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«Dieser langwierige Konflikt ist nicht unlösbar»

Der Schweizer Diplomat Nicolas Lang. Foto: EDA

Der Schweizer Gesandte im Nahen Osten, Nicolas Lang, ist neu Botschafter in Afrika. In letzter Zeit hatte er sich stark eingesetzt für die Wiederaufnahme der israelisch-syrischen Friedensgespräche.

Im Gespräch mit swissinfo schaut der erfahrene Diplomat zurück auf seine zwei Jahre als Mediator in einem Hexenkessel der Weltpolitik und beurteilt die Chancen für einen Frieden in dieser Region.

Nicolas Lang wurde erstmals 1999 in den Nahen Osten entsandt und spielte darauf beim Ausbau und in der Stärkung der Schweizer Diplomatie und von Netzwerken in der Region eine führende Rolle.

In seiner Zeit als Gesandter hat er es geschafft, israelische und syrische Verhandlungspartner an einen Tisch zu bringen.

swissinfo: Über Ihre Beteiligung an der Vermittlung von inoffiziellen Gesprächen zwischen Syrien und Israel wurde weltweit berichtet. Wie ernst ist es den beiden Seiten, Frieden zu schliessen?

Nicolas Lang: Ich bin zuversichtlich, dass beide Seiten den Frieden wollen. Auch wenn das gegenseitige Misstrauen tief sitzt, braucht Syrien den Frieden mit Israel.

Er ist eine wichtige Voraussetzung, um das Land zu öffnen und wirtschaftlich ausbauen zu können, aber auch, um extremistische Tendenzen zu bekämpfen, die leider in diesem Land zunehmen.

Eine Lösung in diesem Teil des israelisch-arabischen Konflikts würde beiden Ländern und der internationalen Gemeinschaft sehr viel bringen: Es würde zur Stabilisierung des Libanon führen, die Lösung des israelisch-palästinensischen Konflikts erleichtern, Syrien den uneingeschränkten Zugang zur internationalen Gemeinschaft bringen sowie Israels strategische Bedeutung im Nahen Osten stärken.

Schliesslich, und das ist der zentrale Punkt, würde eine Lösung nach Jahren von Rückschlägen eine willkommene positive Botschaft für die Menschen der Region bedeuten, die ihnen Hoffnung für die Zukunft geben könnte.

swissinfo: Sowohl die israelische wie auch die US-Regierung haben die Bedeutung dieser geheimen Treffen heruntergespielt, als diese im Januar bekannt wurden. Welche Unterstützung, stillschweigend oder anderer Art, haben Sie von den Regierungen dieser beiden Länder erhalten?

N.L.: Die Bemühungen waren hauptsächlich inoffizieller Natur und die Teilnehmenden waren grösstenteils Privatpersonen.

swissinfo: Alle diese Aktivitäten könnten darauf hinweisen, dass die Parteien in der Region die Schweiz als ehrliche Vermittlerin einschätzen. Ist das eine faire Bewertung?

N.L.: Zweifellos. Die Schweiz hat einen hervorragenden Ruf in der Region und wird als unabhängiger Partner für den Dialog geschätzt. Als bündnisfreies Land kann sie unabhängige Positionen einnehmen, was sie auch tut.

Zudem steht die Schweiz für Neutralität, ihre Rolle als Depositärstaat der Genfer Konventionen sowie ihre humanitäre Tradition. Und sie verfolgt keine politischen Interessen in der Region.

swissinfo: Vor drei Jahren spielten Sie eine Hauptrolle bei der Förderung der Genfer Initiative, einem inoffiziellen Schweizer Friedensplan für den israelisch-palästinensischen Konflikt, der später in einigen Kreisen als ein Misserfolg gewertet wurde. Was hat die Initiative gebracht?

N.L.: Die Genfer Initiative war ein klarer Erfolg. Sie war der erste umfassende Vorschlag für eine Lösung des israelisch-palästinensischen Konflikts.

Das zugrundeliegende Genfer Abkommen war ein überzeugendes Modell-Abkommen, das zeigte, dass dieser langwierige Konflikt nicht unlösbar ist.

Die Initiative ist und bleibt ein wichtiger Beitrag zu einer Konfliktlösung und ist seither nicht aus der Diskussion verschwunden. Im Gegenteil: Es gab seit der Lancierung im Jahr 2003 kaum einen Tag, an dem sie nicht in einer grossen Zeitung erwähnt wurde.

In den Köpfen all jener, die sich auf dem höchsten internationalen Niveau um eine Lösung des Konflikts bemühen, ist die Genfer Initiative ein fest verankerter Wert.

swissinfo: Die Friedensverhandlungen zwischen Israel und den Palästinensern stehen derzeit still. Sehen Sie trotzdem Platz für Optimismus?

N.L.: Der israelisch-palästinensische Konflikt ist bei weitem nicht das einzige Problem im Nahen Osten.

Ich bin jedoch klar der Ansicht, dass dieser Konflikt eine übergeordnete Wirkung nicht nur auf die Region hat, sondern auf die ganze Welt und damit zur Verschlechterung der Beziehungen zwischen dem Westen und der arabischen Welt beiträgt.

Die Tatsache, dass dieser Konflikt seit 40 Jahren ungelöst ist, untergräbt die Glaubwürdigkeit des Westens und seiner Werte ernsthaft. Er muss gelöst werden, wenn die Beziehung zwischen Orient und Okzident entlastet werden soll.

Es ist jedoch nicht einfach, optimistisch zu bleiben, denn zu viele Bemühungen sind gescheitert. Ich bin trotzdem überzeugt, dass eine Lösung möglich ist, was bedingt, dass die internationale Gemeinschaft willig ist, sich dieser Aufgabe wirklich anzunehmen.

swissinfo: Über die Kluft zwischen westlichen und arabischen Menschen wird gegenwärtig viel geredet und geschrieben. Sind wir wirklich so verschieden?

N.L.: Nein, das sind wir nicht. Wir sind alle Menschen und haben generell die gleichen Hoffnungen: Frieden, Wohlstand und Würde.

Die heutigen Spannungen zwischen diesen Teilen der Welt sind der Tatsache zuzuschreiben, dass diese Grundbedürfnisse im Fall von Millionen Menschen in der arabischen Welt nicht erfüllt sind.

Für westliche Nationen sollte die Hilfe für arabische Staaten, diesen Bedürfnissen näher zu kommen, im eigenen Interesse weit oben stehen.

swissinfo-Interview: Adam Beaumont, Genf
(Übertragen aus dem Englischen: Christian Raaflaub)

Nicolas Lang wurde 1960 geboren, studierte Recht und stiess 1990 zum Schweizer Aussenministerium. Sein diplomatisches Training schloss er in Bern und in der thailändischen Hauptstadt Bangkok ab.

Er arbeitete im Integrationsbüro, das sich mit der Beziehung Schweiz-EU beschäftigt, bevor er 1996 als erster Sekretär in die Schweizer Botschaft in Abidjan, Côte d’Ivoire, versetzt wurde.

1999 kam er nach Ostjerusalem ins Schweizer Verbindungsbüro, das den Kontakt zur palästinensischen Autonomiebehörde pflegt. Zwei Jahre später übernahm er die Leitung der Schweizer Vertretung in Ramallah.

2003 wurde Lang Chefdelegierter der Abteilung Afrika/Naher Osten des Schweizer Aussenministeriums mit dem Titel eines Ministers, zwei Jahre später wurde er Botschafter und Gesandter für den Nahen Osten.

Im April 2007 übernahm er den Posten des Schweizer Botschafters für Ghana und Togo in Ghanas Hauptstadt Accra.

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