Die UEFA droht, die Schweiz beruhigt
Die Europäische Fussball-Union UEFA gibt der Schweiz und Österreich Zeit bis Ende Jahr. Bis dann müssen die hängigen Probleme rund um die Fussball-EM 2008 gelöst sein.
Die Verantwortlichen in der Schweiz verbreiten ungebrochenen Optimismus.
Der Brief ist von höchster Stelle unterzeichnet: UEFA-Präsident Lennart Johannsson und UEFA-Generalsekretär Lars-Christer Olson drohten in einem Brief den Verbänden in der Schweiz und in Österreich, dass andere Länder den Entscheid, die EM 2008 in die beiden Alpenländer zu vergeben, jetzt noch anfechten könnten.
Von diesem eigentlich vertraulichen Schreiben berichtete die «Sonntagszeitung» in ihrer Ausgabe vom 3. Oktober. Dort stand geschrieben, dass die UEFA den Verantwortlichen in den beiden Ländern noch bis Ende Jahr Zeit gebe, um hängige Fragen zu klären.
Die Fragen der UEFA
Die UEFA verlangt bis zu besagtem Datum eine endgültige Antwort, was mit dem achten Stadion, gemeint ist das Zürcher Fussball-Stadion, geschieht. Das Bereitstellen von acht Stadien war ein wesentlicher Bestandteil der Bewerbung Schweiz/Österreich.
Aufgerüttelt durch die Probleme mit den Bau des neuen Stadions in Zürich, alarmiert durch den laschen Umgang der Verantwortlichen in der Schweiz mit der Sachlage und die Abwesenheit der politischen Behörden, hat sich die UEFA offensichtlich entschlossen, den Druck auf die Schweiz zu erhöhen.
Dabei droht die UEFA den Verbänden, notfalls die Organisation der EM einem andern Land zu übertragen (was seit der Ausrichtung der EM im Jahr 1960 noch nie vorgekommen ist).
«Ich spüre nicht, dass hier die Organisation eines wichtigen Ereignisses an die Hand genommen wird, eines Anlasses, der viel Arbeit und Koordination erfordert», sagt der Sprecher der UEFA, William Gaillard gegenüber dem Westschweizer Radio RSR. Die Zeit eile, sagte Gaillard weiter.
Nicht Neues unter der Sonne
«Wir verstehen die Reaktion der UEFA. Sie ist politisch motiviert und richtet sich keinesfalls gegen die Ausrichtung der Spiele in der Schweiz», sagen Christian Mutschler vom Schweizerischen Fussballverband und Heinz Keller vom Bundesamt für Sport unisono und spielen die Geschichte herunter.
«Wir sind überrascht, dass dieser vertrauliche Brief den Weg in die Öffentlichkeit gefunden hat», sagt Mutschler gegenüber swissinfo. «Aber er sagt nicht Neues, denn die UEFA hat sich bereits Mitte September über diese Themen bei uns erkundigt.»
Was das Problem mit dem neuen Stadion in Zürich angehe, dessen Bau wegen Einsprachen verzögert wird, unterstreicht der Schweizer Verantwortliche für die Euro 2008, dass die Diskussionen noch andauerten.
Die UEFA habe überdies bereits positive Signale ausgesandt, sollte in der Schweiz nur in drei Stadien (Genf, Bern und Basel) gespielt werden.
Geld für Sicherheit gesprochen
Der Direktor des Bundesamtes für Sport unterstreicht, dass man dort vor allem für die Kosten zuständig sei, die mit der Sicherheit und der Organisation zusammenhingen.
Er erinnert daran, dass eine Arbeitsgruppe, in der Vertreter von Bund, Kantonen und Gemeinden vertreten seien, die Erfahrungen auswerteten, die während der EM in Portugal gesammelt worden seien.
Am 25. September, sagt Keller, sei einem Bundesbeschluss zugestimmt worden. Dieser sehe einen Bundeskredit von 3,5 Mio. Franken für Sicherheitsmassnahmen vor. Kantone und Gemeinden würden sich mit zusätzlichen 7 Mio. Franken daran beteiligen.
«Angesichts der veränderten Sicherheitslage in der Welt und den damit verbundenen Sicherheits-Bestimmungen wird das nicht ausreichen», sagt Keller weiter.
«Deshalb werden wir eine neue Vorlage zu Handen des Parlamentes ausarbeiten, die im kommenden Jahr behandelt wird.» Der Bundesrat werde die Vorlage bereits im Dezember beraten.
Fehlende Professionalität
Der Optimismus und das Vertrauen der Schweizer Verantwortlichen stehen in krassem Gegensatz zur heftigen Kritik der UEFA.
Gut unterrichtet Quellen bestätigen nämlich die Irritationen seitens der UEFA und das entsprechende Ultimatum an die Schweiz.
«Im Gegensatz zu den Österreichern, welche die Aufgabe rasch angegangen sind, hat der Schweizerische Fussballverband mehr als sechs Monate gebraucht, um einen Turnierdirektor zu wählen», sagt die UEFA und fügt an, dass die Schweiz das Amt nicht einmal öffentlich ausgeschrieben habe.
Weiter rügt die Europäische Fussballunion, dass die Verantwortlichen das Dossier rund um das Zürcher Stadion nicht mit der letzter Kraft verteidigt hätten und dass immer noch kein Gesetz über «Hooliganismus» vorliege.
Weiter sei noch nichts unternommen worden, um den Umlauf von falschen Tickets zu verhindern. Auch seien die Rechte für die Vermarktung des Anlasses immer noch nicht geklärt.
Verhalten wie bei der «Spuckaffäre»
Bei all diesen Vorwürfen erinnert man sich wieder an die mangelnde Professionalität des SFV während der «Spukaffäre Frei» an der EM in Portugal. Dieses Manko des Verbandes färbt nun mehr und mehr auch auf das Image des Landes ab.
Doch die Schweiz hat vorerst noch Glück. Die UEFA scheint keine ernsthafte Alternative zu Schweiz/Österreich als Ausrichtern der EM 2008 zu haben, um den jetzigen Organisatoren die Ausrichtung der Fussball-Europameisterschaft zu entziehen.
swissinfo, Mathias Froidevaux
(aus dem Französischen übertragen von Urs Maurer)
12. Dezember 2002: Die UEFA vergibt die Fussball-EM 2008 an die Schweiz und Österreich.
25. September 2002: Bund und Kantone bewilligen einen Kredit für Sicherheit von 10,5 Mio. Franken.
8. September 2004: Die Bauherrin des neuen Hardturm-Stadions in Zürich zieht die Beschwerde an das Bundesgericht weiter. Der Bau des Stadions wird weiter verzögert. Das Stadion dürfte 2008 nicht fertig sein.
In der Schweizer Sonntagspresse wird über einen kritischen Brief der UEFA zu den Vorbereitungen der Schweiz für die EM 2008 geschrieben.
In einem Ultimatum werden Fortschritte verlangt, sonst drohe der Entzug der EM.
Die Verantwortlichen in der Schweiz beruhigen und betonen, alles im Griff zu haben.
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