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Die Schweiz nimmt Platz in der Welt

Die Schweizer Delegation auf dem Weg von Beobachterin zu Mitglied. Keystone

Zwischen Schweden und Syrien hat die Schweiz ihren Platz als vollwertiges Mitglied der Vereinten Nationen eingenommen.

Nach Jahrzehnten als Beobachterin versprach sie der UNO eine aktive Mitarbeit in der Weltgemeinschaft.

«Die Schweizer sind da. Wir haben lange gewartet», scherzte UNO-Generalsekretär Kofi Annan beim Aufzug der Schweizer Fahne unter den übrigen 189 vor der UNO in New York. Annan hiess die Schweizerinnen und Schweizer in allen vier Landessprachen willkommen.

Friede, Demokratie und Menschenrechte

«Die Schweiz ist ein lebhaftes Beispiel für das, was auch die UNO anstrebt. Eine friedliche, multikulturelle Gesellschaft, die auf starken demokratischen Prinzipien fusst», erklärte Annan an seiner Rede vor der grossen Menschenmenge, die dem Hissen der Fahne beiwohnte.

«Der heutige Tag ist nicht nur für die Schweiz ein Tag der Freude, sondern für die gesamte Familie der Nationen», fügte er hinzu.

Nicht länger auf der Beobachterbank

Kurz zuvor hatte die UNO-Generalversammlung zum Auftakt der 57. Session die Schweiz ohne Gegenstimme – mit Akklamation – als 190. Mitglied aufgenommen.

Auffallend waren die überschwänglichen Voten der Regionalgruppen: Alle verwiesen auf die wichtige Rolle, welche die Schweiz im humanitären Bereich spiele, der Name Henri Dunants, respektive des Internationalen Komitees vom Roten Kreuz, wurden wiederholt genannt.

Die Schweizer Delegation wurde danach von ihren Plätzen auf der Beobachterbank ins Plenum eskortiert, wo sie ihre Sitze zwischen Schweden und Syrien einnahm.

Dabei winkten Bundespräsident Kaspar Villiger und Aussenminister Joseph Deiss den Delegierten unter dem Applaus im Saal gutgelaunt zu.

Souveräner Bundespräsident – notfalls auch unbequem

In der ersten Schweizer Rede als Mitglied wandte sich der Bundespräsident in Französisch, Deutsch und Italienisch an die Generalversammlung und bekräftigte, dass die Schweiz entschlossen sei, eine aktive, wenn nötig auch unbequeme Rolle zu spielen.

Kaspar Villiger wirkte souverän und erwähnte auch die drängenden Probleme der Weltgemeinschaft: Wohlstandsunterschiede, Gewalt statt Recht, Millionen von Flüchtlingen, Umwelt und Terror.

Villiger bekräftigte in seiner Rede weiter, dass die Schweiz der UNO als neutraler Staat beitritt und auch neutral bleiben wird.

Diese Frage ist vielen Menschen in der Schweiz weiterhin ein zentrales Anliegen. Nicht zuletzt jenen Bürgerinnen und Bürgern, die sich in der Volksabstimmung gegen den Beitritt ausgesprochen hatten.

Nun vereint zu alten Zielen

Villiger machte auch klar, dass sich die Schweiz nicht an allfälligen friedenserzwingenden Operationen beteiligen werde. «Sie wird aber zur Verfügung stehen, wo es um humanitäre oder friedenserhaltende Einsätze geht.»

Der Bundespräsident unterstrich, auf die Unter-Organisationen der UNO verweisend, dass die Schweiz schon lange eng mit den Vereinten Nationen zusammenarbeite.

Die Vollmitgliedschaft, ein wichtiger Schritt, werde an den Zielen der Schweiz, die dieselben seien wie jene der UNO, nichts ändern. Aufgrund ihrer direkten Demokratie bleibe sie ein Sonderfall. Das Land erhalte aber neue Möglichkeiten, seine Aussenpolitik zu verfolgen.

Schweiz sei keine Insel

«Das ist einer der wichtigsten Momente meines Lebens», sagte der Bundespräsident kurz vor der Versammlung zu swissinfo.

«Wir sind auf dieser Welt keine Insel», so Villiger. «Wir haben alles Interesse daran, zum Rest der Welt zu gehören.»

Und immer wieder betonte er: «Allem voran bin ich stolz, dass das Schweizer Volk in einer Abstimmung beschlossen hat, den Vereinten Nationen beizutreten.»

Die Schweizer Delegation in New York unterstrich denn auch, dass das Land zwar eines der letzten sei, das zur UNO stosse. Andererseits aber das bisher einzige, bei dem das Volk entschieden habe.

Keine überbordenden Feiern

Auch Aussenminister Joseph Deiss sprach von einem wichtigen Tag für unser Land. Und zudem sei der Beitritt auch ein Gewinn für die UNO: Dank der reichen Erfahrung der Schweiz in Bereichen wie den Menschenrechten, dem humanitären Völkerrecht oder der nachhaltigen Entwicklung.

Trotz Freude und Befriedigung bei der ganzen Delegation gab es anschliessend keine grossen Feiern. Denn in New York dominiert das Gedenken an die Terroranschläge vom vergangen 11. September.

Dennoch zeigte die Stadt New York eine Geste an das neue UNO-Mitglied: Das Empire State Building leuchtete in der Nacht auf Dienstag statt in seinem üblichen blau, weiss und rot zu Ehren der Schweiz in weiss und rot.

Geschenk an die UNO

Es ist Tradition, dass neue Mitgliedstaaten beim Beitritt ein Geschenk überreichen. Die Schweiz beschloss, der UNO die Renovation jener Räumlichkeiten zu schenken, in denen sich die Staats- und Regierungschefs auf ihren Auftritt vor der Generalversammlung vorbereiten.

Neugestaltung, Möblierung und Dekoration sollen modern und funktionell sein – und damit in ihrem Erscheinungsbild die Schweiz repräsentieren.

swissinfo, Rita Emch, New York

1945: Gründungsakt der Vereinten Nationen in San Francisco.
1946: Völkerbund wird aufgelöst; Völkerbunds-Palast in Genf wird Europasitz der UNO.
1986: Das Stimmvolk verwirft den UNO-Beitritt mit grosser Mehrheit (75%). Auch alle Kantone sagen Nein.
1998: Neue Beitritts-Initiative lanciert.
2002: 3. März: Volk und Stände sagen (knapp) ja zum UNO-Beitritt.

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