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Die Schweiz bereitet sich auf den schlimmsten Fall vor

Sitz des Verbindungsbüros, der 2001 eröffneten diplomatischen Vertretung der Schweiz in Bagdad. Keystone

Die Schweiz hofft immer noch auf eine friedliche Lösung des Irak-Konflikts. Dennoch bereiten die Behörden ein Sicherheits-Dispositiv vor.

Dabei sind auch Massnahmen für Schweizer Bürgerinnen und Bürger im Krisengebiet geplant.

«Wir wollen nicht fatalistisch sein und hoffen weiterhin, dass ein Krieg im Irak verhindert werden kann», sagt Christoph Geiser von der Direktion für Zusammenarbeit und Entwicklung (DEZA) gegenüber swissinfo.

«Dennoch bereiten wir für alle Eventualitäten ein Sicherheits-Dispositiv vor», erklärt Geiser. Die DEZA ist seit 1993 im Irak tätig.

Mit dem Irak-Konflikt befassen sich Krisenstäbe auf drei verschiedenen Ebenen, in denen die drei Departemente für auswärtige Angelegenheiten (EDA), Verteidigung, Bevölkerungsschutz, Sport (VBS) sowie Justiz- und Polizei (EJPD) vertreten sind.

Geheimsache innere Sicherheit

Zu den Sicherheitsmassnahmen in der Schweiz ist von Behördenseite nicht viel zu erfahren. Geheimhaltung wird gross geschrieben, insbesondere was die Vorkehrungen zur Verhinderung von Terroranschlägen in unserem Land betrifft.

«Wir machen keine Angaben, damit unsere Pläne nicht kompromittiert werden», sagt EJPD-Sprecherin Danièle Bersier gegenüber swissinfo. «Wir können nur sagen, dass die Sicherheitsmassnahmen bereits nach dem 11. September 2001 verstärkt wurden, und das in Zusammenarbeit mit den Kantonen.»

Kleine Schweizer Kolonie im Irak

Im Irak lebt eine sehr kleine Schweizer Kolonie, wovon die meisten in einer offiziellen Funktion dort sind. Nach Angaben von Botschafter Peter Sutter, seit September letzten Jahres Chef der Politischen Abteilung 6 und des Auslandschweizerdienstes im EDA, sind das zum einen die zwei noch verbleibenden Leute in der Schweizer Botschaft. Diese hat wegen politischer Gründe allerdings nicht ganz den Rang einer Botschaft.

Ferner befinden sich eine Anzahl Delegierter des Internationalen Komitees vom Roten Kreuz (IKRK) sowie ein DEZA-Koordinator in dem Land. «Dann gibt es noch eine ganz kleine Zahl von schweizerisch-irakischen Doppelbürgern, zum grössten Teil Schweizerinnen, die mit Irakern verheiratet sind», präzisiert Sutter gegenüber swissinfo.

Der «Sonderstab Krisenfälle» der Politischen Abteilung 6 muss jetzt genau wissen, welche Schweizerinnen und Schweizer sich im Irak aufhalten und wie man mit ihnen kommunizieren kann. Diskutiert wird auch, wie die Botschaft der Schweizer Gemeinde beistehen kann, «vor allem mit Rat, dann aber auch unter Umständen mit Tat».

Empfehlungen, aber kein Schutz

Es sei allerdings so, betont Sutter, dass die Auslandschweizer zunächst einmal in der Obhut des Residenzlandes stehen. «Wir können, um ehrlich zu sein, unsere Mitbürgerinnen und Mitbürger nicht schützen.»

Man könne wohl Empfehlungen abgeben. Es würden verschiedene Szenarien überlegt. Im Kriegsfall habe das Schweizer Aussenministerium nur über seine zwei Mitarbeiter in Bagdad zu befinden. «Da müssen wir dann im gegebenen Moment eine Entscheidung fällen», so Sutter.

Gegebenenfalls würden die drei Vertreter des Bundes in Bagdad wahrscheinlich evakuiert werden. Im ersten Golfkrieg 1991 war die Schweizer Botschaft während der US-Bombardierungen in Bagdad geschlossen worden. Die Kontakte mit den irakischen Behörden hielt die Schweiz via ihre Botschaft in Jordanien aufrecht.

Lediglich das IKRK würde im Kriegsfall an Ort bleiben, solange die Situation dies erlaubt. Das war auch 1991 so.

Keine Empfehlungen für Nachbarländer

Abgesehen vom Irak gehe man davon aus, dass auch Nachbarländer in Mitleidenschaft gezogen werden könnten. Aber die Auswirkungen eines solchen «spill over» sollten sich in engen Grenzen halten.

«Deshalb haben wir uns bis jetzt nicht veranlasst gefühlt, eine generelle Empfehlung zu geben, diese Länder zu verlassen», so Botschafter Sutter.

In den umliegenden Ländern Jordanien, Saudiarabien und den anderen Golfstaaten leben laut Sutter in der Regel kleinere Schweizer Kolonien, zwischen einigen Dutzend bis 100.

Im Libanon sind es, Doppelbürger mitgezählt, über 500 Schweizerinnen und Schweizer. Ganz anders in Israel: Dort befinden sich 8000 Doppelbürger und 2300 Schweizerinnen und Schweizer.

Auch in einem Land wie Israel, das in einem allfälligen Irak-Krieg als gefährdet gilt, habe man bisher keine spezifischen Empfehlungen gegeben. «Wir gehen davon aus, dass die Leute die Zeitung lesen. Da muss jeder mit sich selbst abmachen, ob er angesichts der gespannten Situation das Land verlassen möchte oder nicht», sagt Sutter.

Botschaften müssen weiter funktionieren

Es könne sich sehr wohl das wiederholen, was man beim letzten Golfkrieg gesehen habe: «Es gab damals in den umliegenden Ländern zum Glück praktisch keine zivilen Opfer zu beklagen. Wir sehen also jetzt und auch in der Zukunft, denke ich, hier keinen Grund, eine Empfehlung abzugeben, das Land zu verlassen. Und das gilt für alle Anrainerstaaten.»

Die Schweizer Vertretungen in diesen Ländern würden auch im Kriegsfall weiter funktionieren, denn es blieben ja sehr viele Schweizer dort, «in Israel mindestens 90 Prozent der Leute». Selbstverständlich brauche es da eine operationelle Botschaft, um die Schweizer Kolonien in den Nachbarstaaten Iraks betreuen zu können, erklärt Botschafter Sutter.

swissinfo, Jean-Michel Berthoud und Armando Mombelli

Schweizer Gemeinschaft in der Region (aktuell):
Irak: Rund 20 Personen (3 Behörden-Vertreter, einige IKRK-Delegierte, kleine Zahl von schweizerisch-irakischen Doppelbürgern)
Jordanien, Saudiarabien und andere Golfstaaten: Einige Dutzend bis 100
Libanon: Über 500 (inklusive Doppelbürger)
Israel: 2300 Schweizer und 8000 Doppelbürger

Für die Schweizer Kolonien im Irak und in den umliegenden Ländern hat die Schweiz Sicherheitsmassnahmen vorbereitet. Im Irak selber lebt lediglich eine kleine Schweizer Gemeinschaft, wovon die meisten in einer offiziellen Funktion dort sind. Beim Rest handelt es sich vor allem um Schweizerinnen, die mit Irakern verheiratet sind. Diese stehen unter der Obhut des Residenzlandes, deshalb können sie nicht geschützt werden.

Im Kriegsfall würden die offiziellen Schweizer Vertreter wahrscheinlich evakuiert, die IKRK-Delegierten würden bleiben, solange es geht. Bern sieht sich bis jetzt nicht veranlasst, der Schweizer Gemeinschaft in den umliegenden Ländern, auch in Israel, Empfehlungen zum Bleiben oder Gehen abzugeben. Die Schweizer Missionen in diesen Ländern müssen auch im Kriegsfall funktionieren.

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