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Die Krux mit der Verwahrung

Die Initiative verlangt die lebenslange Verwahrung extrem gefährlicher Straftäter. Keystone

Die grosse Parlamentskammer verlangt ein Gesetz zur Umsetzung der Verwahrungs-Initiative. Sie lehnte es ab, wegen rechtlicher Bedenken auf ein solches zu verzichten.

Der Volkswille sei höher zu gewichten als eine mögliche Verletzung internationalen Menschenrechts. Bloss: konkret wird sich das Parlament erst nach den Wahlen mit der heiklen Frage befassen.

Der Entscheid für Eintreten auf das Gesetz über die lebenslängliche Verwahrung extrem gefährlicher Straftäter fiel mit 103 zu 79 Stimmen.

Die Kommissions-Minderheit wurde in der Debatte vor allem von der Schweizerischen Volkspartei SVP, der Christlichdemokratischen Volkspartei CVP und den beiden Kleinparteien EVP/EDU unterstützt.

Sie forderte, den Volkswillen trotz Bedenken wegen Verstössen gegen die Europäische Menschenrechts-Konvention (EMRK) umzusetzen. Die Landesregierung und der Ständerat, die kleine Kammer, hätten den schmalen Pfad zwischen Menschenrechts-Konformität und einer möglichst korrekten Umsetzung des Volkswillens gut getroffen, sagte Ruedi Aeschbacher von der Evangelischen Volkspartei (EVP).

Wenn sich das Parlament jetzt drücke und die heiklen Interpretationsentscheide den Gerichten überlasse, sei eine jahrelange Rechtsunsicherheit die Folge. Das Parlament müsse also seine in diesem Fall unangenehme Pflicht wahrnehmen und ein Gesetz erlassen, sagte Norbert Hochreutener (CVP).

Volksrecht gegen Völkerrecht

Auch Justizminister Christoph Blocher kämpfte für seinen Entwurf. Er verteidigte ihn als völkerrechtskonform. Den Willen des Volks als oberste Instanz gewichte er zudem höher als Expertenmeinungen, sagte er.

Erneut verwies Blocher auch auf seine vor einiger Zeit lancierte Kritik, wonach immer häufiger leichtfertig Volksrecht mit Verweisen aufs Völkerrecht blockiert werde. Für Verbesserungsvorschläge am Gesetzesentwurf sei er offen, sagte der Justizminister. Dazu aber müsse der Rat auf die Vorlage eintreten.

Einige Anhänger der Kommissionsminderheit argumentierten auch mit dem Leid der Opfer, so etwa SVP-Präsident Ueli Maurer oder Christian Waber von der Eidgenössisch-Demokratischen Union (EDU), der vor falscher Barmherzigkeit warnte.

Widerspruch zur EMKR

Mit Unterstützung aus den Reihen der Freisinnigen setzte sich die Ratsrechte schliesslich durch. Die unterlegene Kommissionsmehrheit hatte ihren Nichteintretensantrag mit dem Dilemma begründet, entweder gegen den Volkswillen oder gegen Völkerrecht zu verstossen.

Weil im Verfassungsartikel bei nicht therapierbaren und extrem gefährlichen Sexual- und Gewaltstraftätern kein grundsätzliches Recht auf Überprüfung des Freiheitsentzugs vorgesehen sei, bestehe ein Widerspruch zur EMRK.

Umgekehrt höhle der Entwurf des Bundesrats aber auch den Volkswillen aus, erklärten Vertreter der Kommissionsmehrheit. Beides wollten sie nicht und stattdessen die Auslegung den Gerichten überlassen. Der Artikel werde ohnehin selten zur Anwendung kommen, sagte der Sozialdemokrat Andrea Hämmerle.

Teilweise klang bei den Gegnern eines Gesetzes Bedauern darüber durch, dass die Verwahrungs-Initiative seinerzeit nicht für ungültig erklärt worden war, wie das beantragt wurde. Der Bundesrat hatte damals argumentiert, eine Volksinitiative könne nur ungültig sein, wenn sie zwingendem Völkerrecht widerspreche. Das sei hier nicht der Fall.

Das Geschäft geht nun nach dem Eintretensentscheid nochmals zurück an die Rechtskommission.

swissinfo und Agenturen

Im Februar 2004 hat das Schweizer Stimmvolk die Verwahrungs-Initiative mit einem Ja-Stimmenanteil von 56,2% angenommen.

Für eine lebenslange Verwahrung muss sich das Gericht auf die Gutachten von mindestens zwei erfahrenen und voneinander unabhängigen Sachverständigen stützen.

Der Deliktskatalog führt abschliessend auf: Mord, vorsätzliche Tötung, schwere Körperverletzung, Raub, Vergewaltigung, sexuelle Nötigung, Freiheitsberaubung oder Entführung, Geiselnahme, Menschenhandel, Völkermord oder Verletzung des Völkerrechts in bewaffneten Konflikten.

Die Frage ist in einem direktdemokratischen Land wie der Schweiz von einiger Brisanz: Darf sich ein Volksentscheid über internationales Recht hinwegsetzen?

Justizminister Blocher hat kürzlich davor gewarnt, die Volksrechte leichtfertig durch übergeordnetes internationales Recht zu ersetzen. Er hat sich damit harsche Kritik von Rechtsgelehrten eingehandelt, die argumentieren, die Schweiz könne sich dem Völkerrecht gar nicht entziehen.

Nach der Prüfung der Verwahrungs-Initiative hatte das Parlament zwar erkannt, dass der Text unvereinbar mit der europäischen Menschenrechts-Konvention sein dürfte.

In Anbetracht der emotionalen Stimmung zu diesem Thema verzichtete es aber darauf, die Initiative für ungültig zu erklären.

Die Frage könnte sich erneut stellen, sollte die Initiative der Schweizerischen Volkspartei (SVP) zu Stande kommen, die dem Volk das letzte Wort bei Einbürgerungen geben will.

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