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Ein unaufgeregter Fall

Bundesanwalt Valentin Roschacher will Klarheit im "Dossier Indiskretion". Keystone

Bundesanwalt Valentin Roschacher bietet Bundesrat Christoph Blocher die Stirn.

Entgegen dem Willen seines politischen Vorgesetzten will Roschacher die Indiskretion zum Bundesratsgeschäft über die Subventionen an Schweiz Tourismus zur Strafverfolgung bringen.

Der vorliegende Fall von Indiskretion oder Amtsgeheimnisverletzung geht auf den vergangenen Frühling zurück.

Nach der Sitzung der Schweizer Regierung, die nie öffentlich ist, vom 5. März gelangte der Vorschlag Blochers an die Medien, den Kredit für die Schweizer Tourismusförderung «Schweiz Tourismus» auf einen symbolischen Franken zu kürzen.

Vermutlich ein Mitarbeiter Couchepins

Bundeskanzlerin Annemarie Huber-Hotz reichte deshalb Strafanzeige ein. Die Bundesanwaltschaft (BA) eröffnete darauf das Ermittlungsverfahren und identifizierte den mutmasslichen Täter. Um eine Strafverfolgung gegen einen Bundesangestellten zu führen, braucht die Bundesanwaltschaft allerdings eine Ermächtigung des Justizdepartmentes, EJPD, also von Bundesrat Blocher selber.

Als mutmasslicher Urheber der Indiskretion wurde in den Medien ein persönlicher Mitarbeiter von Bundesrat Pascal Couchepin genannt.

Mitte Mai wurde überraschend der Abgang des Mitarbeiters auf Ende 2004 angekündigt. Ein Zusammenhang mit der Indiskretion war damals vom Departement Couchepin allerdings bestritten worden.

EJDP: Ein leichter Fall

Nun muss das Bundesverwaltungsgericht, das oberste Verwaltungsgericht der Schweiz, entscheiden.

Das Eidgenössische Justiz- und Polizeidepartement (EJPD) teilte am Samstagabend mit, es habe den Antrag der Bundesanwaltschaft zur Ermächtigung für die Strafverfolgung des fehlbaren Bundesangestellten verweigert.

Es handle sich insgesamt um einen leichten Fall, begründete das EJPD den Entscheid von Departementschef Blocher.

Ausserdem werde der betreffende Mitarbeiter den Bundesdienst ohnehin verlassen und das entsprechende Departement habe gegen ihn eine Disziplinarmassnahme von einem halben Monatslohn angekündigt.

Kein Kavaliersdelikt

Die Bundesanwaltschaft will diesen Beschluss Blochers jedoch nicht akzeptieren. Es gehe hier nicht um eine Indiskretion, sondern um eine Amtsgeheimnisverletzung, sagte BA-Sprecher Hansjürg Mark Wiedmer am Sonntag. Das Wort Indiskretion suggeriere so etwas wie ein Kavaliersdelikt.

Amtsgeheimnisverletzung sei aber ein strafrechtlicher Tatbestand, der mit Gefängnis oder Busse bedroht sei. Die Bundesanwaltschaft werde deshalb Beschwerde gegen Blochers Entscheid beim Bundesverwaltungsgericht einreichen, bestätigte Wiedmer einen Bericht des «SonntagsBlick».

Lecks nur selten gefunden

Der Bundesanwaltschaft gehe es letztlich um die Klärung von Artikels 320 des Strafgesetzbuches. Bislang hätten bei Fällen von Amtsgeheimnisverletzung die verwaltungsinternen Urheber nur in den seltensten Fällen eruiert werden können.

Stattdessen seien oft die betroffenen Journalisten gerichtlich belangt worden. Dies sei in den Medien oft kritisiert worden.

Nun habe man den Urheber und wolle gemäss Gesetz handeln. Wiedmer betonte jedoch, dass es sich bei der Beschwerde um einen «unaufgeregten Vorgang» handle.

Die Verwaltung und die Ermittlungsbehörde hätten lediglich unterschiedliche Standpunkte, die vom Bundesverwaltungsgericht nun geklärt werden müssten.

swissinfo und Agenturen

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