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Der Traum von der Ferne – aus der Nähe gesehen

Keystone

Ein Jahr lang hat das Schweizer Fernsehen Auswanderer mit der Kamera begleitet. Das Resultat ist in der Dokumentar-Serie "Auf und davon" zu sehen. Die erste der fünf Folgen wurde am 4. September ausgestrahlt.

Fahrt durch Bukavu. Im Autoradio werden die Nachrichten gesendet. Hans-Jörg Enz erzürnt sich: «Das stimmt doch nicht, was der Journalist erzählt. Und das ausgerechnet in meinem Radio.» – Enz bildet im Kongo Radiojournalisten aus.

«Der ehemalige Tagesschau-Moderator ist ein Sonderfall. Er ist der einzige Protagonist, der von Anfang an wusste, dass er nach zwei Jahren wieder zurückkommt», erzählt Gregor Sonderegger, der Produzent der Serie. «Er steht auch ein wenig für all die Leute, die in die Entwicklungshilfe gehen. Das ist ja eine schweizerische Tradition.»

Die andern sind als Paar oder als Familie ausgewandert und haben sich damit einen langjährigen Traum verwirklicht. Sie sind aus dem Arbeitsleben ausgestiegen oder umgestiegen oder haben ihren Lebensmittelpunkt an die Bedürfnisse ihres Arbeitgebers angepasst.

Sehnsucht, weit weg zu gehen

«Ich denke, wir haben ein repräsentatives Spektrum von Auswanderern gewählt, von der jungen Familie, die nach Australien auswandert, über Frühpensionierte, die sich auf einer Karibikinsel ein Haus bauen, die Aussteiger, die sich den Traum einer Farm in Kanada leisten bis zum Piloten, der mitsamt Familie seinem Arbeitgeber nach Dubai folgt», sagt Sonderegger.

«Dass wir niemanden haben, der nach Europa ausgewandert ist, ist vielleicht ein Mangel», sagt Sonderegger zum Einwand, dass die meisten auswandernden Schweizer in ein europäisches Land ziehen. «Wir finden aber, dass es attraktiver ist, wenn die Protagonisten auf der ganzen Welt verteilt sind. Das war auch ein Kriterium bei der Auswahl. Die grosse Sehnsucht vieler Leute ist es ja, weit weg zu gehen.»

Abgrenzung von deutschen Serien

Auf einen Aufruf des Schweizer Fernsehens meldeten sich mehr als 500 auswanderungswillige Schweizerinnen und Schweizer. «Wir haben dann bewusst Leute ausgewählt, von denen wir angenommen haben, dass sie das Leben im Ausland meistern. Wir wollten die Leute nicht vorführen, sondern wollten auch zeigen, wie sich das Leben im neuen Land entwickelt» so Sonderegger.

Damit spielt der Produzent auf die Auswanderungs-Serien deutscher Privatsender an, bei denen vielfach das Scheitern der Auswanderer im Zentrum steht. «Während dem Auswahlprozedere haben wir festgestellt, dass wir eine andere Kategorie von Auswanderern haben, als beispielweise Deutschland. Die Leute erfüllen sich einen Traum, den sie vorher genau abklären. Sie bereiten sich seriös vor. Es gibt wenige, die in ihrer Hoffnungslosigkeit darin ihre letzte Chance sehen.»

Ausschliesslich mit Handkamera

Die fünfteilige Serie folgt dem zeitlichen Ablauf. «Je ein Videojournalist hat die Protagonisten bei den letzten Umzugsvorbereitungen begleitet, ist mit ihnen an ihren neuen Wohnort gereist und hat sie anschliessend übers Jahr verteilt zwei bis drei Mal besucht», erzählt Sonderegger.

Die Videojournalisten arbeiteten mit einer kleinen Handkamera, ohne weitere technische Mittel. «Sie haben begleitend beobachtet, den Alltag der Leute gefilmt. Natürlich merkten die Protagonisten, dass eine Kamera da ist, das lässt sich nicht vermeiden. Wir haben jedoch sehr wenig interveniert und keine Interviews geführt, sondern höchstens mal eine Frage gestellt», erzählt Sonderegger.

Nah an den Leuten

Der Zuschauer wird unmittelbar Zeuge von Höhepunkten und auch von schwierigen Phasen im Leben der Auswanderer, von den ersten Momenten mit den Kindern in der neuen Wohnung oder am sonnigen Strand, aber auch von intimen Abschiedsszenen am Flughafen oder am verregneten Grab des verstorbenen Sohnes.

«Der Vorteil der begleitenden Beobachtung ist, dass man den Leuten sehr nahe kommt», sagt Sonderegger, «aber es ist kein analytisches Format. Man erfährt, wie Hans-Jörg Enz im Kongo lebt, aber es ist nicht ein Abriss über die Geschichte des Kongos.»

Andreas Keiser, swissinfo.ch

SF DRS strahlt die 1. Folge der Serie am Freitag, 4. September um 21.00 Uhr aus.

3sat wiederholt die Serie im Oktober/November und zwar ab an den Sonntagen 25.10., 08.11., 15.11., 22.11., 29.11., jeweils um 15.15 Uhr.

Knapp 670’000 Schweizerinnen und Schweizer leben im Ausland.

Zwei Drittel der Landsleute im Ausland leben in Europa.

Drei Viertel aller Auslandschweizerinnen und Auslandschweizer sind Doppelbürger.

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