Der Tenniskönig, dem die Medien zu Füssen liegen
Sechster Sieg in Wimbledon, Weltrekord punkto Grand-Slam-Titel, wieder die Nr. 1: Roger Federer lässt in der Schweizer Presse eine Symphonie an Superlativen ertönen. Vor einem Jahr hatte es noch anders geklungen.
Letztes Jahr war er schon von vielen – vorschnell – abgeschrieben worden; die bitteren Niederlagen gegen Rafael Nadal am French Open in Paris und in Wimbledon wurden als Anfang vom Ende der Tennis-Regentschaft Federer gelesen.
Mit seinem Fünfsatz-Triumph über Andy Roddick hat sich der Basler am Sonntag auf dem heiligen Rasen von Wimbledon endgültig wieder in die Herzen der zweifelnden Journalisten zurück gespielt. «Nr. 1. Bester Spieler aller Zeiten», proklamiert der Blick.
Mit diesem «Sieg für die Ewigkeit» sei Federer definitiv auf dem Gipfel angelangt. «Wohin kann es von hier aus noch gehen? Normalerweise nur abwärts. Doch nicht für Federer», ist die Boulevardzeitung überzeugt.
Notstand an Superlativen
«Wille, Klasse und Glück»: Dies die Attribute, welche die Berner Zeitung dem König auf dem Court attestiert. Mit seinem 15. Grand-Slam-Titel sei er auf dem Olymp angekommen. «Trotzdem gibt es keine Garantie für weitere Grand-Slam-Titel – nicht nur, weil Rafael Nadal bald wieder ins Geschehen eingreift. Im Tennis kann alles sehr schnell gehen.»
«Ein König, 15 Kronen», titelt die Westschweizer Zeitung Le Temps. Mit seinem Palmarès sorge Federer für einen Notstand in Sachen Superlativen. «Dem Buch der Rekorde werden bald die Seiten ausgehen. So, wie einem die Worte fehlen, um Roger Federer zu feiern, der bereits mit seinem befreienden Sieg bei Roland Garros zum ‹grössten Spieler aller Zeiten› gekrönt wurde.»
Zum Geniessen
«Geniessen Sie Roger Federer», ruft die Basler Zeitung die Leserwelt auf. Den «schwer fassbaren Erfolg» sieht die BaZ als Summe von schweizerischen und unschweizerischen Tugenden: «Federer ist der Perfektionist, der alles kontrolliert, auf und neben dem Platz wie ein Uhrmacher dafür sorgt, dass jedes Rädchen in das nächste greift, kein Feder(er)chen aus der Reihe springt.»
Der Zürcher Tages-Anzeiger verleiht Federer die zusätzliche Krone des Topmanagers: «Der berühmteste Schweizer führte uns auf den grossen Tenniscourts vor, was gelungene Krisenbewältigung ist.» Er manage sein Talent meisterhaft und sei seinen Gegner mit seiner smarten Planung überlegen.
Les Absents ont tort
Auch für die Waadtländer Zeitung 24heures handelt es sich um einen Sieg der Sonderklasse. Dieser werde selbst durch die verletzungsbedingte Abwesenheit Rafael Nadals nicht geschmälert. «Der Spanier ist der grosse Abwesende, der seine überbeanspruchten Gelenke und seine schwankende Moral kurieren muss.»
Es sei nicht einfach, der Beste zu bleiben und seine Kompetitivität zu bewahren, während die anderen heiss darauf sind, die Nummer 1 zu schlagen.
Auch die Tribune de Genève widmet sich dem grossen Federer-Rivalen. «Der Spanier bezahlt jetzt die Rechnung für die höllischen Belastungen, denen er seinen Körper und insbesondere seine Knie auf seinem Weg ganz nach oben aussetzte.»
Als Federer vor einem Jahr durch Krankheit handicapiert gewesen sei, habe auch niemand ernsthaft Nadals Vorstoss auf die Spitzenposition in Frage gestellt, so die Tribune.
Nadals Absenz in London habe aber keineswegs bedeutet, dass der Schweizer ohne Konkurrenz geblieben sei. Andy Roddick habe sich als Gegner auf gleicher Höhe erwiesen. Der Amerikaner war laut der Tribune de Genève zwei Finger breit davon entfernt gewesen, Federers Traum zu zerstören.
Der Botschafter
Die Neue Zürcher Zeitung sieht im Basler weit mehr als den Besten der Tennisgilde. «Federer transportiert Werthaltungen, die unserem Land gut anstehen. Er arbeitet global und stützt sich dabei auf eine sehr stabile Zelle von engen Mitarbeitern.»
Mit seiner Mehrsprachigkeit stehe der Champ zugleich für kulturelle Vielfalt. «Mit dieser Aussenwirkung ist der Tennisstar zu einem der wichtigsten Schweizer Exportartikel geworden.»
Die Lobeshymnen ertönen auch in der internationalen Presse. Die spanische Zeitung El Pais krönt Federer zum «Champion aller».
«Roger Federer erobert sich seinen Platz in der Geschichte mit einem epischen Erfolg über Andy Roddick», titelt der Guardian mit leichter britischer Unterkühlung. In der Version des Pariser Le Monde tönt dies so: «Roger Federer gewinnt Wimbledon und tritt in die Geschichte ein».
«Auf seinem Marathon ist Federer nie aus dem Tritt gekommen», so die New York Times.
Renat Künzi, swissinfo.ch
Das Turnier in London ist das traditionsreichte der «Grossen Vier», dem Grand Slam.
2001 schlug Federer in Wimbledon im Achtelfinal Pete Sampras, nachdem dieser zuvor 31 Match-Siege in Serie erzielt hatte.
Mit seinem Sieg 2003 in Wimbledon stiess Federer neben Stefan Edberg, Pat Cash und Björn Borg in die Riege der wenigen Spieler vor, die das Turnier sowohl in der Junioren- als auch in der Elite-Kategorie gewonnen haben.
Federer hat das Herren-Einzel in Wimbledon fünf Mal hintereinander gewonnen (2003-2007). Besser als Federer waren nur noch Björn Borg, der sechs Mal gewonnen hatte und Pete Sampras mit sieben Wimbledon-Siegen.
2008 bezog er allerdings gegen den Spanier Rafael Nadal die bitterste Finalniederlage seiner Karriere.
Mit dem Gewinn 2009 hat sich Federer zum absoluten Tennis-König gekrönt: Er ist der erste Spieler überhaupt mit 15 Grand-Slam-Turniersiegen.
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