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Die unendliche Geschichte des Dopingmissbrauchs

1998 hat der Festina-Dopingskandal die Tour de France in ihren Grundfesten erschüttert.

Doch schon in früheren Jahren hatten die Fahrer oft versucht, ihre Leiden zu mildern oder den Erfolg mit unstatthaften Mitteln anzustreben.

Etappen von über 400 km Länge, Strassen ohne Teerbelag, Rennvelos ohne Übersetzung – solche Anforderungen riefen geradezu danach, die fast unmenschlichen Anforderungen etwas erträglicher zu machen.

Es war deshalb kein Wunder, dass die Fahrer in den Urzeiten der Tour de France einzelne Streckenteile im Zug oder Auto zurücklegten, zumal die Kontrollen large gehandhabt wurden. Das Leiden zu mildern oder sich mit leistungssteigernden Mitteln einen Vorteil zu verschaffen hatte und hat in der Tour de France Tradition.

Selbst die Einführung regelmässiger Dopingkontrollen 1968 konnte nicht verhindern, dass die Radprofis dankbare Abnehmer von Medikamenten waren, die eigentlich zur Heilung erkrankter Menschen hergestellt wurden.

Alles begann mit Festnahme eines Pflegers

Eine der grössten Affären der Sportgeschichte begann mit einer kleinen Meldung. Französische Beamte hatten an der Grenze zu Belgien einen Radsport-Pfleger in Gewahrsam genommen, der mit einem Mannschaftswagen zum Start der Tour de France in Dublin unterwegs war.

Er führte ein ganzes Sortiment an Dopingprodukten mit sich. Wenige Tage darauf sollte der Name des Betreuers um die Welt gehen: Willy Voet.

Voet war bei Festina tätig. Nachdem der Sportliche Leiter Bruno Roussel und der (inzwischen verstorbene) Arzt Eric Ryckaert von der Polizei abgeführt worden waren und Roussel systematisches Doping unter ärztlicher Überwachung zugegeben hatte, musste Tour-Patron Jean-Marie Leblanc handeln.

Am Abend des 17. Juli wurde die Mannschaft ausgeschlossen. Nach Polizeiverhören gestanden Laurent Brochard, Laurent Dufaux, Armin Meier und Alex Zülle, sich gedopt zu haben.

«Das Rennen muss weitergehen»

Nach einem Streik der Fahrer begann die 12. Etappe in Tarascon mit Verspätung. Die Polizei schritt zu Razzien in den Unterkünften der Fahrer. Die Sportgruppen TVM, Once, Banesto, Riso Scotti, Kelme und Vitalicio verliessen die Tour, der Bergpreiskönig Rodolfo Massi wurde verhaftet, weil bei ihm eine beträchtliche Menge unerlaubter Medikamente gefunden wurde.

In der 17. Etappe Albertville -Aix-les- Bains rollten die Fahrer zum Zeichen des Protestes im Touristentempo durch die Gegend. Das Teilstück wurde annulliert. Leblanc gelang ein «Wunder».

Er überzeugte die restlichen Fahrer davon, die Rundfahrt fortzusetzen. «Das Rennen muss weitergehen», erklärte Leblanc, der später zugab, die grössten Bedenken gehabt zu haben, dass die Tour erstmals in ihrer Geschichte das Endziel nicht erreicht.

Beinahe schon in Vergessenheit geraten, ist die Aufgabe der PDM- Mannschaft in der Tour 1991. Von einer Lebensmittelvergiftung war zuerst die Rede, dann von einem Virus. Später stellte sich heraus, dass der unsorgfältige Umgang mit Medikamenten die Malaise der Fahrer verursacht hatte.

Simpsons Tod am Mont-Ventoux

Leistungssteigernde Mittel hatten schon in früheren Jahrzehnten eine grosse Rolle gespielt. Eines der grössten Dramen ereignete sich am 13. Juli 1967, als der Tross im Verlaufe der 13. Etappe Marseille – Carpentras (211,5 km) den Mont-Ventoux überquerte.

Tom Simpson gehörte einer Verfolgergruppe hinter dem Spanier Julio Jiemenz an. Wenige Kilometer unterhalb des Gipfels vermochte der Brite in der sengenden Hitze nicht mehr mitzuhalten. Sein Tritt wurde kraftlos. Simpson brauchte die ganze Strassenbreite.

Schliesslich fiel der Brite 2 km unterhalb des Scheitelpunktes in den Strassengraben. Ein Zuschauer versuchte vergeblich, den Fahrer zum Aufstehen zu bewegen.

Der Tour-Arzt Dr. Dumas war rasch zur Stelle und begann mit Reanimationsversuchen, bis ein Helikopter eintraf und Simpson ins Spital in Avignon flog. Dort wurde um 17.40 Uhr der Tod des Briten festgestellt.

Mit 24 Stunden Verzögerung schritt die Polizei zur Untersuchung. Dabei verdichtete sich die Vermutung zur Gewissheit, dass Simpson ein Opfer des Drogenmissbrauchs wurde.

Pollentiers Betrug



Ein Stilist war Michel Pollentier als Kletterer sicherlich nicht. Aber der Belgier kam schnell die Steigungen hoch. Im Trikot des Bergkönigs siegte Pollentier 1978 am Ende der 16. Etappe in L’Alpe-d’Huez und liess sich ins Maillot jaune einkleiden.

Bei der Dopingkontrolle merkten die Inspektoren, dass der belgische Profi sie zu betrügen versuchte. Aus der in einer Achselhöhe versteckten Gummibirne floss Ersatz-Urin ins Gefäss.

Der Betrugsversuch hatte den sofortigen Ausschluss Pollentiers zur Folge.»Wie kann jemand nur so dumm sein?» hielt die Fachzeitung «L’Equipe» fest.

swissinfo und Toni Nötzli, Sportinformation

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