E-Voting – «eine Investition in die Zukunft»
Auch die in Venezuela lebenden Auslandschweizerinnen und Auslandschweizer freuen sich über die Möglichkeit, an der Volksabstimmung vom 28. November zum Teil online teilnehmen zu können, wie Pierino Lardi, ihr Vertreter im Auslandschweizerrat, sagt.
«Ich messe dem E-Voting eine wesentliche Bedeutung zu», sagt der Puschlaver gegenüber swissinfo.ch und weist auf die Schwierigkeiten hin, mit denen sich Auslandschweizer bei der Briefwahl herumschlagen müssen.
«Hier treffen die Abstimmungsvorlagen – wenn überhaupt – mit mehrmonatiger Verspätung ein. Sie erhalten das Material eventuell erst, wenn die Abstimmung bereits vorbei ist.»
Obwohl nicht alle Länder von diesem Problem betroffen sind, ist Venezuela kein Einzelfall. Pierino Lardi kann dies aus eigener Erfahrung bezeugen. Seit 1968 ist er beruflich im Ausland unterwegs.
Die Angst, dass das Abstimmungsmaterial zu spät im Gastland eintrifft oder die Stimmzettel die Schweizer Behörden nicht rechtzeitig erreichen, hält seiner Ansicht nach viele Auslandschweizerinnen und -Schweizer von der Ausübung ihrer politischen Rechte ab.
Dies erklärt zum Teil die geringe Wahlbeteiligung der Diaspora in diesen Ländern. So sind zum Beispiel in Venezuela von den 1493 erwachsenen Schweizer Staatsangehörigen bloss 139 (9,31%) in einem Wahlregister bei einer Schweizer Gemeinde eingeschrieben – eine Voraussetzung um Abstimmen zu können.
Das Interesse der Fünften Schweiz kultivieren
Trotzdem verfolgten viele Auslandschweizer in Venezuela aufmerksam, was in der Eidgenossenschaft geschehe, versichert Lardi. Die Schweizer in Caracas diskutierten, wenn sie unter sich seien, «meistens über Abstimmungen, politische Entscheidungen und was zu Hause so läuft», sagt er.
Dass viele von ihnen von Schweizer Firmen angestellt seien, helfe mit, dieses Interesse am Leben zu halten. «Niemand hier hat seine Wurzeln vergessen», unterstreicht er.
E-Voting würde helfen, die Beziehungen zwischen dem Bund und der Fünften Schweiz zu stärken. An einem Auslandschweizertreffen in Caracas am 11. November, «haben wir über die elektronische Stimmabgabe diskutiert. Alle Anwesenden sprachen sich für dieses System aus und zeigten sich überzeugt, dass dieses gut funktioniere», erzählt Lardi.
Auch die von Gegnern des E-Votings befürchteten Gefahren durch Manipulation oder Hacking können die Schweizer in Venezuela nicht zu einem Meinungsumschwung bewegen. Es herrsche volles Vertrauen in die Fähigkeiten von Bund und Kantonen, die Sicherheit und Geheimhaltung von Abstimmungen zu gewährleisten.
Lardi kann zwar Risiken wie Hacking oder eine allfällige Druckausübung auf die Wähler nicht ganz ausschliessen. «Aber auch die Abstimmung per Brief ist nicht gegen Druck gefeit.»
Was das Hacking anbetrifft, ist die Gefahr seiner Ansicht nach eher gering. Damit sich solche Angriffe lohnten, müsse es ein grösseres Interesse geben. Aber dieses sei angesichts des geringen Anteils der Stimmen wahrscheinlich nicht sehr gross, schätzt Lardi.
«Selbstverständlich kann das System noch perfektioniert werden. Aber wir müssen mal anfangen. Von den bisherigen Versuchen habe ich nur positive Rückmeldungen erhalten. Alle meine Freunde, die ihre Stimme per E-Voting abgeben konnten, zeigten sich glücklich darüber», sagt das Mitglied des Auslandschweizerrats (ASR).
Ein Schritt nach vorn
Bei der Abstimmung vom kommenden 28. November haben fast 190’000 Stimmbürgerinnen und –bürger in einzelnen Gemeinden in elf Kantonen, zu Hause oder im Ausland, die Möglichkeit, elektronisch abzustimmen.
Lardi freut sich, dass auch sein Kanton Graubünden mitmacht und den Auslandschweizern aus sechs Gemeinden diese Möglichkeit bietet.
«Und als Puschlaver bin ich stolz darauf, einer der Pioniere sein zu dürfen.» Denn seine Gemeinde ist die erste italienisch-sprachige, die mit der Abstimmung im Internet experimentieren darf.
«Es ist schön, in meinem Alter eine Entwicklung zu sehen, die in diese Richtung geht. Das ist zweifellos ein Schritt nach vorn», sagt der 63-Jährige, der eine Parallele zwischen der technischen Entwicklung im Allgemeinen und jener bei der Ausübung der politischen Rechte ausmacht.
Sonst verpasst man den Zug
«Als ich vor 42 Jahren zu arbeiten anfing, steckte die Elektronik noch in den Kinderschuhen. Und als der erste Computer in der Bank Einzug hielt, war das eine grosse Revolution. Heutzutage kann man ohne Computer nicht mehr arbeiten. So ist es in allen Bereichen: Es ist wichtig mit dem technischen Fortschritt mitzuhalten, sonst verpasst man den Zug.»
Auch die hohen Kosten für das neue System rechtfertigten keinesfalls einen möglichen Verzicht, sagt der Schweizer Bankier. «Es sind Kosten, die nicht zurückgezahlt werden, aber es ist eine gute Investition in die Zukunft», argumentiert er.
Zudem werde die flächendeckende Einführung des E-Votings «in Zukunft die Druckkosten für die Papierberge sowie Portokosten einsparen», sagt Pierino Lardi.
Pierino Lardi wird 1947 in Poschiavo, im Kanton Graubünden, geboren.
Nach der Handelsschule bildet er sich weiter an der Höheren Fachschule Bank und Finanz in Zürich und St. Moritz, die er 1968 mit einem Diplom abschliesst.
Im selben Jahr beginnt er für die damalige Schweizerische Bankgesellschaft (die heutige UBS) zu arbeiten.
Er lernt mehrere Sprachen und absolviert Studiengängen für Banken und Finanzen an der University of New York.
Nach dem Bekleiden wichtiger Führungsposten im In- und Ausland verlässt Pierino Lardi 1984 die UBS und arbeitet für die United Overseas Bank als Leiter für internationale Entwicklung.
1994 wird er Verwaltungsrats-Vorsitzender der Banca Commerciale in Lugano.
2002 wird er Mitgründer der Banque Cramer & Cie SA.
Seit 2005 lebt er in Caracas, von wo aus er die Geschäfte der Bank für Nord- und Südamerika leitet.
Lardi ist verheiratet und Vater von drei Kindern.
Fussball gehört zu seinen Leidenschaften: Zwischen 1987 und 2006 war er Sprecher des Schweizerischen Fussballverbandes. Er ist auch Uefa-Delegierter und Fifa-Kommissär.
(Übertragung aus dem Italienischen: Etienne Strebel)
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