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Ein Video soll Afrikaner abschrecken

swissinfo.ch

Es regnet in Strömen. Menschen aus Afrika schlafen unter Brücken, flüchten vor der Polizei und fristen ein Dasein als Bettler. Dieses negative Schweiz-Bild vermittelt ein Video, das zurzeit in Kamerun und Nigeria am TV läuft.

Das Video soll Afrikaner davon abhalten, auszuwandern. Auftraggeber ist das Bundesamt für Migration.

Die Botschaft des knapp zwei Minuten dauernden Spots ist deutlich. Sie lautet: bleibt zu Hause, Europa ist nicht der Kontinent, wo Milch und Honig fliessen.

Die Wohnung ist behaglich. Ein älterer Afrikaner sitzt im Lehnstuhl. Das Telefon klingelt. Am andern Ende ist sein Sohn.

Dieser hastet in eine öffentliche Telefonkabine. Er lebt seit Kurzem in der Schweiz. Es ist kalt und nass.

«Hast Du eine Unterkunft gefunden?», fragt der Vater. «Ja bei Freunden», antwortet der Sohn. Gleichzeitig werden Bilder von einem Schlaflager unter einer Brücke eingeblendet.

«Klappt es mit dem Studium?», so der Vater weiter. «Natürlich, ich habe mich an der Uni eingeschrieben», lügt der Sohn. Die Bilder zeigen ihn, wie er am Strassenrand bettelt und vor der Polizei flüchtet.

Dem Sohn geht es nicht gut in der Schweiz. Seine Träume haben sich nicht erfüllt. «Glauben Sie nicht alles, was Sie hören. Weggehen bedeutet nicht immer ein besseres Leben», mahnt der Abspann des Videos.

Gegen falsche Vorstellungen

«Wir haben die Verpflichtung, diesen Menschen aufzuzeigen, welche Folgen eine Flucht für sie haben kann», begründet Eduard Gnesa, Direktor des Bundesamts für Migration (BFM), die Schockkampagne.

«Die Flüchtlinge sollen sich keine falschen Vorstellungen machen von der Schweiz. Wir haben keine Arbeit für diese Leute.»

In der Schweiz seien in den vergangenen Jahren 300’000 Arbeitsplätze in den wenig qualifizierten Bereichen abgebaut worden. «Die Wirtschaft kann aufgrund der Freizügigkeitsabkommen aus den EU-Staaten Arbeitnehmer rekrutieren.»

Einwanderer aus Kamerun und Nigeria könnten meistens keine politischen Verfolgungsgründe anführen. Deshalb erhalten sie in der Schweiz in der Regel kein Asyl.

Als weiteren Grund nennt Gnesa die Tatsache, dass jedes Jahr Tausende von afrikanischen Migranten auf der Flucht im Mittelmeer ertrinken. «Auch vor dieser Gefahr wollen wir sie warnen.»

Das Video ist Teil einer Kampagne, zu der auch Aufklärungsbroschüren gehören. Damit soll die Migration am Entstehungsort bekämpft werden. Die Kampagne läuft zurzeit in Kamerun und in Nigeria. Mit andern Staaten – so mit dem Kongo – laufen laut Gnesa zurzeit Gespräche.

Zweifel an der Wirksamkeit

Das Pilotprojekt sei vor anderthalb Jahren gestartet worden und mit den Regierungen von Kamerun und Nigeria abgesprochen. Die Reaktionen bezeichnet Gnesa als «grundsätzlich positiv».

Die Absicht des Spots sei grundsätzlich gut gemeint, räumt Jürg Krummenacher, Direktor des Hilfswerks Caritas ein. Er relativiert jedoch die Wirksamkeit der Kampagne. «Die Leute in Nigeria oder Kamerun sehen ja laufend im Fernsehen, wie es in Europa aussieht. Sie wissen auch, das sie mit der Überfahrt ihr Leben riskieren. Ich glaube nicht, dass der Spot viel bringt.»

In diesem Jahr seien zudem aus Kamerun lediglich 105 und aus Nigeria 286 Asylbewerber in die Schweiz gekommen. «Hunderttausende träumen in diesen beiden Ländern davon, aber nur ein kleiner Teil flüchtet wirklich.»

Grossteil aus Eritrea und Somalia

Krummenacher weist darauf hin, dass der Grossteil der 2800 afrikanischen Flüchtlingen, die 2006 in die Schweiz gekommen sind, aus Eritrea und Somalia stammen. «Das sind Deserteure, also Kriegsflüchtlinge und Flüchtlinge aus Ländern, in denen die Verletzung der Menschenrechte an der Tagesordnung sind.»

Der Spot erwecke hingegen den Eindruck, die afrikanischen Flüchtlinge kämen zur Arbeitssuche in die Schweiz und nicht aus Ländern, in denen Krieg herrsche oder der Staat schlichtweg nicht mehr funktioniere.

swissinfo, Andreas Keiser

Für die Produktion ist die in Genf ansässige internationale Organisation für Migration (IOM) zuständig.

Sie wird aus dem regulären Budget des Bundesamtes für Migration finanziert.

An den Kosten beteiligt sich auch die EU über das so genannte Aeneas-Programm, das Projekte zu den Themen Immigration und Asyl in den Ländern des Südens fördert.

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