Die Bosse des Weltfussballs regieren aus der Schweiz
Nicht nur während der Euro 08 steht die Schweiz im Zentrum des runden Leders. Schon lange haben die zwei Führungsinstanzen des Fussballs, die FIFA und die UEFA, ihren Sitz in der Schweiz.
Viele Sportverbände haben sich hier niedergelassen, vor allem wegen der flexiblen schweizerischen Gesetzgebung. Den Anfang machte das Internationale Olympische Komitee.
Es ist kein Geheimnis: Seit mehr als fünfzehn Jahren ist die Schweiz das wichtigste Verwaltungszentrum des Weltsports.
Allein in der Region von Lausanne sind 23 Sportvereine zu Hause, etwa der Internationale Radsportverband (UCI), der Internationale Volleyballverband (FIVB) und der Internationale Schwimmverband (FINA).
Auch an andern Orten in der Schweiz haben sich rund zehn weitere internationale Sportverbände niedergelassen, so der Internationale Skiverband (FIS) in Oberhofen am Thunersee, der Internationale Eishockeyverband und der Weltfussballverband (FIFA) in Zürich, der Europäische Fussballverband (UEFA) in Nyon, Kanton Waadt, sowie der Internationale Basketballverband auf Genfer Boden.
Recht lässt viel Freiheit
Der Neuenburger Anwalt Denis Oswald, Präsident des Internationalen Ruderverbands (FISA) in Lausanne und Direktor des Internationalen Zentrums für Sportwissenschaft (CIES) in Neuenburg, hat folgende Erklärungen für diese Konzentration:
«Es gibt historische Gründe. Sicher trägt die Neutralität unseres Landes und die wirtschaftliche und politische Stabilität dazu bei. Zudem hat das Internationale Olympische Komitee (IOK) bereits seinen Sitz in der Schweiz – und die Steuerleichterungen sind sehr attraktiv.»
Der Hauptgrund aber liege in der Flexibilität der schweizerischen Gesetzgebung, die diesen Instanzen in Bezug auf Struktur, Organisation und Funktion viel Freiheit lasse.
Keine Steine in den Weg gelegt
Sobald in der Schweiz eine Gesellschaft ihre Statuten verabschiedet, ist sie existenzberechtigt. Dazu braucht sie weder eine Erlaubnis noch muss sie sich in irgendein Register eintragen. Auch wenn sie später die Statuten ändern möchte, werden ihr keine Steine in den Weg gelegt.
«Wenn sich diese Organisationen in der Schweiz niederlassen, überarbeiten sie ihre Statuten derart, dass sie als Gesellschaften ohne wirtschaftliches Ziel im Sinn von Artikel 60ff des Schweizerischen Zivilgesetzbuches gelten», sagt Jean-Loup Chappelet, Professor am Hochschulinstitut für öffentliche Verwaltung (IDHEAP) in Lausanne und Spezialist für das IOK und für sportliche Instanzen.
«Die Vielzahl der hier zu Lande niedergelassenen Verbände eröffnet neue Möglichkeiten, sich auf einfache Art und Weise zu begegnen und Informationen auszutauschen. Der Zeitgewinn ist enorm.»
Zentrum internationaler Beziehungen
Von dieser geographischen Nähe profitieren die Führungsinstanzen des Weltfussballs, zumal der Franzose Michel Platini – ehemaliger persönlicher Berater des FIFA-Präsidenten aus der Schweiz, Sepp Blatter – die Führung des Europäischen Fussballverbandes (UEFA) übernommen hat.
Die Neutralität der Schweiz war der ausschlaggebende Grund, dass die FIFA 1932, nach der Weltmeisterschaft in Uruguay, Zürich zu ihrem Hauptquartier erkoren hat.
«Die zentrale Lage der Schweiz im Herzen Europas und die Stabilität des Landes haben dabei eine entscheidende Rolle gespielt. Zudem war auch die Multikulturalität des Landes von grossem Nutzen bei der Rekrutierung von geeignetem Personal», sagt Andreas Herren, interimistischer Kommunikationsleiter der FIFA.
«Wir fühlen uns hier wohl, denn die Schweiz ist und bleibt ein Zentrum für internationale Beziehungen.» Ein Wechsel des Sitzes sei praktisch undenkbar, dazu bräuchte es eine Dreiviertelmehrheit der Stimmen.
Die UEFA
Die UEFA wurde während der Weltmeisterschaft 1954 gegründet und hatte ihren Sitz vorerst in Paris, dann in Bern. 1995 liess sie sich in Nyon am Ufer des Genfersees nieder.
«Die heutige Situation ist ausgezeichnet, die kantonalen Behörden zeigen sich äusserst flexibel und die Rahmenbedingungen sind sehr gut», freut sich Jean-Paul Turrian, Leiter der Abteilung Dienstleistungen bei der UEFA.
Der Erfolg der Champions League, die Vielzahl der Wettbewerbe und die daraus resultierende Zunahme von Sitzungen und Tagungen hätten es erfordert, die Organisation in der Nähe eines grossen Flughafens anzusiedeln (Nyon befindet sich ganz in der Nähe des internationalen Flughafens Genf-Cointrin), erklärt Turrian.
Professor Jean-Loup Chappelet hat eine prosaischere Version der Dinge: «Vor einem Spiel der Champions League mit Bernard Tapies Olympique Marseille sprach einst ein Berner Richter eine superprovisorische Verfügung aus», erinnert er sich. «Die Massnahme wurde schliesslich aufgehoben, trotzdem erachtete die UEFA die Verfahrensbedingungen im Kanton Waadt als einfacher und entschied sich deshalb zum Wegzug aus Bern.»
swissinfo, Mathias Froidevaux
(Übertragung aus dem Französischen: Christine Fuhrer)
Die Schweiz hat eine lange Tradition als Gastland für internationale Organisationen und Konferenzen.
Neben dem europäischen Sitz der UNO beherbergt Genf 22 internationale Organisationen. Die wichtigsten darunter sind das Internationale Komitee vom Roten Kreuz (IKRK), das Hochkommissariat für Flüchtlinge (UNHCR), die Weltgesundheitsorganisation (WHO), die Welthandelsorganisation (WTO).
In der Schweiz haben sich bis heute rund 30 Sportverbände niedergelassen. Im Vergleich dazu sind es in England, das diesbezüglich an zweiter Stelle steht, nur gerade sechs.
Allein in der Region Lausanne haben sich 23 Sportverbände niedergelassen, darunter das Internationale Olympische Komitee (IOK), das Internationale Sportschiedsgericht (TAS) und der Europäische Fußballverbänd (UEFA).
Die Region Lausanne beherbergt ausserdem die internationalen Sportverbände für Leichtathletik, Rudern, Baseball, Bob, Boxen, Kanu, Fechten, Schwimmen, Volleyball, Ringen, Motorrad und Rad .
Fünf Schweizer Bürger, die einen solchen Sportverband leiten, sind zudem Mitglied des IOK: René Fasel (Eishockey), Gian-Franco Kasper (Ski), Patrick Baumann (Basketball), Sepp Blatter (FIFA) und Denis Oswald (Ruderverband).
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