Die EU setzt auf Zentralisierung
Das neue Arzneimittelgesetz der EU zentralisiert das Zulassungsverfahren für neue Medikamente und legt im Blick auf die EU-Osterweiterung den Patentschutz verbindlich auf 10 Jahre fest.
Punkto Rezeptpflichtigkeit von Heilmitteln bleibt die EU ein juristischer Flickenteppich.
In der Europäischen Union (EU) wird die Zulassung von Medikamenten zentral von London aus geregelt. Die Europäische Heilmittelagentur EMEA mt Sitz in London prüft die Dossiers innerhalb von 210 Tagen.
Im Gegensatz zu den beiden EWR-Staaten Norwegen und Island ist die Schweiz nicht Mitglied der EMEA und kann den Entscheidungsprozess weder beeinflussen, noch direkt beobachten. Aus diesem Grund werden europäische Zulassungen von der Schweiz nicht anerkannt.
Umgekehrt anerkennt auch die EU keine Zulassungsentscheide der Schweiz. In der Regel kommen die EU und Schweiz jedoch zu identischen Schlüssen.
Das neue Zulassungsverfahren
Bisher war die Europäische Heilmittelagentur einzig für die Zulassung von Arzneimitteln zuständig, die mit biotechnologischen Verfahren entwickelt wurden.
Bei den nationalen Zulassungsstellen der einzelnen EU-Länder werden noch immer 40% der Medikamente angemeldet. Werden sie in mehr als einem EU-Land auf den Markt gebracht, gibt es ein System der gegenseitigen Anerkennung.
In Zukunft sollen nun alle innovativen Medikamente gegen Krebs, Aids, Diabetes, neurodegenerative Erkrankungen wie Alzheimer und alle Arzneimittel gegen seltene Krankheiten (Orphan Drugs) ausschliesslich von der Zentralstelle in London zugelassen werden. Es ist zudem vorgesehen, dass die Kompetenz der Londoner Behörde schrittweise alle vier Jahre um neue Indikationen erweitert wird – in einem nächsten Schritt um Viruserkrankungen und Immunschwächen.
Für viele mittelständischen Unternehmen bedeuten die Vorschriften der EMEA eine hohe Hürde, da Anträge in allen 13 Amtssprachen der EU übersetzt werden müssen.
Patentschutz auch im Osten
Der Patentschutz für neue Produkte wird in der EU generell auf zehn Jahre festgesetzt. Generikahersteller können aber künftig bereits nach acht Jahren, und nicht wie bisher erst nach 10 Jahren, mit der Vorbereitung des Zulassungsantrags beginnen.
Der Patentschutz lag bisher in Spanien und Irland bei sechs, in Grossbritannien und Deutschland bei zehn Jahren. In einigen Beitrittsländern gab es gar keinen Schutz vor Generika.
Mittelfristig strebt die EU eine europaweite Harmonisierung bei der Einstufung in rezeptpflichtige und rezeptfreie Heilmittel an. Der Anteil rezeptpflichtiger Arzneimittel schwankt gehörig: in Österreich beispielsweise liegt er mit über 60 Prozent weit höher als in der Schweiz (56%), in Frankreich (55%) oder Grossbritannien (34%).
Dieser «juristische Flickenteppich» sei mit dem gemeinsamen Binnenmarkt nicht zu vereinbaren, meint Paul Weissenberg, Binnenmarktdirektor der EU. Er gesteht aber auch ein, dass eine Harmonisierung zu einer strengeren Rezeptpflicht und damit zu steigenden Kosten führen könnte.
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