholfen. Ich habe zum Beispiel mit Marc Rosset 17 Jahre gearbeitet. Ich konnte ihm bestimmt etwas bringen, aber er hat mir auch etwas gebracht.
Als ich mit Roger Federer im Jahr 2000 angefangen habe, hatte ich schon Erfahrung gesammelt, mit vielen Spielern gearbeitet, mit Junioren, mit Profis. Diese Erfahrungen waren gut für mich, denn Federer ist schon eine unglaubliche Ausnahmeerscheinung. Weil er so viel Talent hat, ist vieles mit ihm zwar leichter, vieles aber auch viel schwieriger. Er muss viel komplexer trainieren, um sein Talent voll auszuschöpfen. Eine Herausforderung für mich, von der ich aber auch profitiere.
Auch Stanislas Wawrinka ist eine Herausforderung. Als Wawrinka im Juniorenalter war, glaubte niemand an ihn. Es ist phantastisch, was er jetzt schon erreicht hat.
swissinfo: Warum hat sich Wawrinka derart gut entwickelt?
P.P.: Weil er immer an sich geglaubt hat. Er wollte zeigen, dass er viel mehr wert ist, als man vor zehn Jahren gesagt hatte. Und bei Federer hat man vor zehn Jahren gesagt, oh, er hat so viel Talent, aber er gewinnt keine Matches. Er gewann sein erstes Grand-Slam-Turnier erst mit 22 Jahren. Andere, wie Boris Becker, haben dies schon mit 17 oder 19 erreicht. Auf Federer lastete also ein unglaublicher Druck. Für mich ist es faszinierend zu sehen, wie diese Spieler mit Druck umgehen.
swissinfo: Sehen Sie Ähnlichkeiten zwischen Wawrinka und Federer?
P.P.: (Lacht) Beide spielen Tennis. Es sind Individualisten, die aber zum Teamwork fähig sind. Beide halten besonders viel von Freundschaft, von Ehrlichkeit.
Wissen Sie, der Sport ist sehr egoistisch geworden. Manchmal wollte ich meinen Beruf nicht mehr ausüben. Was da auf der Tour zum Teil abläuft, hat nicht mehr viel mit Menschlichkeit zu tun. Da ist man sehr froh, dass es auch Spitzensportler gibt, die wirklich Menschen sind und nicht nur denken, ich will gewinnen und Geld machen, sondern ein grosses Herz haben. Federer und Wawrinka sind zwei solche Spieler.
swissinfo-Interview: Chihaya Koyama Lüthi
Geboren am 27. November 1957 in Zürich.
Eidg. Sportlehrerdiplom in Magglingen, bei Biel. Instruktor beim Schweizerischen Leichtathletikverband.
1985-1996 und 2002-2005: Headcoach für Kondition im nationalen Zentrum des Schweizerischen Tennisverbandes (Swiss Tennis) in Ecublens, bei Lausanne.
1985-2002: Konditionstrainer von Marc Rosset.
1987: Konditionstrainer von Manuela Maleeva.
1991-1995 und 2003-2008: Konditionstrainer vom Schweizer Davis-Cup-Team.
1992-1997: Projektleiter zur Förderung der jungen Tennistalente.
1994: Konditionstrainer von Magdalena Maleeva.
1996-2005: Auf WTA- bzw. ATP-Tour mit Magdalena Maleeva und Marc Rosset.
Ca. 2004-2006: Konditionstrainer von Ana Ivanovic.
Seit 2000 Konditionstrainer von Roger Federer und seit 2003 von Stanislas Wawrinka.
Die beiden Paganini-Schützlinge Roger Federer und Stanislas Wawrinka standen sich am Samstag im Final der Kooyong Classic in Melbourne gegenüber.
Federer besiegte seinen Teampartner, mit dem er letzten Sommer Olympiasieger im Doppel geworden war, klar mit 6:1, 6:3.
Das Einladungsturnier gilt als Vorbereitung für die Australian Open. Das erste der vier Grand-Slam-Turniere beginnt am Montag.
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