Die Probleme des Thunersees werden ausgelotet
Wissenschafter haben eine auf fünf Jahre angelgte Studie begonnen, um die Ursache für die Missbildungen bei den Thunersee-Felchen herauszufinden.
In einer ersten Phase wird das Seewasser auf Spuren von Metallen, insbesondere TNT untersucht. Allfällige TNT-Konzentrationen wären ein starkes Indiz dafür, dass vor Jahrzehnten versenkte Munition zu lecken begonnen hat.
Beim geringsten Anzeichen für ein Munitionsleck werden Armee-Taucher zum Unterwasser-Schrottplatz abtauchen und ihn genauer unter die Lupe nehmen.
«Seit den frühen 90er Jahren wurde die versenkte Munition nicht mehr fotografiert», gestand Ueli Ochsenbein vom kantonalen Gewässerschutz. «Zudem waren die letzten Aufnahmen von so schlechter Qualität, dass kaum auszumachen war, was sich dort unten effektiv abspielt.»
Peter Friedli vom kantonalen Fischerei-Inspektorat wird inzwischen versuchen, mögliche Ursachen für die Missbildungen zu erhärten oder auszuschliessen.
«Wir werden Fischbrut aus dem Thunsersee in anderen Schweizer Seen aussetzen und ihr Wachstum genau verfolgen. Umgekehrt werden Jungfische aus nicht betroffenen Seen in den Thunersee gebracht, um zu sehen, ob sie in der Folge ähnliche Missbildungen entwickeln wie die heimischen Fische.»
«Wir müssen herausfinden, was den Thunersee von anderen Schweizer Seen unterscheidet», erklärte Friedli.
Weiterer Verdacht
Während sich der Hauptverdacht gegenwärtig auf die alternde Armeemunition konzentriert, wollen Friedli, Ochsenbein und Hans Stucki vom VBS die Sprengungen im Kandertal für die neue Alpentransversale der Eisenbahn als mögliche Ursache nicht zum vornherein ausschliessen.
«Der Bau des Tunnels begann 1999», erläutert Friedli. «Die Kander mündet in den Thunersee und die ersten Missbildungen an Fischen wurden 2000 festgestellt.»
Fischfang mit Hoffnung
Für Fischer wie Alex Schwab sind fünf Jahre Forschung und die damit verbundene Ungewissheit eine lange Zeit. Er zöge es vor, dass sich die Armee unverzüglich an die Bergungsarbeiten macht.
«Sogar wenn die Munition nicht die Ursache des Fischproblems ist. Tatsache ist, Bomben und Patronen haben dort unten nichts zu suchen. Die Armee könnte dabei etwas für ihr Image tun und sich als handlungsfähige Institution im besten Licht präsentieren. Ich denke, sie wissen mittlerweile, dass sie ein Riesenproblem haben. Jetzt müssen sie nur noch merken, dass sie keine Zeit verlieren dürfen.»
Inzwischen fischt Schwab im, seiner Ansicht nach, schönsten Schweizersee weiter und lässt sich, wie er uns versicherte, seinen Fang weiterhin munden.
«Ich stehe nach wie vor dazu: Thunersee-Felchen sind die besten Felchen der Welt und ich esse sie weiterhin – esse sie hoffnungsvoll, sozusagen.»
swissinfo, Imogen Foulkes, Thun
(Übertragung aus dem Englischen: Dieter Kuhn)
Seit dem Jahr 2000 werden im Thunsersee Fische mit Missbildungen gefunden. Heute weisen rund 70% der Thunsersee-Felchen solche Abnormitäten auf.
Zwischen 1947 und 1963 versenkte die Schweizer Armee auf einer Fläche von 4 km2 3000 Tonnen Munition im Thunersee.
Eine auf fünf Jahre angelegt Studie soll die Ursachen für diese Veränderungen ermitteln.
Der Thunersee versorgt mehrere hunderttausend Bewohner im Kanton Bern mit Trinkwasser.
Wasser- und Fischexperten betonen, dass die Missbildungen bei den Fischen und die möglicherweise damit verbundene Gewässerverschmutzung für die Menschen gegenwärtig kein Risiko darstellen.
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