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Ein reiches Land, das viele Kriminelle anzieht

Einer ungewissen Zukunft entgegen. Keystone

Knapp zwei Drittel aller Insassen in Schweizer Gefängnissen sind nicht Schweizer. Ihre Anzahl hat sich innert 10 Jahren verdoppelt.

Die Situation hierzulande lässt sich mit kleinen Ländern wie Luxemburg und Andorra vergleichen.

62,6% aller Häftlinge in Schweizer Gefängnissen sind ausländischer Nationalität. Dies belegen Zahlen des «International Center for Prison-Studies» des Kings College of London. Ein Viertel von ihnen ist wegen Drogendelikten verurteilt. Insgesamt sitzen über 5100 Personen in der Schweiz hinter Gittern.

Menschen aus 30 Ländern würden ihre Haft im Thorberg ausserhalb von Bern verbüssen, erzählt Direktor Hans Zoss. Die Häftlinge in der Männerstrafanstalt im Kanton Bern seien hauptsächlich Kriminal-Touristen, Asylbewerber und Ausländer, die in der Schweiz leben.

Die meisten von ihnen seien aus Albanien, Mazedonien, Bosnien, Kroatien und dem früheren Jugoslawien. Viele seien während des Balkan-Konfliktes in die Schweiz gekommen.

«Wir haben eine Menge Häftlinge [aus dem Balkan], doch die Anzahl nimmt ab, da sich die politische Situation abkühlt», sagt Zoss gegenüber swissinfo.

Länger im Knast

Nach den Zahlen des Kings College steht die Schweiz punkto Ausländeranteil im internationalen Vergleich weit oben, obwohl in ihren Gefängnissen immer weniger Menschen einsitzen. Nur 71 von 100’000 Menschen sind in der Schweiz im Gefängnis.

In Frankreich sind es 85, in Deutschland 96. In den Vereinigten Staaten gar 690. Zehnmal mehr, als in der Schweiz.

«Immer weniger Leute müssen in der Schweiz ins Gefängnis. Doch die, welche hineinkommen, bleiben länger», sagt Martin Killias, Kriminologie-Professor an der Universität Lausanne, gegenüber swissinfo.

Der hohe Anteil an Ausländern würde den hohen Anteil von gegen 30% an der Schweizer Wohnbevölkerung reflektieren. Und, so Killias, Ausländer müssten oft längere Haftstrafen verbüssen, weil sie häufiger schwere Straftaten begehen. Dazu komme, dass Schweizer oft mit gemeinnütziger Arbeit früh wieder integriert würden.

Drogendelikte



Dies bestätigt auch Hans Zoss. Viele Immigranten hätten Mühe mit den schwierigen Umständen, die sie in der Schweiz erwarten würden.

«Es besteht die Tendenz zu mehr Gewalt, zu Diebstahl und anderem kriminellem Verhalten wegen der sozialen Situation. Viele Leute sind in einer unsicheren Situation mit keiner klaren Zukunft.»

Im Thorberg, einem Hochsicherheits-Gefängnis, verbüsst die Hälfte eine Strafe wegen Drogendelikten. «76 der 150 Insassen sind hier wegen Verstössen gegen das Betäubungsmittelgesetz, die meisten waren Dealer», sagt Zoss.

«Wir haben auch ausländische Gewaltverbrecher oder Mörder, doch diese sind in der Minderheit.»

Kleinstaaten gefährdet

«Die Schweizer Situation lässt sich mit Luxemburg vergleichen», erklärt André Vallotton, Chef der waadtländischen Haftanstalten. Dort sitzen auf 100’000 Menschen 80 im Gefängnis. 60% davon sind Ausländer. Der Kleinstaat Andorra hat ähnliche Zahlen.

Die Schweiz sei inmitten Europas und damit ein Durchreise-Land. Was sich natürlich auf die grenzüberschreitende Kriminalität auswirke.

«Genf zum Beispiel, ist eine beliebte ‹Spielwiese› für die Region Lyon», erklärt Vallotton. «Wir finden das gleiche Phänomen auch in den Regionen Basel und Tessin.»

Ähnlich sieht es Daniel Fink, Chef der Schweizerischen Kriminalstatistik im Bundesamt für Statistik: «In der Schweiz scheint alles so einfach zu haben sein. Supermärkte, schöne Autos.»

Und weiter: «Da ist es nicht überraschend, dass zum Beispiel Asylsuchende einen Teil davon für sich haben wollen.» Dass diese nicht arbeiten dürften, führe zusammen mit dem sie umgebenden Luxus leicht in die Kriminalität.

Kriminal-Tourismus

Auch Killias sieht im schweizerischen Luxus einen Grund zur Delinquenz: «Die Schweiz bietet günstige Verhältnisse, um mit illegalen Tätigkeiten zu viel Geld zu kommen. Und sie hat viele attraktive Einbruch-Objekte.»

Daniel Fink weiss, dass viele gestohlene Fahrzeuge im Osten Europas wieder auf dem Markt auftauchen. Und das Problem dürfte sich noch vergrössern, da Zollkontrollen durch die bilateralen Verhandlungen gelockert werden.

Einbürgerungs-Hürde

Trotz der hohen Zahlen in der Schweiz relativiert Daniel Fink: Andere Länder hätten eigentlich die gleichen Zahlen, wenn dort die Einbürgerungen nicht leichter wären.

«Frankreich ist ein Schmelztiegel aller Rassen», sagt Fink. «Für Ausländer ist es dort einfacher, sich zu integrieren und einen französischen Pass zu erhalten.»

In der Schweiz hingegen sei es sogar für Menschen, welche hier geboren seien, schwerer, Schweizer Bürger zu werden.

Falls diese Menschen nun ein Verbrechen begehen würden, zählen sie als Ausländer. In anderen Ländern wären sie Einheimische.

swissinfo

62,2% der Häftlinge in Schweizer Gefängnissen sind Ausländer
Ein Viertel von ihnen sitzt wegen Drogendelikten
7% von ihnen sind Aslybewerber
167 Gefängnisse gibt es in der Schweiz

62,6% aller Häftlinge in Schweizer Gefängnissen sind Ausländer. Dies belegt eine internationale Studie.

Damit steht die Schweiz zusammen mit anderen kleinen Ländern zuoberst in der Statistik.

Nicht zufällig, denn Transitländer haben häufiger mit Kriminal-Touristen zu kämpfen als grössere Länder.

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