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Drama am Eiger gibt Rätsel auf

Miserables Wetter behinderte die Rettung. RDB

Nach dem Tod zweier Alpinisten am Eiger haben die Rettungskräfte am Donnerstag eines der beiden Opfer bergen können. Wegen Sturmwinden musste die Bergung abgebrochen werden.

Die beiden jungen Schweizer waren am 22. März zu einem Durchstieg der Eigernordwand aufgebrochen. Beim Abstieg gerieten sie in schlechtes Wetter und steckten mehrere Tage am Berg auf 3800 Metern über Meer fest, ohne dass Retter zu ihnen vordringen konnten.

Am Mittwoch schaffte es ein Helikopter bis auf fünf Meter an die beiden heranzufliegen. Die Retter konnten aber nur noch den Tod der beiden Alpinisten feststellen.

Am Donnerstag konnte eines der beiden Todesopfer geborgen werden. Der junge Mann sei, wie vermutet, an allgemeiner Unterkühlung gestorben, führte der Rettungsarzt Bruno Durrer aus. Man habe ihn vom Seil, das ihn mit seinem Kameraden noch verband, gelöst und geborgen.

Laut einer Mitteilung des zuständigen Untersuchungsrichteramts und der Kantonspolizei Bern sind die beiden Opfer 21-jährig. Die genaue Herkunft der beiden Bergsteiger werde erst bekanntgegeben, wenn die Opfer identifiziert seien, sagte ein Sprecher der Kantonspolizei Bern.

Die beiden Bergsteiger galten als erfahren. Laut den Rettungskräften waren sie bereits am Absteigen, als sie den eisigen Temperaturen und den Windstürmen zum Opfer fielen.

«Die beiden jungen Bergsteiger waren sehr gut vorbereitet. Was genau passiert ist, wissen wir nicht und wir werden es wahrscheinlich nie wissen», sagte Christian Brawand, der Chef der Kantonalbernischen Bergrettungskommission gegenüber swissinfo.

Wetterumschlag

«Ich denke nicht, dass der Eiger gefährlicher ist, als andere Schweizer Berge. Doch wie überall in den Alpen, kann sich auch hier die Wettersituation schlagartig ändern», so Brawand.

Die beiden starteten ihre Tour am Sonntagmorgen bei schönem Wetter. Die Wetterbedingungen waren gut, aber die Wetterprognosen kündeten einen Sturm an, sagte der international bekannte Schweizer Extremalpinist Ueli Steck.

Da sich die beiden entgegen der Abmachungen am Sonntagabend nicht bei den Angehörigen gemeldet hatten, schlugen diese Alarm.

Um 22 Uhr wurde die Rettungsstation Grindelwald benachrichtigt. Um diese Zeit herrschte miserables Wetter; an eine Rettungsaktion per Helikopter war nicht zu denken.

Handy-Kontakt

«Wir konnten sie schlicht nicht erreichen», sagte der Chef der Rettungskräfte Grindelwald Marc Ziegler gegenüber swissinfo. «Das ist ungewöhnlich, doch die Wetterbedingungen verunmöglichten es.»

Am Dienstag startete dann ein gross angelegter Rettungsversuch. Dies umso mehr, als der Vater von einem der Bergsteiger um rund 8.30 Uhr einen kurzen Handy-Kontakt mit seinem Sohn herstellen konnte. Er sagte, die beiden befänden sich bei den Eigerjöchern zwischen Eiger und Mönch.

Da wegen des weiterhin miserablen Wetters vorläufig nicht an einen Einsatz von Helikoptern zu denken war, stiegen die Retter in den Zug aufs Jungfraujoch und liessen sich von einem Pistenfahrzeug in Richtung Mönchsjoch ziehen.

Minus 22 Grad

Laut Ziegler waren die Verhältnisse extrem schlecht. Es herrschte dichter Nebel. Die Temperatur lag bei minus 22 Grad, der Wind erreichte Geschwindigkeiten von bis zu 80 Kilometer pro Stunde. «Um zehn Meter vorwärts zu kommen, brauchten die Leute eine halbe Stunde», sagte Ziegler.

Am Nachmittag musste die Aktion abgebrochen werden. Die vorderste Dreierseilschaft kam nicht mehr weiter und die Lawinengefahr wurde als gross betrachtet.

Am frühen Mittwochmorgen entdeckte dann die Besatzung eines Rettungshelikopters an der Eigerwestflanke – also nicht ganz bei den Eigerjöchern – auf 3800 Metern Höhe die beiden Alpinisten.

Danach flog ein anderer Heli den Arzt zur Stelle. Ein Landungsversuch beim Gipfel scheiterte am starken Wind. Schliesslich gelang es einem Arzt per Helikopter und Seil bis zu fünf Meter an die beiden Bergsteiger heranzukommen. Aufgrund der Stellung der Körper im Schnee, wurde ihm klar, dass die beiden erfroren waren.

Am Eiger kamen bisher mehr als 60 Menschen ums Leben.

swissinfo, Tim Neville
(Übertragung aus den Englischen: Andreas Keiser)

1909: Gründung der Rettungsstation Grindelwald

1935-1939: Run auf Eigernordwand. Die Grindelwaldner möchten ihre Leute nicht mehr der Gefahr aussetzen, Leichtsinnige zu retten. Die Berner Regierung erlässt ein Verbot der Besteigung der Nordwand, das 1936 wieder aufgehoben wird.

1938: die Österreichisch-Deutsche Seilschaft «Harrer-Heckmair-Kasparek-Vörg» bezwingt die Nordwand. Die Route heisst bis heute Heckmair-Route.

1957: Erstmaliger Einsatz des Stahlseils in der Schweiz bei der Rettung von Claudio Corti aus der Nordwand.

1959: Für die Bergung des toten Stefano Longhi werden erstmals Stahlseil und Rettungswinde eingesetzt.

1960: Erste leichte Rettungen mit dem Helikopter.

1967: Erste Bergung von drei Leichen mit dem Helikopter aus der Nordwand.

1970: Erste Winterrettung aus der Eigernordwand.

1971: Erste Direktrettung mit dem Helikopter.

1994: Erste Longline-Direktrettung in der Nordwand.

1994-2001: Über 10 Longline-Rettungen mit Seillängen zwischen 60 und 230 Metern.

1996: Erste Nachtrettung einer Zweierseilschaft.

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