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Die Tage der giftigsten Pestizide sind gezählt

Keystone

In der Schweiz werden derzeit die neuen europäischen Richtlinien für Pestizide geprüft. Obwohl hierzulande Rückstände von Schädlingsbekämpfungsmitteln in Agrarprodukten im internationalen Schnitt liegen, gibt es trotzdem Klagen.

Die Europäische Union verlangt präzise Richtlinien für die chemische Bekämpfung von Schädlingen. So nahm das EU-Parlament in diesem Frühjahr mit grosser Mehrheit eine grosse Gesetzesänderung in den Bereichen Bewilligung, Verkauf und nachhaltiger Nutzung von Pestiziden an.

Zur Bekämpfung von schädlichen Auswirkungen auf Pflanzen und Insekten verlangt die neue Richtlinie eine Förderung des ökologischen Landbaus und integrierte Pflanzenschutzmassnahmen, wie zum Beispiel ein besserer Einsatz der Fruchtfolge.

Die Richtlinie beinhaltet auch ein Verbot von sehr giftigen Stoffen, vor allem jener, die krebsfördernd oder erbgutverändernd sind oder Auswirkungen auf die Fortpflanzung haben. Sie verpflichtet die Mitgliedsstaaten sicherzustellen, dass die Verwendung von Pestiziden minimiert, oder in gewissen öffentlichen Bereichen, auch verboten wird. (Siehe Kasten rechts)

«Im Wesentlichen», erklärt Fabio Cerutti vom Bundesamt für Landwirtschaft (BLW), «werden die Mitgliedsländer dazu ermutigt, Projekte zu fördern, welche die Risiken bei der Verwendung von Pestiziden verringern.»

Das europäische Parlament wolle diese Produkte nicht nur limitieren, sondern auch ihren Einsatz optimieren, unter Beachtung aller notwendigen Vorkehrungen.

Ökologische Beiträge

Die Landwirtschaft ist einer jener Bereiche, über den die Schweiz und die Europäische Union ihre gegenseitigen Beziehungen definieren. Im November des vergangenen Jahres begannen Verhandlungen zu einer Liberalisierung des Handels in der Agrar- und Ernährungswirtschaft. Ziel ist ein umfassendes Abkommen für die gesamte Branche, vom Düngemittel bis zum Endprodukt.

«Der Bund versucht, die Hindernisse beim Austausch von Waren zu minimieren. Deshalb setzen wir uns auch ein für die Harmonisierung der Rechtsvorschriften über die Zulassung von Pflanzenschutzmitteln», sagt Cerutti.

Zum Entwurf des Gesetzes über den nachhaltigen Einsatz von Pestiziden äussert sich die Schweiz eher vorsichtig. «Wir müssen erst mal beraten, wie wir uns zu den Vorschlägen des Europäischen Parlaments stellen, denn im Moment arbeiten wir bereits an Programmen und operationellen Instrumenten, um die uns andere Länder beneiden.»

Das System der landwirtschaftlichen Direktzahlungen hält Schweizer Landwirte und Viehzüchter dazu an, zum Beispiel die biologische Vielfalt zu erhalten und zu erhöhen, sowie den Einsatz von Pestiziden, wie auch die Verwendung von Phosphor, Nitraten und Dünger zu begrenzen.

«Die Hälfte des Getreides in der Schweiz ist weder mit Insektiziden noch mit Fungiziden behandelt. Und das gilt auch für einen grossen Teil der Rapsproduktion», so Cerutti.

Doppelt so viele Pestizide in der Schweiz?

In der Schweiz sind laut dem Bundesamt für Landwirtschaft «mehrere hundert» Pestizide zugelassen. In der Zeit zwischen 1990 und 2005, so ein Bericht des von Umweltorganisationen gebildeten «Pesticide Action Networks Europe», ist deren Vertrieb in der Schweiz um 40% zurückgegangen. In der Landwirtschaft wurden 2005 rund 1400 Tonnen Pestizide verwendet.

«Die Agrarpolitik des Bundes ist in Bezug auf den Einsatz von Pestiziden sehr restriktiv», sagt Greenpeace-Sprecherin Nadia Boehlen. Sie setzt sich stark ein für die Entwicklung der biologischen Landwirtschaft.

Laut Marcel Liner von Pro Natura zählt jedoch sehr stark, dass die Schweiz viel weniger auf diese Problematik sensibilisiert sei als die EU-Länder: «In den Oberflächengewässern befinden sich immer noch viele Spuren von Pestiziden.»

Eine vergleichende Studie zwischen der Schweiz und der EU zeigt laut Liner, dass die Schweizer Landwirtschaft pro Hektar doppelt so viele Pestizide verwendet wie Deutschland oder Österreich. (Laut dem Bundesamt für Umwelt handelt es sich dabei aber lediglich um Schätzungen, im Moment gäbe es noch keine statistisch auswertbaren Daten.)

«Im Fall vom Bienen-Massensterben, sagt der Experte des Umweltverbands, wurde in Deutschland und Frankreich Clothianidin sofort verboten, dessen Wirkstoff dafür verantwortlich sein soll. In der Schweiz jedoch seien die Landwirte lediglich dazu aufgerufen worden, verantwortungsvoll mit diesem Stoff umzugehen.

Umweltbewusstsein

In der Schweiz sind gemäss den durchgeführten Kontrollen nur minimale Spuren von Pestiziden in Obst und Gemüse feststellbar.

Im Jahr 2008 wurden 1740 Proben von Produzenten erhoben und vom Verein SwissGAP analysiert. Nur 76 (4,4%) boten Anlass zu Reklamationen. 58 davon wiesen einen Wert oberhalb der Toleranzgrenze auf und in 18 wurden verbotene Substanzen nachgewiesen.

«Der Anteil von Produkten mit Pestizidspuren liegt in der Schweiz im internationalen Durchschnitt, der zwischen 3 und 6% liegt», sagt die Expertin für Lebensmittelsicherheit, Petra Sieghart gegenüber swissinfo.ch.

«Seit einigen Jahren beobachten wir, dass diese Werte sinken.» Ist das ein Erfolg der entsprechenden Gesetze? «Nein. Diese positive Entwicklung verdanken wir dem biologischen Wissen und Bewusstsein der Bauern.»

Luigi Jorio, swissinfo.ch
(Übertragung aus dem Italienischen: Etienne Strebel)

In den vom Europäischen Parlament verabschiedeten Massnahmen sind enthalten:

– die Förderung einer Landwirtschaft welche wenig Pestizide verwendet, welche biologische oder integrierte Produktionsmethoden anwendet.

– eine Minimierung oder ein Verbot des Einsatzes von Pestiziden im öffentlichen Bereich (Parks, Gärten, Sportplätzen, Schulhöfen, etc.)

– ein Verbot von Besprühungen aus der Luft, wenn es sinnvolle Alternativen gibt.

– das Sicherstellen von Massnahmen um Wasser, insbesondere Quellen zur Trinkwasserversorgung zu schützen.

– ein Verbot von hochgiftigen, insbesondere krebserregenden, erbgutverändernden oder für die Fortpflanzung schädlichen Substanzen. (Ausnahmen sind möglich, wenn die Krankheit einer Pflanzenart nicht durch andere Methode geheilt werden kann.

Als sanfte Übergangsbestimmung müssen schädliche Wirkstoffe erst vom Markt verschwinden, wann ihre aktuelle Bewilligung ausläuft. (Das kann bis 2019 dauern)

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