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Dienstverweigerung allein ist kein Asylgrund

"Da bin ich sehr hart": Bundesrat Christoph Blocher über die Integration von Ausländerinnen und Ausländern. Keystone

Die Landesregierung bereitet eine weitere Verschärfung des Asylrechts vor. Demnach erhalten Dienstverweigerer und Deserteure nicht mehr automatisch den Flüchtlingsstatus.

Bundesrat Christoph Blocher nutzte den Anlass, um eine Bilanz «seiner» Asyl- und Ausländerpolitik seit dem Amtsantritt 2004 zu ziehen.

Die Zahl der Asylgesuche habe sich in den letzten fünf Jahren auf 10’000 und die Zahl der Personen im Asylprozess auf 18’000 halbiert, sagte Blocher am Mittwoch vor den Medien.

Der Anteil der unbegründeten Asylgesuche ist von 90 auf 80% gesunken. Die Anerkennungsquote hat sich im Gegenzug von 10 auf 20% verdoppelt. Ideal wäre eine Quote von 100%, denn dann kämen nur noch echte Flüchtlinge in die Schweiz: «Anzustreben sind auch nicht erreichbare Ziele,» sagte Blocher.

Deserteure aus Eritrea

Der Bestand der rechtskräftig abgewiesenen Asylsuchenden, die das Land verlassen müssten, ist um ein Drittel auf 5800 zurückgegangen. Als heilsam hat sich laut Blocher erwiesen, dass unentschuldbare Papierlosigkeit ein Nichteintretensgrund ist. Der Anteil der «Papierlosen» habe sich um 10 auf 25% verringert.

Ein Sonderfall seien die 2500 Dienstverweigerer und Deserteure aus Eritrea, die gemäss richterlichem Urteil als Flüchtlinge anerkannt werden müssen. «Wir haben immer ein paar Eriträer gehabt, also im Jahr 2005 vielleicht 10 oder 20 pro Monat», sagte Blocher.

«Doch schliesslich kamen pro Monat bis zu 300 Deserteure und Dienstverweigerer aus Eritrea in die Schweiz. Heute haben wir 2500 Eriträer hier. Es sind fast alles junge Männer, die ein Aufgebot vorweisen und sagen, dass sie zum Militärdienst aufgeboten seien.» Das ergebe ein grosses Problem, meinte der Justizminister.

Deshalb plant er einen dringlichen Bundesbeschluss zur Änderung des neuen Asylgesetzes, wonach Dienstverweigerung allein keine Flüchtlingseigenschaft begründet.

Flüchtlingshilfe kritisiert «Eritreer-Entscheid»

Die Schweizerische Flüchtlingshilfe (SFH) kritisiert diesen Entscheid des Bundesrats. Die Erklärung der Landesregierung greife zu kurz.

Dienstverweigerung oder Desertion alleine sei überhaupt noch nie ein Asylgrund oder ein Grund für eine vorläufige Aufnahme gewesen. Vielmehr habe die Asylrekurskommission in ihrem Urteil vor zwei Jahren so entschieden, weil eritreischen Dienstverweigerern und Deserteuren zu Hause Misshandlung und Folter drohe.

Integration in Sprache, Arbeit, Schule

Der Justizminister kommentierte auch das neue Ausländergesetz. Dieses soll die Integration der Ausländerinnen und Ausländer mit Bleiberecht nach dem Motto «Fordern und Fördern» verbessern.

Das Problem sei einfach, sagte Blocher: «Sprache, Arbeit, Schule, fertig». Dabei sei er «sehr hart»: Das «ö-Zeichen» in «fördern» sollte eigentlich gestrichen werden.

Die Schweiz habe im europäischen Vergleich ein «ausserordentlich geringes» Ausländerproblem, sagte Blocher. Hauptprobleme seien die Arbeitslosigkeit und die Kriminalität, besonders der Jugendlichen. Man müsse den Fakten in die Augen schauen: Die Jugendkriminalität sei zur Hälfte ein Balkanproblem.

Humanitärer Kindernachzug

Die Integrationspolitik vertrage keine «Romantik», sagte Blocher. Das neue Ausländergesetz gebe den Kantonen die Möglichkeit, in Problemfällen Integrationsvereinbarungen abzuschliessen. Diese enthalten detaillierte Bestimmungen über Rechte und Pflichten von Ausländerinnen und Ausländern.

Erfolgreiche Integrationsbemühungen sollen für die Verlängerung der Aufenthaltsbewilligung oder für die vorzeitige Erteilung der Niederlassungsbewilligung nach frühestens fünf Jahren zählen. Die Kantone erhalten vom Bund eine Integrationspauschale von 6000 Franken pro anerkannten Flüchtling oder vorläufig Aufgenommenen.

Ganz wichtig für Blocher ist auch der Kindernachzug innerhalb von maximal fünf Jahren bis zu einem Alter von 12 Jahren und innerhalb von einem Jahr bei über 12-Jährigen. Diese «humanitäre Massnahme» ermögliche einen frühzeitigen Schulbesuch und somit einen besseren Zugang zum Arbeitsmarkt.

swissinfo und Agenturen

Die Vorlagen zur Revision des Asyl- und des Ausländergesetzes wurden am 24. September vom Volk angenommen.

Das revidierte Asylgesetz setzt die Sozialhilfe an abgewiesene Asylbewerber aus und verdoppelt die potentielle Inhaftierungszeit für Menschen, die auf ihre Zwangsausweisung warten, auf 2 Jahre.

Die Aufnahme wegen humanitären Gründen wird ausgeschlossen. Erleichtert wird der Familiennachzug und die Arbeitserlaubnis im Fall einer provisorischen Aufenthaltserlaubnis.

Das neue Ausländergesetz bevorzugt Bürger aus Staaten der Europäischen Union (EU) und beschränkt die Einwanderung von Nicht-Europäern auf hochqualifizierte Arbeitskräfte. Die Bedingungen einer Familienzusammenführung werden erschwert.

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