Drei Schweizer Künstler glänzen zum Olympia-Abschied in Paris
Die Olympischen Sommerspiele 2024 gingen am Sonntagabend mit einem Höhepunkt zu Ende. Mit acht Medaillen ist die Schweizer Ausbeute zwar geringer als in Tokio 2021, dafür glänzten drei Schweizer Künstler an der Schlussfeier. Und die Hoffnungen auf ein besseres Abschneiden in vier Jahren sind gross.
Der im Westschweizer Jura geborene Alain Roche ist bekannt dafür, der Schwerkraft zu trotzen. Doch er ist weder Stabhochspringer noch Kunstturner. Roche ist Musiker und Komponist.
Am Sonntagabend spielte er im Stade de France Klavier, während er und sein Flügel senkrecht in der Luft hingen. Die Zeitung Le Matin nannte es den «atemberaubendsten Moment» der olympischen SchlussfeierExterner Link.
Während er mit dem Klavier von der Bühne in den Himmel entschwebte, spielte Roche die «Hymne an Apollon», gesanglich begleitet vom französisch-schweizerischen «aufsteigenden Stern» Benjamin Bernheim.
Der Tenor, der als Jugendlicher im Chor des Grand Théâtre de Genève sang, wurde bereits zweimal bei den französischen «Victoires de la musique classique» als «Lyrischer Künstler des Jahres» ausgezeichnet.
Der Auftritt sorgte für Aufsehen. Die Hollywoodstars, die Los Angeles präsentierten, Gastgeberin der Olympischen Sommerspiele 2028, wurden «von einem Flügel in den Schatten gestellt», schwärmte der britische Radiosender Classic FMExterner Link.
«Ein hängendes Klavier … verblüfft die Menge», titelte die Zeitung India TodayExterner Link. «Nun, das ist beeindruckend», schwärmte The GuardianExterner Link mit englischem Understatement.
Die ganze Angelegenheit sei einfach «unglaublich» gewesen, sagte Roche nach der Show gegenüber Classic FM.
Der Pianist trug ein aufwendiges Kostüm eines weiteren Schweizer Talents: des Designers Kevin Germanier aus dem südwestlichen Kanton Wallis. Der 32-Jährige verwendete dafür alte VHS-Kassettenbänder, die er im Keller seiner Mutter gefunden hatte.
Für ein weiteres aussergewöhnliches Kostüm, das den vom französischen Breakdancer Arthur Cadre gespielten Golden Voyager umhüllte, griff Germanier ebenfalls auf rezyklierte Materialien zurück. Insgesamt entwarf der Schweizer mit seinem Team über 120 Kostüme für die Tänzerinnen und Tänzer des AbendsExterner Link.
Steigerungspotenzial für Schweizer Athletinnen und Athleten
Auch die Schweizer Athletinnen und Athleten waren bei der Schlussfeier mit von der Partie. Die Silbermedaillengewinnerin im Triathlon, Julie Derron, und der Bronzemedaillengewinner im Schwimmen, Roman Mityukov, trugen die rot-weisse Fahne ins Stadion.
Mit insgesamt acht Medaillen (eine Gold-, zwei Silber- und fünf Bronze) erzielte die Schweiz ein «solides Ergebnis», wie Swiss-Olympic-Delegationsleiter Ralph Stöckli sagte.
Die herausragende Leistung von Tokio vor drei Jahren, als die Schweizerinnen und Schweizer 13 Medaillen gewannen, sei nur schwer zu erreichen, hatte es bereits im Vorfeld der Spiele geheissen.
Insgesamt erreichten neun Schweizerinnen und Schweizer in ihren Disziplinen den vierten Rang. So etwa Angelika Moser im Stabhochsprung und Simon Ehammer im Weitsprung.
«Ein vierter Platz ist immer eine Enttäuschung», sagte Stöckli an der Medienkonferenz am Sonntag. «Aber ich bin überzeugt, dass es auch eine Motivation für die Zukunft ist.» Das Potenzial für mehr sei vorhanden.
«Die Schweiz ist führend in Forschung und Innovation», sagte er. «Wir müssen dieses Wissen noch besser in den Spitzensport integrieren und gleichzeitig Synergien mit der Wirtschaft nutzen, um den Spitzensport weiterzuentwickeln.»
Die Schweizer Medaillenausbeute war im Vergleich zu anderen Ländern mit ähnlicher Bevölkerungszahl oder im Verhältnis zur Bevölkerungszahl, wie einige Medien ausgerechnet habenExterner Link.
Interessanterweise gewannen die Schweizer Frauen fünf der acht Medaillen. Sie sind somit den Männern weiterhin überlegen – ein Kunststück, das erstmals 2000 in Sydney gelang, wie die Schweizer Nachrichtenagentur Keystone-SDA berichtete.
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Athleten innen und Athleten als «Geiseln im weltweiten Kampf gegen den so genannten Wokismus»
In den vergangenen zwei Wochen standen in Paris zahlreiche Sportlerinnen im Mittelpunkt des Interesses. Einige von ihnen sorgten jedoch für Kontroversen, vor allem im Boxring.
Konkurrentinnen beschuldigten Imane Khelif aus Algerien und Lin Yu-Ting aus Taiwan, die Favoritinnen bei den Frauen, biologische Männer zu sein.
Der Internationale Boxverband (IBA) hatte sie wegen nicht bestandener «Sextests» von der WM ausgeschlossen, das Internationale Olympische Komitee (IOC) mit Sitz in Lausanne liess sie jedoch in Paris antreten.
Die IBA war wegen früherer Schiedsgerichts- und Verwaltungsskandale von der Organisation der Wettkämpfe in Paris ausgeschlossen worden.
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Warum Schweizer Bundesrichter über Caster Semenya urteilen
Vielleicht ist dies der Grund, warum die Schweizer Medien die Boxkontroverse mehrheitlich in gemässigtem Ton kommentierten.
Die Zeitung Le Temps stellte festExterner Link, dass sich die Debatte zu einer politischen Auseinandersetzung zwischen IBA und IOC entwickelt habe, bei der die Athletinnen zwischen die Fronten geraten seien und die Rhetorik weitgehend von den «unkontrollierbaren» sozialen Medien diktiert werde.
Vor allem Khelif sei zur «Geisel eines weltweiten Kampfs der Konservativen gegen den so genannten ‹Wokismus› geworden», so die Zeitung.
Der Tages-Anzeiger wies unterdessen darauf hinExterner Link, viele Online-Kommentierende und Medien hätten im Fall der beiden Boxerinnen «zu wenige Informationen, um ein Urteil fällen zu können. So redlich sollte man in dieser erhitzten Debatte schon sein».
Die Geschlechterdebatte sei diskriminierend, weil sie sich auf Sportlerinnen konzentriere, die sich «Sextests» unterziehen müssten, obwohl das Wohlergehen dieser Frauen im Vordergrund stehen sollte, so die Zeitung weiter.
Die Goldmedaillengewinnerin Khelif sagte vor der Presse, sie wünsche sich lediglich, dass die Menschenwürde respektiert werde und man sich auf die Grundsätze der Olympischen Spiele besinne.
Es bleibt abzuwarten, ob die Kommentatorinnen und Kommentatoren der Paralympics in Paris, an denen ab dem 28. August 27 Schweizer Paralympionikinnen und Paralympioniken teilnehmen werden, ihren Appell beherzigen werden.
Editiert von Mark Livingston, Übertragung aus dem Englischen: Christian Raaflaub
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