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Die Kantone reichen sich gegenseitig die «heisse Kartoffel» weiter

Die Westschweizer Kantone verlangen eine gerechtere Verteilung der afrikanischen Asylsuchenden auf die ganze Schweiz.

Nun werden die Deutschschweizer Kantone mit Menschen konfrontiert, die sie nicht verstehen. Die Spannungen steigen.

«Die Asylsuchenden aus afrikanischen Ländern südlich der Sahara sprechen meist Französisch. Deshalb bringt sie das Bundesamt für Flüchtlinge im Allgemeinen in der Westschweiz unter», erklärt BFF-Pressesprecher Dominique Boillat.

«Anfang Jahr verlangten diese Kantone aber, dass die Strategie überdacht wird und die vorgesehene gleichmässige Verteilung durchgesetzt wird. Wir müssen also nun die schwarzafrikanischen Asylsuchenden auf alle Schweizer Kantone verteilen.»

Gerechte Verteilung

Diese Information wird von Erich Dürst, dem Leiter der Abteilung für Asyl im Bevölkerungsamt des Kantons Waadt bestätigt:

«Aufgrund der Bundesstatistiken 2001 stellten mehrere Westschweizer Kantone fest, dass die Asylsuchenden aus bestimmten westafrikanischen Ländern sehr ungleich verteilt werden.

Über die Westschweizer Konferenz der Vorsteher der Justiz- und Polizeidepartemente haben die Kantone der Romandie deshalb nun eine gerechtere Verteilung dieser Leute auf die ganze Schweiz gefordert.»

Schwarze und französischsprachige Asylsuchende sollen also in Zukunft auf alle Regionen und Kantone, auch in der Deutschschweiz, verteilt werden. Dies schränkt aber die Chancen für ihre Integration ein.

Dies vor allem, weil sie von den Menschen in diesen Regionen oft abgelehnt werden.

«Es ist klar, dass der Schock in jenen Teilen der Bevölkerung, die sich nicht an Menschen anderer Hautfarbe gewöhnt sind, besonders gross ist», räumt Boillat ein.

Die ausgeprägten soziokulturellen Unterschiede zwischen den afrikanischen Asylsuchenden und den Einheimischen «heizen natürlich die Spannungen an, die Gefahr von Entgleisungen wächst».

Rassistische Post

In einem sind sich viele einig: Die Zeichen einer zunehmenden Fremdenfeindlichkeit in der Schweiz sind nicht mehr zu übersehen. Das Klima ist sehr angespannt.

«Es stimmt, wir erhalten immer mehr Briefe mit eindeutig rassistischen Aussagen, namentlich gegenüber Schwarzen», bestätigt Boillat.

Das ist neu. «Wir müssen leider feststellen, dass die Hemmungen vielerorts fallen.»

Die Situation ist umso komplexer, als nicht nur die Bevölkerung ihre «Unzufriedenheit» ausdrückt.

Auch die Kantonsbehörden wehren sich. Einige Kantone sprechen von den Integrationsschwierigkeiten der Asylsuchenden aus der Sahelzone und verlangen, dass ihnen weniger schwarze Asylsuchende zugeteilt werden.

Die Deutschschweizer Kantone protestieren

«Der Kanton Zürich hat offiziell protestiert», erklärt Boillat. Und Zürich ist nicht der einzige.

Andere Kantone tun es vielleicht etwas informeller. Doch auch sie versuchen, «direkt Druck auf die Angestellten im Bundesamt für Flüchtlinge auszuüben».

Das BFF sieht sich also mit einem gewaltigen Problem konfrontiert. Dies umso mehr, als die Zahl von Asylsuchenden aus der Sahelzone in den letzten zehn Jahren zugenommen hat.

Von rund 8000 im Jahr 1992 stieg sie auf 17’000 Ende September 2002.

«Diese schwarze Bevölkerung macht aber nur einen Viertel aller Asylsuchenden oder Personen mit einer provisorischen Aufenthaltsbewilligung in der Schweiz aus», betont Boillat.

«Im Übrigen stellt diese Bevölkerungsgruppe im Allgemeinen keine besonderen Integrationsprobleme. Mit Ausnahme von einigen hundert, allerhöchstens tausend jungen Drogendealern.»

swissinfo, Vanda Janka

Die Westschweizer Kantone sprechen namentlich von der Schwierigkeit, die Rücksendung abgewiesener Asylsuchenden aus den afrikanischen Ländern südlich der Sahara durchzusetzen.

Sie bringen auch die Risiken vor, welche diese Bevölkerungsgruppen mit sich bringen. Denn unter jungen, ledigen Asylsuchenden ist eine höhere Straffälligkeit festzustellen, unabhängig von ihrer Herkunft oder Hautfarbe.

Und auf die meisten Asylsuchenden aus der Sahelzone treffen eben diese Kriterien zu.

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