Der Wunsch nach Selbstbestimmung: Wie Sterbehilfe bewegt
Die Freitodbegleitung gilt als ein kontroverses und auch sehr intimes Thema. Erlaubt die Sterbehilfe einen Tod in Würde oder führt sie unweigerlich in ein ethisches Dilemma?
Mit der Suizidkapsel «Sarco» ist das Thema der Sterbehilfe in den vergangenen Wochen wieder in den Vordergrund gerückt. Dabei handelt es sich um ein Hightech-Gerät, in welches man sich hineinlegen und dann per Knopfdruck selbst Stickstoff ausschütten lassen kann, wodurch man dann stirbt. Die Behörden in der Schweiz haben bisher die Zustimmung zu diesem Gerät verweigert.
Wenn eine schwer kranke Person sich dazu entscheidet, freiwillig aus dem Leben zu scheiden, hat sie meist eine lange und beschwerliche Reise hinter sich, Schmerzen, die für Aussenstehende nur schwer fassbar sind.
Wie schwer diese letzten Schritte sein können, zeigen zwei Reportagen von SWI swissinfo.ch: Reporterin Kaoru Uda hat zwei Schwerkranke aus Japan im Prozess des assistierten Suizids begleitet. Beide unheilbar krank, beide trotz Volljährigkeit vollständig abhängig von ihren Eltern.
Yoshi (Name geändert) und Aina meldeten sich beide bei der Sterbehilfe-Organisation Lifecircle in der Schweiz an. Während in ihrem Heimatland die Freitodbegleitung verboten ist, ist in der Schweiz die passive Sterbehilfe legal.
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Yoshi reist in die Schweiz und stirbt
Es sind zwei bewegende Schicksale mit vollkommen unterschiedlichem Ausgang. Während Yoshi, der an der Muskelkrankheit ALS litt, freiwillig aus dem Leben schied, entschied sich Aina im letzten Moment gegen den Suizid und kehrte mit ihrem Vater nach Japan zurück.
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Entscheid im Sterbezimmer
Suidzid als politisches Statement
Ein prominenter Fall des begleiteten Freitodes war jener des schweizerisch-französischen Filmemachers Jean-Luc Godard. Er gilt als einer der prägendsten Filmregisseure der Geschichte und entschied 2022, mit 91 Jahren freiwillig aus dem Leben zu scheiden.
Dies tat er in Rolle, im Kanton Waadt. «Wenn er zu krank sei, wolle er nicht in einer Schubkarre herumgeschoben werden, sagte er dem Westschweizer Radio und Fernsehen (RTS) in einem Interview kurz vor seinem selbstgewählten Lebensende.
Sein Tod kann durchaus als ein politisches Statement gelesen werden, da zu diesem Zeitpunkt in Frankreich eine intensive Debatte über Sterbehilfe geführt wurde.
Entscheidung im hohen Alter
2023 schieden mit Hilfe des Vereins Exit Deutsche Schweiz 1252 Mitglieder freiwillig aus dem Leben, 11 Prozent mehr als noch 2022. Das Durchschnittsalter lag bei den Frauen bei 80,7 Jahren, bei den Männern bei 79 Jahren.
In diesem Alter sind Menschen sehr oft auf Hilfe von aussen angewiesen, sei es durch die eigenen Verwandten oder in einem Pflegeheim. Doch was, wenn man, von Altersgebrechen geplagt, sterben möchte und es das Pflegeheim verbietet? Im Kanton Graubünden soll diese Frage in einem Gesetz geregelt werden:
Wunsch nach Selbstbestimmung
Bei der passiven Sterbehilfe geht es für die Betroffenen besonders um eines: Selbstbestimmung. Den Sterbenden diese Wahlfreiheit zu geben, das ist die Motivation, welche Alois Carnier antreibt.
Er ist Regionalleiter Ostschweiz bei Exit Deutsche Schweiz. Im Interview mit SRF spricht er darüber, welche Gefühle er hat, wenn er einem Patienten oder einer Patientin die Sterbemedikamente reicht und in welchen Fällen er den Freitodwunsch nicht genehmigen kann.
Dargebotene Hand, Tel. 143, (143.chExterner Link)
Online-Beratung für Jugendliche mit Suizidgedanken: U25-schweiz.chExterner Link
Angebot der Pro Juventute: Tel. 147, (147.chExterner Link)
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Breiter Konsens: Warum Suizidbeihilfe in der Schweiz normal ist
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