Drei Rechtsextreme vor Gericht
In Bern begann am Montag der Prozess gegen drei junge Männer der rechtsextremen Szene. Sie sind des Mordes angeklagt.
Täter und Opfer waren Mitglieder des rechtsextremen «Orden der arischen Ritter». Offensichtlich handelte es sich beim Tötungsdelikt um eine persönliche Abrechung.
Als der 19-jährige Lehrling Marcel von Allmen aus Unterseen bei Interlaken im Berner Oberland Ende Februar 2001 bald einen Monat vermisst war, befürchteten seine Eltern das Schlimmste.
Dann bestätigten sich die Ängste: Unweit der Schiffstation Beatushöhlen bargen Polizeitaucher eine Leiche aus dem Thunersee.
Es handelte sich um die Leiche von Marcel von Allmen, den seine Freunde «Vöni» nannten. Vönis Körper wies schlimme Verletzung auf. Er war mit Gewichten beschwert. Es war den Behörden rasch klar, dass es um ein Tötungsdelikt handelte.
Obskurer Orden
Nur kurze Zeit später gestanden vier Jugendliche die Tat. Von Allmen war laut bisherigen Erkenntnissen von seinen Kollegen zu Tode geprügelt worden. Aber warum?
Täter und Opfer gehörten einem obskuren rechtsextremen Orden an, der sich «Orden der arischen Ritter» nannte. Marcel von Allmen musste vermutlich sterben, weil er in den Augen der anderen Mitglieder das Schweigegebot des Ordens gebrochen hatte.
Die Gruppe «Orden der arischen Ritter» war von zwei der Angeschuldigten im Herbst 1999 gegründet worden.
Im Berner Oberland sorgte der Fall für Aufsehen, auch wegen seines politischen Hintergrundes.
Nach dem Tötungsdelikt an von Allmen machte eine «Befreiungsfront Bödeli» durch ausländerfeindliche Flyer-Aktionen auf sich aufmerksam.
Laut dem Chef der Kriminalabteilung der Kantonspolizei Bern, Peter Baumgartner, sind der Polizei in den letzten zwei Jahren aber keine rechtsextremen Vorkommnisse in der Region Interlaken mehr bekannt geworden.
«Der Prozess ist nötig, damit wir verarbeiten und abschliessen können», sagte der Gemeindepräsident von Unterseen, Simon Margot vor zwei Jahren. Noch immer leben die Angehörigen von Tätern und Opfer im kleinen Ort, der eng mit Interlaken zusammengebaut ist, fast Tür an Tür.
Angeklagte einvernommen
Seit Montag nun stehen die drei Angeklagten vor Gericht. Sie sind zwischen 22 und 25 Jahre alt. Es wird ihnen unvollendeter versuchter und vollendeter Mord vorgeworfen. Denn sie sollen bereits Ende 1999 und im Herbst 2000 zwei Tötungsdelikte geplant und teilweise versucht haben.
Vom Prozess – er soll bis sieben Tage lang dauern – erhofft man sich Antworten auf die Frage, wie es überhaupt zu einem solchen Mord kommen konnte.
Beim Prozessauftakt haben sich die drei Angeklagten geläutert gezeig, sie bereuten ihre Tat. Sie hätten seit der Tat vor gut drei Jahren ihrer Ideologie abgeschworen, erklärten die geständigen jungen Männer.
Bei der Befragung sagten sie aus, dass sie sich vor rund vier Jahren gegen die ihrer Ansicht nach immer schlimmer werdenden Anpöbeleien junger Ausländer hätten wehren wollen. Dazu gründeten sie den geheimen «Orden der arischen Ritter», dessen Chef der 25-jährige Angeklagte gewesen sei.
Die beiden anderen Angeklagten stellten sich als Mitläufer dar. Einer dieser beiden, ein 24-jähriger Maurer, sagte aus, er habe früher gedacht, Loyalität sei für eine Freundschaft wichtiger als Ehrlichkeit.
Rechtsextreme Szene in der Schweiz
Das Schweizer Bundesamt für Polizei schreibt im «Bundesgesetz über Massnahmen gegen Rassismus, Hooliganismus und Gewaltpropaganda» aus dem Jahr 2001, dass die rechtsextremen Vorfälle in der Schweiz zwischen 1993 und 1997 deutlich abgenommen hätten.
«Seit 1999 war wieder eine beunruhigende Verstärkung der rechtsextremen Szene mit Schweizgewicht bei den Skinheads zu beachten,» heisst es da weiter.
Erst kürzlich versuchte in Burgdorf im Kanton Bern ein Schweizer unter falschem Namen eine städtische Lokalität zu mieten, um ein Neonazi-Fest abzuhalten. Die Stadt verweigerte die Bewilligung.
Kurzerhand stellen die Organisatoren ausserhalb des Ortes ein Partyzelt auf und liessen das Fest mit 300 Neonazis zu Klängen der deutschen Band Oidoxie steigen. Gegen die Band ermittelt die Schweizer Staatsanwaltschaft.
Einzige Liste zu Rassismus
Hans Stutz ist Journalist und beobachtet seit 1989 die Entwicklung der rechtsextremen Szene in der Schweiz.
Stutz verfasst seit 1994 im Auftrag der Stiftung gegen Rassismus und Antisemitismus (GRA) eine Chronologie rassistischer Vorfälle in der Schweiz. Es ist bisher die einzige Auflistung von Vorfällen über eine längere Periode, die der Öffentlichkeit zugänglich ist.
Die Liste nennt für das Jahr 2004 bislang fünf gravierende Fälle in der Schweiz. Im 2003 waren es 105 und 2002 rund 120 Vorfälle. Die Liste reicht unter anderem vom verbalen Rassismus über das Verbreiten von rassistischen Schriften, Leugnen des Holocaust bis hin zu Angriffe auf die körperliche Integrität.
swissinfo und Agenturen
Die Zahl der rechtsextrem motivierten Vorfälle blieb laut dem Sicherheitsbericht 2002 des Bundesamtes für Polizei mit rund 120 Vorfällen stabil.
Die rechtsextreme Szene zähle gegen 1000 Anhänger.
Verschiedentlich sei es zu Auseinandersetzungen zwischen Skinheads und jungen Ausländern sowie zu gewalttätigen Konfrontationen zwischen Rechts- und Linksextremen gekommen.
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