Ein Schweizer als rechte Hand von Kofi Annan
Der Freiburger Professor Nicolas Michel ist am Dienstag in New York zum Chef des Rechtsausschusses der Vereinten Nationen ernannt worden.
Damit ist der Jurist einer der fünf engsten Berater von Generalsekretär Kofi Annan und der erste Schweizer, der ein derart hohes UNO-Amt bekleidet.
Nicolas Michel wird den Schweden Hans Corell ablösen, der den Posten nach zehn Jahren verlässt.
Aussenministerin Micheline Calmy-Rey hatte die bevorstehende Nominierung Michels bereits vergangene Woche der Aussenpolitischen Kommission des Nationalrates angekündigt.
Der 55-jährige Rechtsprofessor aus Freiburg war unter Bundesrat Flavio Cotti Chef der Direktion für Völkerrecht und arbeitet als Rechtsberater des Eidg. Departements für auswärtige Angelegenheiten (EDA).
Juristisches Gewissen
«Der Freiburger wird das juristische Gewissen von Kofi Annan sein», schreibt die Genfer Zeitung «Le Temps» am Dienstag. Michel werde den UNO-Generalsekretär in allen Fragen des internationalen Rechts beraten.
Annan habe die Qualitäten des Schweizer Juristen vor allem bei den Verhandlungen zur Gründung des Internationalen Strafgerichtshofs kennen gelernt, schreibt «Le Temps» weiter. Die Schweiz hatte sich an vorderster Front dafür eingesetzt, dass Verbrechen gegen die Menschlichkeit von einem Weltgericht geahndet werden.
Ein Lob für seine Arbeit im Zusammenhang mit dem Internationalen Strafgerichtshof erhält Nicolas Michel von Amnesty International (AI). «Er zeigte sich sehr empfänglich für unsere Argumente zu diesem Thema», betont Alain Bovard von der AI-Sektion Schweiz gegenüber swissinfo.
Prestige-Job für die Schweiz
UNO-Generalsekretär Kofi Annan stehen fünf engste Mitarbeiter im Rang von Untersekretären zur Seite. Mit Michel wird erstmals ein Schweizer ein solches Amt bekleiden. «Le Temps» spricht von einem «Prestige-Posten für die Schweiz».
In Michels künftigem Tätigkeitsfeld findet sich Schlagzeilenträchtiges wie die gegenwärtige Untersuchung über Unstimmigkeiten im irakischen Programm «Öl für Nahrung».
Anerkennung für die Schweiz
Den Schweizer Juristen erwarten weitere knifflige Aufgaben. «Er wird sich zur Rechtsgültigkeit von UNO-Resolutionen äussern müssen», erklärt Vera Gowlland, Professorin für Internationales Recht an der Universität Genf.
«Für die Schweiz ist die Nomination Michels eine Ehrung: Die UNO und ihre Mitgliedstaaten anerkennen die besondere Rolle der Schweiz im Bereich des internationalen öffentlichen Rechts», so Gowlland gegenüber swissinfo.
Erst vor kurzem leitete Michel als EDA-Rechtsberater ein Forum mit internationalen Experten, die eine Überarbeitung von Artikel 51 der UNO-Charta über das Recht auf Selbstverteidigung erörterten. Ein Artikel, den namentlich die USA vorgebracht hatten zur Rechtfertigung ihrer Intervention in Afghanistan.
Die Idee des Forums hatte Bundesrätin Calmy-Rey Kofi Annan anlässlich ihres Treffens mit dem UNO-Generalsekretär im Oktober letzten Jahres in New York schmackhaft gemacht.
Schon früher Schweizer als UNO-Sondergesandte
Schon zahlreiche Schweizer haben als UNO-Sondergesandte gearbeitet oder tun es immer noch.
Zum Beispiel Carla Del Ponte als Chefanklägerin am UNO-Kriegsverbrecher-Tribunal für Ex-Jugoslawien und Ruanda, Alt-Bundesrat Adolf Ogi als Sport-Sonderberater beim UNO-Generalsekretär oder der Genfer Soziologe Jean Ziegler als UNO-Sonderberichterstatter für das Recht auf Nahrung.
Bisher hat indessen noch kein Schweizer ausser Nicolas Michel ein so hohes Amt in der Exekutive der Weltorganisation bekleidet.
swissinfo, Jean-Michel Berthoud
Nicolas Michel: 1949 in Freiburg geb., Doktorat in Jurisprudenz
1979: Studium Internationale Beziehungen in den USA
Seit 1987: Professor für Völker- und Europarecht an der Universität Freiburg
1998-2003: Chef der Direktion für Völkerrecht im Departement für auswärtige Angelegenheiten (EDA)
Mit der Ernennung des Rechtsprofessors Nicolas Michel ist die Schweiz im leitenden Gremium der UNO vertreten. Die «Senior Management Group» (SMG) dient UNO-Generalsekretär Kofi Annan als «Kabinett» und ist damit zentrale Stelle zur einheitlichen Formulierung der UNO-Tätigkeit.
Das Gremium wurde von der UNO-Vollversammlung 1997 auf Antrag von Annan eingesetzt. Ziel der Tätigkeit der derzeit 17 Mitglieder ist die Sicherung der strategischen Ausrichtung der Tätigkeit der Vereinten Nationen.
Der Rechtsberater unterstützt den Generalsekretär in allen das Völkerrecht betreffenden Belangen. Damit ist er auch Vorsteher des Rechtsausschusses mit seinen sechs Einheiten und rund 160 Mitarbeitenden.
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