Eine Spritze gegen die Zigaretten-Sucht
Raucher und Raucherinnen sollen mit einer neuen Impfung von ihrer Nikotin-Sucht befreit werden. In St.Gallen und Lausanne starten die ersten Versuche mit 300 Patienten.
Internationale Wissenschafter glauben, dass der Impfstoff bis in drei, vier Jahren auf dem Markt sein könnte.
Die bisherigen Entwöhnungsmittel für Raucher zeigen nur sehr beschränkten Erfolg: Sei es Nikotin-Pflaster, Kaugummi oder Nadeln im Ohr – die Erfolgsquote liegt bei bescheidenen 15 Prozent.
Jetzt sind Wissenschafter auf der ganzen Welt – darunter auch Fachleute in St.Gallen und Lausanne – einer neuen Lösung auf der Spur: Bald könnte eine Impfung den Rauchern helfen, ihre Nikotinsucht zu überwinden.
Eine Impfung gegen die Zigaretten-Sucht
Der von den Schweizer Forschern entwickelte Wirkstoff enthält denselben Stoff, gegen den bei der Suchtbekämpfung angegangen wird: Nikotin.
Dank dem entwickelten Impfstoff bildet das Immunsystem Antikörper, die den Fremdkörper Nikotin bereits im Kreislauf binden und verhindern, dass grosse Mengen davon ins Gehirn gelangen. Ein Agonist verhindert zudem die Reizwirkung des Nikotins.
Die Tierversuche haben gute Ergebnisse gezeigt: Angeregt durch den Impfstoff eliminierte das Immunsystem von Mäusen bis zu 70 Prozent des Nikotins. Die Forscher hoffen nun, dass auch beim Menschen ähnlich gute Resultate erzielt werden können.
Entwickelt wurde der Impfstoff «Nikotin-Qbeta» von Thomas Cerny, Chefarzt Onkologie am Kantonsspital St. Gallen, und seinem Bruder, dem Immunologen Erich Cerny.
Beide haben – unabhängig von Forschungsinstituten – die Idee der Antiraucher-Impfung jahrelang entwickelt und vorangetrieben. Mit der Schweizer Biotechfirma Cytos, die 1995 als Spin-off der ETH Zürich entstanden ist, fanden die Brüder schliesslich eine Partnerfirma.
Tests mit 300 Personen
Nach Versuchen an Ratten und Hasen ist der Impfstoff nun freigegeben für erste Testanwendungen am Menschen. In diesem Jahr sollen in der Schweiz 300 Raucher und Raucherinnen geimpft werden. Die ersten Resultate sollen nächstes Jahr vorliegen. Frühestens in drei bis vier Jahren, hofft man bei Cytos, könnte das Produkt auf dem Markt sein.
Zwei medizinische Zentren sind an der klinischen Testphase beteiligt: Das Kantonsspital St.Gallen, und das Universitätsspital Lausanne.
Der Test werde rund ein Jahr dauern, sagt Jacques Cornuz, verantwortlicher Arzt in Lausanne.
«Beginnen wird man mit vier bis fünf Injektionen verteilt auf mehrere Wochen. Wir wissen noch nicht genau, wie viele Antikörper produziert werden und nach wie vielen Wochen der Impfstoff wirksam wird. Gewiss ist aber, dass die Wirkung nicht mehrere Jahre anhalten wird.»
Ein lukrativer Raucher-Markt
Nicht nur die Schweizer Firma Cytos arbeitet an der Idee der Nikotin-Impfung. Auch die US-Firma Nabi hat schon Tests durchgeführt. Die englische Firma Xenova arbeitet an einem Impfstoff namens Ta-Nic. Auch in Belgien und Schweden werden Impfstoffe entwickelt.
Gelingt der Durchbruch, winkt ein grosser Markt: Nach Schätzungen der Weltgesundheits-Organisation (WHO) rauchen etwa eine Milliarde Menschen. Jedes Jahr sind weltweit über drei Millionen Todesfälle zu beklagen. Etwa zwei Drittel aller Raucher haben irgendwann versucht, mit dem Rauchen aufzuhören – die meisten erfolglos.
Nur der Wille bringt Erfolg
Die Hoffnungen der vielen Raucher, die gerne von ihrer Sucht loskommen möchten, werden allerdings von den Fachleuten gedämpft: Auch bei diesem Mittel findet die Entwöhnung nur statt, wenn der Raucher auch wirklich aufhören will.
«Wie bei den anderen Methoden ist auch unsere Impfung nur ein Hilfsmittel, eine Unterstützung für Leute, die für sich beschlossen haben, mit dem Rauchen aufzuhören», sagt Jacques Cornuz vom Unispital Lausanne.
«Wir hoffen, dank der Impfung die Zahl der entwöhnten Raucher auf 30 Prozent erhöhen zu können. Die Impfung wird aber nichts nützen, wenn der Wille fehlt.»
swissinfo
In der Schweiz sterben jährlich rund 8000 Personen an den Folgen des Tabakkonsums – weltweit gegen fünf Millionen.
Raucher leben im Schnitt sieben Jahre weniger als Nichtraucher. Trotzdem raucht ein Drittel der Schweizer und Schweizerinnen zwischen 14 und 65 Jahren.
Über die Hälfte von ihnen möchte mit dem Rauchen aufhören. Nur etwa jeder Zehnte erreicht das Ziel.
Mit der neuen Nikotin-Impfung soll die Erfolgsquote auf 30% erhöht werden. Die klinischen Versuche mit 300 Patienten sollen rund ein Jahr dauern.
Bis zur Marktzulassung wird es mindestens drei Jahre dauern.
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